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Josephine Ortleb
SPD
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Frage von Simon B. •

Warum dulden Sie das Tragen der „blauen Kornblume“ (ein mit rechtsextremen, antisemitischen Bewegungen assoziiertes Symbol) im Plenarsaal?

Sehr geehrte Frau Ortleb,

dem Bundestagspräsidium obliegt es laut §§ 7 und 19 der Geschäftsordnung, die Ordnung im Bundestag zu wahren. Warum wird das Tragen der „blauen Kornblume“ im Plenarsaal geduldet – ein historisch mit rechtsextremen, antisemitischen Bewegungen assoziiertes Symbol, das in der Zwischenkriegszeit u. a. von deutschnationalen und nationalsozialistischen Gruppen als Erkennungszeichen genutzt wurde?

Wie lässt sich diese Duldung mit Ihrer Verantwortung zur Wahrung der demokratischen Ordnung (Art. 20 GG) vereinbaren?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre E-Mail und den Hinweis auf das Tragen der sogenannten „blauen Kornblume“ im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.

Die Verantwortung für die Ordnung im Plenum obliegt gemäß §§ 7 und 19 der Geschäftsordnung dem Bundestagspräsidium. Sie berührt dabei grundsätzliche Aspekte parlamentarischer Kultur und demokratischer Praxis – darunter insbesondere die Sicherung der Würde des Hauses, der freien Mandatsausübung und der politischen Chancengleichheit.

In Ihrer Nachricht verweisen Sie zu Recht auf die historische Belastung der Kornblume durch ihre Verwendung als Erkennungszeichen deutschnationaler und nationalsozialistischer Gruppierungen in der Zwischenkriegszeit, insbesondere im österreichischen Kontext. Diese symbolgeschichtliche Einordnung ist mir als Vizepräsidentin bekannt und wird bei der Bewertung möglicher politischer Botschaften im Plenarsaal berücksichtigt.

Gleichzeitig ist die Kornblume ein vielschichtiges und historisch nicht eindeutig konnotiertes Symbol. Sie ist über Jahrhunderte als regionales, kulturelles und florales Zeichen verwendet worden und weist in der Gegenwart keine durchgängig einheitliche Bedeutung auf. Eine rechtssichere und demokratisch tragfähige Bewertung erfordert daher stets eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des konkreten Kontexts – etwa ob eine bewusst provokative oder demonstrative Verwendung im Sinne einer politischen Botschaft vorliegt.

Als Vizepräsidentin nehme ich Hinweise auf mögliche Formen von Symbolik, die mit verfassungsfeindlichen Ideologien assoziiert sein könnten, sehr ernst. In diesem Zusammenhang ist auch der Auftrag zur Wahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aus Artikel 20 des Grundgesetzes von zentraler Bedeutung. Er bildet einen normativen Rahmen für die Arbeit aller Verfassungsorgane – auch des Bundestagspräsidiums.

Eine pauschale Untersagung einzelner Farben oder Symbole wäre jedoch nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen möglich und müsste sich an den Maßgaben der Geschäftsordnung und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientieren. Auch im Parlament gilt das Spannungsverhältnis zwischen Meinungsfreiheit und Schutz demokratischer Ordnung – und es ist Aufgabe der/s jeweils sitzungsleitenden Präsidenten/in, dieses Verhältnis in sachlicher Verantwortung zu wahren.

Für Ihren Hinweis und Ihre kritische Aufmerksamkeit sowie Ihr Engagement im Sinne einer wachsamen Demokratie danke ich Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen
Josephine Ortleb
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages

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