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Hartmut Koschyk
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Hartmut Koschyk von Wilfried M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Koschyk,

ich bedanke mich zunächt für die Teil- Beantwortung meiner Fragen vom 13.2.08.
http://www.abgeordnetenwatch.de/hartmut_koschyk-650-5755--f109474.html#frage109474

Mir ist aber nicht entgangen, daß Sie auf den von Prof. Schachtschneider vorgebrachten, in dem besagten YouTube- Video dokumentierten Vorwurf der seinerzeit nicht erlaubten kritischen Diskussion in Ihrer Fraktion noch nicht eingingen, sondern nur von den angeblichen Segnungen des Reformvertrages schwärmten.

Desweiteren gingen Sie nicht auf meine Frage ein, ob Sie für ein Tätigkeitsverbot des Scientology- Geheimdienstes OSA eintreten würden. OSA hat zwar sehr befremdliche und bestimmt verfassungsfeindliche Ziele und benutzt m.E. eindeutig stasi- /CIA- artige Methoden, wird aber vermutlich nicht mit der Formulierung des § 99 StGB zu fassen sein ("Geheimdienst einer fremden Macht"), da er gar keiner fremden "Macht" im klassischen Sinn zuzuordnen sein wird. Hier wäre m.E. eine Ergänzung des StGB dahingehend sinnvoll, daß künftig eben auch real existierende Privat- Geheimdiensttätigkeiten erfaßt würden. Die Skandale um Lidl & Co verlangen dies m.E. ebenso wie die umfangreichen Erkenntnisse der Hamburger Innenbehörde z.B. über die Funktion der Lüge bzw. Desinformation für die Beherrschung anderer auf S. 7 der folgenden Publikation:
http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/inneres/landesamt-fuer-verfassungsschutz/publikationen/pdf-bibliothek/scientology-organisation-pdf,property=source.pdf
Nicht zuletzt baut die Organisation ja bekanntlich schon "Straßen" in den Bundestag, wie neulich im "Stern" berichtet wurde: http://www.stern.de/tv/sterntv/:Undercover-Journalist-Scientology-Berlin/620309.html. Was sagen Sie zu einer entsprechenden Gesetzesinitiative mit dem Ziel, Spitzel- und Desinformtionsdienste auch für OSA & Co unter Strafe zu stellen unabhängig von einem Verbot der ganzen Org.- Tätigkeit?

Mit freundlichen Grüßen
W. Meißner

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Meißner,

ich möchte die Ansicht, es würde keine „kritische Diskussion“ in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stattfinden, erneut entschieden zurückweisen. Der Vertrag von Lissabon, dem der Deutsche Bundestag am 24. April 2008 mit großer Mehrheit zugestimmt hat, ist die wichtigste Weiterentwicklung der europäischen Integration seit dem Vertrag von Nizza. Er erhält die Substanz des gescheiterten Verfassungsvertrags, verzichtet jedoch auf die Einführung überflüssiger staatlicher Symbole. Durch den Vertrag von Lissabon wird die Europäische Union (EU) sowohl demokratischer als auch handlungsfähiger im Hinblick auf die Bewältigung der künftigen Herausforderungen. Die CDU/CSU-Bundesfraktion bekennt sich zum europäischen Integrationsprozess und unterstützt die europäische Einigungsidee.

Zur Frage eines möglichen Verbots der „Scientology-Organisation“ möchte ich folgendes festhalten: Gemäß § 3 Abs.1 Vereinsgesetz darf ein Verein, wie beispielsweise „Scientology Kirche Berlin e.V.“ „erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot).“

