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Jan Lüdtke-Reißmann
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Frage von Georg S. •

Frage an Jan Lüdtke-Reißmann von Georg S. bezüglich Finanzen

Hallo Jan,

darf ich sie bitten diese Fragen zu unserem Geld, welches die Basis für unser meist sehr wirtschaftliche ausgerichtete Handeln ist, zu beantworten.
vielen Dank

1. Ist Ihnen bekannt, dass das Privileg, Giralgeld zu erzeugen, weder in europäischen noch in deutschen Rechtsvorschriften explizit erwähnt und geregelt wird?

2. Ist Ihnen der Vorschlag der Vollgeldreform bekannt, demzufolge neues Geld nur noch durch die Zentralbanken als unabhängige vierte Staatsgewalt (die Monetative) in Umlauf gebracht werden soll?

3. Werden Sie sich in der nächsten Wahlperiode im Deutsche Bundestag dafür einsetzen, dass das vollständige staatliche Vorrecht auf Geldschöpfung gesetzlich verankert wird?

4. Ist Ihnen bekannt, dass der größte Teil des von uns verwendeten Geldes (das Giral- geld) durch private, gewinnorientierte Banken erzeugt und in Umlauf gebracht wird und nicht wie von den meisten Menschen vermutet durch staatliche Organe und dass diese Praxis auch von der Deutschen Bundesbank so bestätigt wird?

5. Halten Sie die private Banken-Geldschöpfung für gerechtfertigt oder sind Sie der Meinung, dass Geld nur von einer öffentlichen Institution erzeugt und in Umlauf gebracht werden sollte?

6. Ist Ihnen bekannt, dass durch die Wiederherstellung des staatlichen Vorrechts auf Geldschöpfung die derzeitige Staatsverschuldung zu einem großen Teil ohne Steuererhöhungen und Sparpakete beseitigen werden könnte und dass der IWF (Internationale Währungsfonds) in einer Studie aus dem Jahr 2012 bestätigt hat, dass dies ohne Inflationsgefahr möglich ist?

7. Was halten Sie davon, das Volk selbst über die gesetzlichen Grundlagen unseres Geldsystems abstimmen zu lassen?

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Antwort von
PIRATEN

Hallo Georg,

ihnen auch vielen Dank für die Frage, leider schaffe ich es erst heute Antworten zu schreiben. Ihre Fragen sind teilweise sehr speziell, ich werde daher jeweils erläuternd beginnen. Ich denke mit 7 mal ja oder nein wäre Ihnen und auch anderen Lesern eher nicht gedient :)

Zu 1.) Giralgeld ist das sogenannte Buchgeld. Es entsteht, wenn physisches Geld (Notenbankgeld) zur Bank getragen wird und der Einzahler ein Anrecht auf eine Abhebung erhält. Möglich wurde dies durch den Bargeldlosen Zahlungsverkehr. Giralgeld entsteht dort, wo eine Bank die Erlaubnis hat, als Bank tätig zu sein.

Aus meiner Sicht bedarf es hier keiner expliziten Erwähnung in einem Gesetz, da es sich um ein Vertragsverhältnis zwischen Bank und Kunde handelt. Weiterhin dürfen an dieser Stelle nicht die Begriffe Geld und Zahlungsmittel verwechselt oder vermengt werden, denn die Bank hat kein Recht ihr Giralgeld bei der Zentralbank in Physische Zahlungsmittel umwandeln zu lassen.

Zu 2.) Die Thematik des Vollgeldes wird bei den Piraten seit einigen Jahren heiß diskutiert. Man findet dies an dieser Stelle: http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik Die Thematik der Vollgeldreform hat jedoch (bisher) keinen Eingang in das Programm der Piratenpartei gefunden.

Den Vorschlag der Vollgeldreform halte ich für abwegig. Aus meiner Sicht wäre es falsch, das Buchgeld bei der Zentralbank zu halten und die Banken lediglich verwalten zu lassen. Kredite (neues Geld) würden, wie sie ja sehr richtig schreiben, lediglich durch die Zentralbank vergeben. Durch die Entstehung einer vierten Staatsmacht käme dies, je nach Gestaltung, einer Verstaatlichung des Bankensektors gleich.

Zu 3.) Die Ereignisse im Bankensektor lassen den Eindruck entstehen, dass lediglich radikale Lösungen in der Zukunft tragfähig sein werden. Ich bin aber nicht überzeugt, dass der Staat an sich es besser machen würde, zumal dies, isoliert in einem einzelnen Land vorgenommen, zu einem massiven Geldabfluss führen würde. Dies könnte der Staat dann zwar auf dem Papier wieder ausgleichen, aber mit welchen Konsequenzen? Nein, ich sehe keine Veranlassung mich für ein staatliche Vorrecht auf Geldschöpfung einzusetzen.

Zu 4.) Gestatten Sie mir, dass ich widerspreche. Das Giralgeld wird und kann nicht in den Umlauf gebracht werden. Es ist ein Recht auf Auszahlung zu Gunsten eines Kunden. Es entsteht durch Einlage von Zentralbankgeld und wird (stark vereinfacht) im Rahmen von Kreditvergaben durch die Geschäftsbanken vermehrt. Sie vermengen erneut Geld und Zahlungsmittel.

Zu 5) Hierzu habe ich bereits bei der Beantwortung zu Frage 2, 3 und 4 etwas geschrieben.

Zu 6) Aus meiner Sicht ist die Idee des Vollgeldes der verzweifelte Versuch die Fehler der vergangenen Jahre durch Verstaatlichung zu lösen, also den Staat aus der Problematik der Verschuldung heraus zu halten. Ich kann nicht erkennen, wie hierdurch der Wille zum sparen gestützt werden soll. Wir brauchen auch keine Ankurbelung der Wirtschaft durch das System des Vollgeldes, da uns die Arbeit auf absehbare Zeit sowieso „ausgehen“ wird, die Maschinen werden und abschließend davon befreien, denn dafür haben wir diese geschaffen. Wir müssen uns vielmehr Gedanken darüber machen, wie wir den Menschen, denen wir keine Arbeit mehr bieten können, eine Teilhabe in jeglicher Hinsicht ermöglichen können. Aus meiner Sicht ist die Idee eines Grundeinkommens an dieser Stelle erheblich sinnvoller.

Ich hoffe ich konnte Ihre Fragen beantworten (wenn auch evtl. nicht in Ihrem Sinne) und verbleibe

mit freundlichen Grüßen nach Filderstadt

Jan Lüdtke-Reißmann