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Heike Sudmann
DIE LINKE
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Frage von Gisela W. •

Frage an Heike Sudmann von Gisela W. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Sudmann,

aus den Kandidatenwatch-Antworten von Herrn Udo Schuldt (Kandidat der LINKE.) und Horst Becker (Kandidat GAL) erfuhr ich unterschiedliche Positionen zum derzeit öfter diskutierten Konzept Shared Space.

Mich würde nun interessieren:

- Wie ist Ihre eigene Position dazu?
- Wie schätzen Sie die Chancen ein, in der Osterstraße (Eimsbüttel) einen Prozeß in Richtung Shared Space anzustoßen?
- Ist die LINKE. in den Diskussionsprozeß in St. Georg wg. Shared Space involviert und wenn ja, welche Haltung vertritt sie da? (oder andersrum: wen sonst könnte ich da fragen?)

Gespannt warte ich auf Ihre Antwort.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Walk,

auf Ihre Fragen kann ich knapp antworten:

• Shared space trägt zur Zivilisierung des Verkehrs und zur Rückgewinnung des öffentlichen Raums bei. Einen Beitrag zu einer umweltgerechten Verkehrspolitik kann shared space nur mit begleitenden Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs leisten.
• Da sich alle relevanten politischen Parteien für shared space aussprechen bzw. shared space als einen Baustein eines Gesamtkonzeptes akzeptieren (wie Die Linke.), kann ein Planungsprozess für die Osterstraße angestoßen werden. Das geht jedoch nur mit breiter Beteiligung.
• Die Linke. ist in St. Georg aktiv beteiligt. Shared space in der Langen Reihe lehnt sie ab, eine Prüfung für den Steindamm-Ost/Berliner Tor unterstützt sie.

Doch es geht auch ausführlicher (denn PolitikerInnen können ja bekanntlich viel reden …):

„shared space“ ist ein interessanter Ansatz. Fast schon revolutionär ist der Grundgedanke, den Verkehr bzw. die Gestaltung von Straßen nicht am Auto, sondern am Mensch zu orientieren. Damit kann ein großer Schritt zur Rückgewinnung des öffentlichen Raums für Nichtmotorisierte und zur Zivilisierung des Straßenverkehrs gemacht werden.

Als Eine, die seit zwei Jahrzehnten für eine andere Verkehrspolitik, für eine umweltverträgliche Mobilität kämpft, fehlen mir jedoch mehrere Aspekte:
• Shared Space verfolgt nicht das Ziel, den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu reduzieren. Ganz im Gegenteil wird in vielen Veröffentlichungen betont, dass durch shared space die Fahrtzeit für die selbe Strecke verringert werden kann. Auto fahren attraktiver zu machen ist für mich aus ökologischen Gründen absolut unvertretbar. Der positive Effekt von shared space, die Emissionen durch den verbesserten Verkehrsfluss zu verringern, würde durch den Anstieg des MIV zunichte gemacht.
• Auch die Versiegelung durch Straßen und Kfz-Stellplätze und Parkplätze wird durch shared space nicht weniger. Mein verkehrliches Fazit: shared space kann nur ein Baustein in einem Gesamtkonzept für eine umweltverträgliche Mobilität sein. Ohne flankierende Maßnahmen, die mit sanftem Druck das Umsteigen vom Auto auf Fuß, Rad, Bus und Bahn fördern, greift shared space zu kurz.

Als Stadtplanerin habe ich durch die Diskussionen um die Lange Reihe in St. Georg gelernt, dass shared space in bestimmten Gebieten einen überraschenden und unerfreulichen Nebeneffekt mit sich bringen kann.
Viele langjährige EinwohnerInnen von St. Georg beklagen schon heute zu Recht die fortschreitende Aufwertung und Aufschickung ihres Stadtteils: Mieten werden für sie unbezahlbar, ihr Wohnraum wird in Eigentumswohnungen für Gutbetuchte umgewandelt, ärmere Bevölkerungsgruppen werden verdrängt. Mit shared space würde es in der Langen Reihe noch mehr Straßencafes, noch mehr Mitglieder der Latte-schlürfenden Fraktion geben – gute Bedingungen für die Gastronomieketten. Nur für die Lebenslage der AnwohnerInnen, die z.B. schon über einen ganz normalen Supermarkt erfreut wären, verbessert sich nichts. Im Stadtteil wird, auch unter den Linken, diskutiert, wenn überhaupt shared space am Steindamm-Ost/Berliner Tor zu untersuchen. Damit könnte der „Graben“ zwischen den Teilen von St. Georgs zugeschüttet werden und den Studierenden der Hochschule der Weg in den Stadtteil erleichtert werden. Informationen zu den bisherigen Diskussionen finden Sie z.B. unter http://www.gw-stgeorg.de/ld/ausgaben/2007/LD_2007_03.pdf oder unter http://www.konsalt.de/st-georg/downloads/shared_space/protokolle/Protokoll%20_Shared%20Space_12-11-2007.pdf .
Die Chancen für den Start von Untersuchungen bzw. Planungen für shared space in der Osterstraße stehen gut: SPD und GAL haben sich klar dafür ausgesprochen, die CDU begrüßt prinzipiell shared space. Die Linke. unterstützt Maßnahmen, die zur Zivilisierung und Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und zu mehr Lebensqualität führen. Doch egal was die Politik sagt: wichtig ist ein gleichberechtigter Planungsprozess mit BürgerInnen, (Klein)Gewerbetreibenden, Umweltverbänden, VertreterInnen von Kinder- und Jugendeinrichtungen (auch Schulen), SeniorInnenbeiräten und Behindertenorganisationen.

Mit umweltfreundlichen Grüßen
Heike Sudmann

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