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Ismail Ertug
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Frage von Martin S. •

Frage an Ismail Ertug von Martin S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Ertug,

ich wende mich heute an Sie, weil ich in letzter Zeit mehrere beunruhigende Dinge gehört habe, die die Finanzen der Europäischen Union betreffen.

Insbesondere die Verschwendung von Steuern finde ich höchst bedenklich. Ich verweise auf den Artikel "Koalition der Wegschauer" aus DER SPIEGEL 12/2014. Demnach versickern europäische Fördergelder in Milliardenhöhe in dunklen Kanälen.

Außerdem zeigt die ARD-Dokumentation "Griechisches Roulette", dass die von der EU geforderten Strukturreformen kaum vorankommen, weil die alte Machtelite Griechenlands die Reformen ausbremst, auch wenn sie auf dem Papier schon beschlossenen sind: http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/br/24032014-die-story-im-ersten-griechisches-roulette-100.html

Was kann aus Ihrer Sicht getan werden, um dieser riesigen Steurverschwendung entgegen zu wirken?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schöberl,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an diesem wichtigen Thema.
Die korrekte Verwendung von EU-Fördermitteln ist ein wichtiges Anliegen,
besonders in Hinblick auf die sehr eingeschränkten Haushaltsmittel der EU.

Die These aus dem Spiegelartikel, die Kommissare handelten aus Loyalität zu
ihren nationalen Regierungen und würden sich deshalb vor stärkeren
Kontrollmaßnahmen sträuben, ist sicherlich nicht ganz abwegig, lässt aber
wichtige Aspekte außer Acht. Die kommende Wahl zum Europäischen Parlament
kann hier schon einen positiven Einfluss haben, da sich die
Spitzenkandidaten der europäischen Parteien für die Kommission dem Parlament
und somit dem Wähler stärker verpflichtet fühlen könnten als der Regierung
ihres jeweiligen Mitgliedstaats.

Die größte Verantwortung für mögliche Verschwendung liegt jedoch meines
Erachtens bei den Behörden der Mitgliedstaaten. Denn sie sind es, die vor
Ort sind und beurteilen können, hinter welchen Projekten sich gegebenenfalls
betrügerische Absichten verbergen. Eine Europäische Kommission mit 33039
Mitarbeitern ( http://ec.europa.eu/civil_service/docs/hr_key_figures_en.pdf )
kann unmöglich jedes Projekt in jeder Region der EU auf Herz und Nieren
prüfen (zum Vergleich: Berlin hat rund 68000 Beamte).

Darüber hinaus darf der letzte Bericht des EU Rechnungshofs nur bedingt mit
denen der Vorjahre verglichen werden. Die Methodik wurde geändert, sodass
alle Fälle mit Fehlern erfasst sind (4,8%), was jedoch nicht gleichbedeutend
mit Betrug sein muss, sondern auch simple Verfahrensfehler umfasst. Ähnliche
Zahlen des Bundesrechnungshofs zeigen, dass bei 4,37% der Ausgaben aus dem
Bundeshaushalt Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden - also durchaus in
vergleichbarer Höhe
( http://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/bemerkungen-jahresberichte/2013/inhalt/2013-bemerkungen-gesamtbericht-pdf ).

Hiermit will ich die grundlose Verschwendung von Steuergeldern keinesfalls
rechtfertigen, lediglich die Sachverhalte etwas differenzierter betrachten.
Unregelmäßigkeiten müssen noch nicht gleichbedeutend sein mit Betrug -
leider wird das oft unterschlagen oder bewusst in einen Topf geworfen.
Tauchen Unregelmäßigkeiten auf, so können auch Zahlungen gestoppt werden,
bis der Sachverhalt geklärt ist. Eine Maßnahme, von der übrigens nicht
selten Gebrauch gemacht wird.

Die EU-Kommission hat ihre Anstrengungen verstärkt, in Betrugsfällen
geflossene Gelder von den Mitgliedstaaten zurückzufordern. Leider versäumen
viele nationale und regionale Behörden jedoch ihrerseits, diese Gelder bei
den Betrügern geltend zu machen. Die Mitgliedstaaten haben ca. 25% der zu
Unrecht gezahlten Gelder nicht eingetrieben - bei den 444 Millionen, die die
Kommission im Jahr 2012 einforderte wurden somit 111 Millionen für ihre
Staatskassen verschenkt.

Wir SPD-Abgeordnete setzen uns daher für strengere Kontrollen vor Ort und
ein entschiedeneres Auftreten der Mitgliedstaaten bei Rückzahlungen von
unzulässig erhaltenen Geldern ein. Vor allem in den Bereichen der
Regionalpolitik (6,8 Prozent) und der Politik für die ländliche Entwicklung
(7,9 Prozent) ist bislang die Fehlerquote noch deutlich zu hoch.

Weitere Informationen können Sie auch den Pressemitteilungen meines
SPD-Kollegen im Haushaltskontrollausschuss, Jens Geier, entnehmen:
http://spd-europa.eu/pressemitteilung?f[0]=field_mdep_entity%3A55

Ich hoffe Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ismail Ertug