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Hubertus Heil
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Frage von Peter K. •

Frage an Hubertus Heil von Peter K. bezüglich Soziale Sicherung

Guten Tag Herr Heil,
es heißt jetzt, dass die Menschen bis 68 arbeiten sollen, weil sonst die Rentenversicherung zusammenbricht.
Warum wurde nicht schon vor Jahren das "Schwedische Rentensystem" eingeführt?
Ist die Versicherungslobby tatsächlich mächtiger, als die von uns gewählten Volksvertreter?
Und wann beschäftigt sich die Politik endlich mit den Beamtenpensionen, die auch von uns bezahlt werden?
Für sachdienliche Antworten dieser drei Fragen wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Freundliche Grüße
Familie Kahl

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kahl,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihren Vorschlag zum Rentensystem.

In Ihrem Schreiben schlagen Sie den Umbau der deutschen Alterssicherung nach dem Vorbild des Schwedischen Rentenmodells vor. Bei diesem Vorschlag ist Folgendes zu beachten:

Es ist zunächst voranzustellen, dass ein uneingeschränkter Vergleich von zwei völlig unterschiedlichen Systemen der Alterssicherung regelmäßig nicht möglich ist. Es muss immer die spezifische Situation des jeweiligen Landes betrachtet werden und das gesamte Konzept der Alterssicherung ins Auge gefasst werden.

Das gesetzliche Rentensystem in Schweden ist ein System der reinen Beitragszusage, ein Leistungsziel im Sinne eines Rentenniveaus wird nicht verfolgt. Die durchschnittlichen Leistungen in Schweden liegen heute bereits unter denen von Deutschland. Das harte Beitragssatzdogma führt dazu (laut EU Ageing Report 2018: Table II.1.18), dass die Leistungen in Schweden bis 2070 stärker und noch tiefer sinken als in Deutschland – und zwar inklusive des kapitalgedeckten Teils. In den vergangen 20 Jahren haben die Schweden rund 20-mal in das System korrigierend eingegriffen (auch außerhalb des Rentenrechts, durch Steuersenkungen und andere Entlastungen für Rentnerinnen und Rentner), da die Nettorenten zu stark gesunken sind. Die Verheißung von mehr Rente bei weniger Beitrag hat sich dort jedenfalls nicht erfüllt.

Der Rentenbeginn kann in Schweden in einem bestimmten Alterskorridor beginnen, der „Rentenkorridor“. In Deutschland ist ein Rentenbeginn ab einem bestimmten Alter möglich, nach oben gibt es aber keine Grenze. Wesentliches Element ist in Schweden, dass die Rente versicherungsmathematisch auf die fernere Lebenserwartung bei Rentenbeginn berechnet wird. Dies ist eine vollständige Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung, da mit steigender Lebenserwartung die Rente entsprechend geringer ausfällt. Das ist weniger transparent als in Deutschland, wo dies über die Regelaltersgrenze und darauf bezogene Abschläge geregelt wird. Zudem vermeidet es „Debatten“ über höhere Altersgrenzen, da sie stets automatisch voll berücksichtigt werden.

In Deutschland war und ist es dagegen politisches Ziel, die Folgen der demografischen Veränderungen generationengerecht zu verteilen und nicht einseitig den Beitragszahlern aufzubürden. Wir müssen daher auf der einen Seite dafür Sorge tragen, dass das öffentliche Rentensystem finanziell tragfähig ist und die Belastungen für die Beitragszahler nicht zu hoch werden. Auf der anderen Seite müssen wir sicherstellen, dass eine angemessene Alterssicherung für die Rentnerinnen und Rentner gegeben ist. Daher wird das ungünstiger werdende Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehern in der deutschen Rentenanpassungsformel mit dem Nachhaltigkeitsfaktor sowie dem aus demografischen Gründen ansteigenden Beitragssatz berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat dabei einen Anstieg des Beitragssatzes auf 22 Prozent bis 2030 als tragbar und ein Sicherungsniveau vor Steuern von nicht unter 43 Prozent bis 2030 als notwendig betrachtet und damit verbindliche Eckpfeiler einer generationengerechten Verteilung der demografischen Lasten in der gesetzlichen Rentenversicherung geschaffen.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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