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Hans-Peter Friedrich
CSU
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Frage von Jonathan S. •

Frage an Hans-Peter Friedrich von Jonathan S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Friedrich,

Ich hoffe, dass ich mit meinem Anliegen bei Ihnen an der richtigen Stelle bin. Ich möchte das Thema Asyl ansprechen. 1993 hat der deutsche Bundestag eine Änderung des Artikel 16 beschlossen, in der es im Absatz II, Satz 2 hieß: "politisch verfolgte genießen Asylrecht". Dieser Satz wurde gestrichen und ist als Artikel 16A, I wieder aufgenommen worden. Die weiteren Absätze schränken das Asylrecht aber sehr stark ein. So steht im Absatz II, dass sich Personen die aus einem sicheren Dritt- oder EU-Land kommen nicht darauf beziehen dürfen. Dies besagt doch, dass alle Flüchtlinge, die auf dem Landwege zu uns gekommen sind, kein Recht auf Asyl haben, denn wir sind ja nur von sicheren Staaten umgeben.
Weiter heißt es, dass wer trotzdem Asylrecht beantragt und gegen den Absatz II, 1 verstößt mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechnen muss. Im Absatz IV heißt es, dass das verspätete Vorbringen von Beweisen der politischen Verfolgung unberücksichtigt bleibt und die Abschiebung nicht aufgeschoben wird.
Mir drängt sich hier die Frage auf, wer denn überhaupt Asyl beantragen kann und wie er nach Deutschland gelangen muss um das Grundrecht auf Asyl in Anspruch nehmen zu können. Ich glaube kaum, dass politisch verfolgte einfach in ein Flugzeug steigen und hierherfliegen können.

In meinen Augen ist das Grundgesetz im Hinblick auf Asyl eine reine Farce. Sollte Deutschland, das ein wirtschaftlich hervorragend aufgestelltes und fortschrittliches Land ist, nicht mehr leisten?
Die weltweiten Konflikte häufen sich und wir schauen nur zu?!?

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir erklären wie ein politisch verfolgter das Recht auf Asyl zugesprochen bekommen kann. Gerne würde ich von Ihnen auch hören wie Sie Asylsuchende unterstützen und warum Deutschland sich so ziert.

Leider ist das Grundgesetz sehr verworren, dennoch bin ich mir sicher, dass Sie als Minister, mit Paragraphen vertraut, meine Ausführungen verstehen.

Mit freundlichem Gruß

Jonathan Schultz

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schultz,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Asylrecht in Deutschland und Ihr damit verbundenes politisches Interesse.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass wir in Deutschland unserer Verantwortung gegenüber schutzbedürftigen Flüchtlingen in besonderer Weise gerecht werden. Menschen, die wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden, wird durch das Grundgesetz ein individuelles Grundrecht auf Asyl gesichert. Dieses hat einen hohen Stellenwert und verdeutlicht den Willen Deutschlands, seine historische und humanitäre Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen zu erfüllen. Mit der Gewährung eines Individualanspruchs auf Asyl geht das Grundgesetz über das Völkerrecht hinaus, das einen solchen Anspruch nicht kennt. Deutschland besitzt damit eine der umfassendsten Asylgesetzgebungen Europas. Wie die Zugangszahlen für Deutschland belegen, sind wir innerhalb der Europäischen Union mit großem Abstand das Land mit den meisten Asylbewerbern. Im letzten Jahr haben insgesamt 77.500 Personen in Deutschland einen Asylantrag gestellt, das sind 23% aller Asylbewerber in der EU. Insgesamt 8.764 Personen erhielten im Jahr 2012 die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Konvention (14,2 Prozent aller Asylbewerber). Zudem erhielten 8.376 Personen (13,5 Prozent) sogenannten „subsidiären Schutz“ (Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 Aufenthaltsgesetz). Im ersten Quartal 2013 ist die Zahl der Asylbewerber in Deutschland erneut um mehr als 50 % angestiegen.

Gerne gehe ich auch auf Ihre Frage ein, wer in Deutschland Asyl beantragen kann und welche Voraussetzungen für eine Anerkennung vorliegen müssen:

Für die Frage, ob ein Asylbewerber in Deutschland als Asylberechtigter anerkannt wird bzw. ob ihm Flüchtlingsschutz zuerkannt wird, kommt es grundsätzlich auf das individuelle Einzelschicksal an. Maßgeblich für die Entscheidung des zuständigen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind der Vortrag des Asylbewerbers im Verfahren und die vom Antragsteller befürchteten Verfolgungshandlungen im Herkunftsland.

Politisch ist eine Verfolgung dann, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Das Asylrecht dient dem Schutz der Menschenwürde in einem umfassenderen Sinne. Nicht jede negative staatliche Maßnahme - selbst wenn sie an eines der genannten persönlichen Merkmale anknüpft - stellt eine asylrelevante Verfolgung dar. Es muss sich vielmehr einerseits um eine gezielte Rechtsgutverletzung handeln, andererseits muss sie in ihrer Intensität darauf gerichtet sein, den Betreffenden aus der Gemeinschaft auszugrenzen. Schließlich muss es sich um eine Maßnahme handeln, die so schwerwiegend ist, dass sie die Menschenwürde verletzt und über das hinausgeht, was die Bewohner des jeweiligen Staates ansonsten allgemein hinzunehmen haben.

Vor der inhaltlichen Entscheidung über den Asylantrag prüft das BAMF grundsätzlich immer, welcher Mitgliedstaat gemäß den Zuständigkeitskriterien der sogenannten Dublin-Verordnung für die Prüfung dieses Asylantrags zuständig ist.

Ziel ist es einerseits, sicherzustellen, dass jeder Asylantrag, der in der Europäischen Union, Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz gestellt wird, inhaltlich geprüft wird, andererseits die Durchführung mehrerer Asylverfahren zu vermeiden.

Die Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnung treffen einen angemessenen Ausgleich zwischen den legitimen Interessen der Beteiligten. Grundsätzlich gilt das „Veranlasserprinzip“. Das heißt: zuständig für das Asylverfahren ist der Mitgliedstaat, der für die Einreise des Asylbewerbers verantwortlich ist. Zugleich werden aber auch die humanitären Aspekte umfassend berücksichtigt. So etwa auch der Grundsatz der Familieneinheit oder der besondere Schutz von Minderjährigen. Stellt beispielsweise ein unbegleiteter Minderjähriger einen Asylantrag, so ist der Mitgliedstaat für die Prüfung seines Antrags zuständig, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt. Bei Familien ist insbesondere der Grundsatz zu beachten, dass eine Zuständigkeitsbestimmung nicht zu einer Trennung der Kernfamilie führen darf. Außerdem kann ein Mitgliedstaat aus humanitären Gründen Familien beziehungsweise Einzelpersonen zusammenführen oder aufnehmen, auch wenn er nach den Kriterien der Dublin-Verordnung grundsätzlich nicht zuständig wäre. Darüber hinaus kann ein an sich nicht zuständiger Mitgliedstaat in besonders gelagerten Einzelfällen (z.B. aus humanitären Gründen) die Zuständigkeit durch Ausübung des so genannten Selbsteintrittsrechts übernehmen.

Im Hinblick auf die Mängel des griechischen Asylsystems sieht Deutschland von Überstellungen nach Griechenland derzeit generell ab und führt die Asylverfahren in eigener Zuständigkeit aus.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Auskunft deutlich gemacht zu haben, dass wir in Deutschland eine verantwortungsbewusste Asyl- und Flüchtlingspolitik verfolgen und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Dr. Hans-Peter Friedrich MdB
Bundesminister des Innern

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