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Heidi Reichinnek
Die Linke
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Frage von Christoph G. •

Wie steht die Linke zu den Mauertoten an der innerdeutschen Grenze? Sind Sie für eine weitere, auch strafrechtliche Aufarbeitung? Gilt dies auch für zivile Angestellte

Sehr geehrte Frau Reichinnek,

ich lese den Artikel: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/nationalsozialismus-erinnerung-kz-mitarbeiter-100.html "Täter ohne Uniform" zum Gedenken an die KZ-Verbrechen, bei dem eine damals 18jährige Sekretärin Irmgard Furchner nach fast 80 Jahren zur Beihilfe zum Mord verurteilt wurde, weil sie so im Artikel "das System am Laufen hielt". An der innerdeutschen Grenze wurden Menschen beim Versuch der Flucht erschossen. Wie steht die Linke als Rechtsnachfolgerin der SED zu diesen Taten und ihrer politischen Verantwortung? Gibt es dazu auch ein Gedenken bzw. eine Präambel in der Parteisatzung?

Zu Verurteilungen von Verantwortlichen zum Schießbefehl ist nur wenig bekannt. M.W. wurden - wenn überhaupt - ehem. Grenzsoldaten strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.Von einer Aufarbeitung bei denjenigen, die das System der Grenzanlagen und Schießautomaten am Laufen hielten (Ingenieure, Werkstatt), ist mir nichts bekannt.Wie stehen Sie hierzu? Vielen Dank

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Zunächst: Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind einzigartig in ihrer Grausamkeit. Die Shoah und der industrielle Massenmord dürfen niemals relativiert oder mit späteren Systemen gleichgesetzt werden. Der Vergleich mit der DDR verbietet sich, historisch wie moralisch.

Die DDR war kein demokratischer Rechtsstaat. An der innerdeutschen Grenze wurden Menschen getötet, weil sie das Land verlassen wollten: das war Unrecht, und dieses Unrecht gehört benannt und erinnert. Die politische Verantwortung liegt bei denen, die das System der militärischen Grenzsicherung beschlossen und durchgesetzt haben.

Die Linke hat sich dieser Verantwortung gestellt. Schon die PDS hat mit wissenschaftlicher, politischer und organisatorischer Aufarbeitung begonnen. Die Linke führt dies fort: in Satzung, Programmen und praktischer Gedenkpolitik. Wir bekennen uns zu den Opfern, auch der Mauertoten, und benennen die Verbrechen der SED-Diktatur klar.

Zur strafrechtlichen Aufarbeitung: Nach 1990 gab es viele Verfahren gegen ehemalige politische und militärische Verantwortungsträger. Bei zivilen Mitwirkenden – etwa Ingenieur*innen – ist juristisch oft keine individuelle Schuld nachweisbar. Aber politisch und historisch bleibt auch ihre Rolle relevant. Unsere Lehre daraus: Wir stehen für eine offene, ehrliche Erinnerungskultur. Und für eine Gesellschaft, in der nie wieder Menschen an Grenzen sterben.

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