Persönlich bin ich auf der Grundlage der mir vorliegenden Informationen voll und ganz der Überzeugung, dass die Scientology Organisation verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Dies lässt sich im Übrigen auch dem am 15. Mai vom Bundesinnenminister vorgestellten Verfassungsschutzbericht des Bundes für 2007 ohne Zweifel entnehmen. Dort ist auch festgehalten, dass die Scientology Organisation wesentliche Grund- und Menschenrechte, etwa das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit oder die Menschenwürde, außer Kraft setzen oder einschränken will. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bescheinigt der Organisation einen totalitären Charakter. An all diesen Dingen habe ich keinen Zweifel. Ich bitte Sie aber zu berücksichtigen: der verfassungsfeindliche Charakter einer Organisation genügt nach dem Grundgesetz für sich alleine noch nicht, um den Verein zu verbieten. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr in ständiger Rechtsprechung einen strengen Maßstab für ein Verbotsverfahren aufgestellt. Danach reicht es für ein Verbot einer Vereinigung nicht aus, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Darüber hinaus ist auch erforderlich, dass die Vereinigung ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch auf aggressiv-kämpferische Weise zu verwirklichen suchen. Diesen hohen Maßstab leitet das Bundesverfassungsgericht aus der von unserem Grundgesetz in Artikel 9 Absatz 1 als Grundrecht garantierten Vereinigungsfreiheit ab.

Um eine Vereinigung verbieten zu können, muss diese somit eine solche aktiv kämpferische, aggressive Grundhaltung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtsfest nachgewiesen werden. Die Scientology-Organisation wird derzeit sowohl vom Bundesamt für Verfassungsschutz als auch von einigen Landesämtern für Verfassungsschutz beobachtet. Ob die vorliegenden Informationen über diese Organisation ausreichen, um ein Verbot gerichtsfest zu untermauern, ist eine Frage, die erst dann beurteilt werden kann, wenn alle vorliegenden Informationen zusammengetragen und sorgfältig bewertet werden. In diesem Sinne hat sich die Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder am 6./7. Dezember 2007 dafür ausgesprochen, dass die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern die relevanten Informationen gesammelt und bewertet werden, um auf dieser Grundlage beurteilen zu können, ob diese für ein mögliches vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren ausreichend sind. Diese Informationssammlung findet derzeit statt. Mit den Ergebnissen soll sich erneut die Innenministerkonferenz voraussichtlich im Herbst dieses Jahres beschäftigen. Erst nach Auswertung dieser Erkenntnisse kann beurteilt werden, ob ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Scientology Organisation eingeleitet werden und diese gegebenenfalls, wenn der Organisation die oben genannten Bestrebungen nachgewiesen werden können, verboten werden kann.

Diese hohen Hürden für ein vereinsrechtliches Verbot mögen zwar auf den ersten Blick unbefriedigend sein, wenn man es mit einer derartigen Organisation wie Scientology zu tun hat, die – wie das Bundesamt für Verfassungsschutz klarstellt – unzweifelhaft verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Sie sind aber letztlich Konsequenz der von unserem Grundgesetz mit Grundrechtsrang garantierten Vereinigungsfreiheit und damit letztlich Ausfluss unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Das heißt aber nicht, dass der Staat gegenüber derartigen Vereinigungen wehrlos ist. Sollte der Scientology Organisation nach Auswertung aller relevanten Informationen der aggressiv kämpferische Charakter mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden können, so müsste die Politik in der Tat über weitergehende Schritte nachdenken.

Ich gehe deshalb davon aus, dass frühestens im Herbst auf der Basis der oben genannten Materialsammlung der Verfassungsschutzbehörden die Frage weiter zu behandeln sein wird, wobei es in einem weiteren Schritt zunächst um die Frage gehen würde, ob ein förmliches vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Organisation eingeleitet wird. Bevor eine sorgfältige Zusammenführung, Sichtung und Bewertung aller relevanten Materialien, wie sie von der Innenministerkonferenz nun beschlossen wurde, vorgenommen wird, ist eine Diskussion über ein etwaiges Verbot der Scientology Organisation kontraproduktiv. Wenn die vorliegende Datenlage für ein Verbot nicht ausreichen sollte, müsste schließlich auch dies von einer selbstbewussten Demokratie hingenommen werden. Ohnehin sollte die Auseinandersetzung mit einer solchen Vereinigung wie Scientology offensiv auf politischer Ebene geführt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Koschyk