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Hans-Joachim Viehl
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Frage von Paul K. •

Frage an Hans-Joachim Viehl von Paul K. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Viehl,

ich stolperte über die Programm-Aussage "Abschaffung des Ehegattensplittings". Bis jetzt hielt ich so etwas für eine sehr sinnvolle Errungenschaft, nämlich im Sinne der Bevorzugung der "kleinsten gesellschaftlichen Zelle", nämlich der Familie, über deren Notwendigkeit man wohl nicht streiten muss.

Wenn Mann und Frau sich entscheiden, eine Familie zu gründen und die Ehefrau aus Gründen der Erziehung und Betreuung von Kindern ganz oder teilweise, zumindest vorübergehend aus dem Berufsleben ausscheidet, so leistet sie dennoch einen ganz wichtigen gesellschaftspolitischen Beitrag. Im Vergleich zu ihrem (berufstätigen) Ehemann wird ihr Beitrag ebenso hoch betrachtet, was sich im Familienrecht durchgängig im sog. "Halbteilungsgrundsatz" wiederspiegelt. Es gibt nach diesem Gedankengang zwei Personen, die von einem Gehalt leben (auch die Frau arbeitet quasi indirekt für das Geld, dass der Mann nach Hause bringt, und zwar "hälftig"!).

Beide haben auch jeweils den ihnen zustehenden steuerlichen Grundfreibetrag. Was soll dann aber eigentlich mit dem Grundfreibetrag der Ehefrau passieren? Dieser ginge doch bei Abschaffung des Splittings völlig verloren. Er muss doch im Interesse der Einheit "Familie" beibehalten und beim Gesamteinkommen der Ehegatten berücksichtigt werden. Es wird doch sicherlich weiterhin die gemeinsame steuerliche Veranlagung geben. Oder eben nicht?

Oder meint vielleicht die Linke, die Abschaffung des Splittings solle nur die kinderlosen Ehen betreffen? Dann ergäbe das immerhin einen gewissen Sinn. Denn wenn die kinderlose Ehefrau voll mitarbeitet, kann sie ihren Freibetrag nutzen und je nach Höhe ihres eigenen Einkommens im Vergleich zu dem des Ehemannes schmilzt der Splittingvorteil ohnehin auf ein geringfügiges Minimum. Beim gleich hohen Gehalt ist er gleich Null. Und wenn sie nicht auswärts berufstätig ist und auch keine Kinder erzieht, gibt es auch keinen besonderen gesellschaftspolitischen Grund, eine solche Ehe steuerlich zu begünstigen.

Wenn die Linke das so meint, dann muss es aber auch klar gesagt werden. Oder aber das Ehegattensplitting wird wirklich vollständig abgeschafft, dann aber muss es zwecks Kompensation deutlich höhere Freibeträge für Eltern mit Kindern geben. Übrigens auch dann, wenn die Kinder längst erwachsen sind, denn was soll z.B. eine Frau machen, die mit 30 Kinder bekommen hat und dann ca. 50 ist, wenn die Kinder aus dem Haus sind, aber keine Arbeit mehr findet? Das wäre übrigens nicht mit einem Ehepaar zu vergleichen, das z.B. aus medizinischen Gründen keine Kinder bekommen kann. Oder einem Paar, bei dem ein Ehegatte aus sonstigen Gründen keine Arbeit findet.

Aber ich gebe zu, dass man immer weitere Beispiele und Gegenbeispiele findet, bei denen sofort wieder ein gewisses Ungerechtigkeitsgefühl aufkommt. Dennoch halte ich die Orientierung an dem Merkmal Kinder/keine Kinder für schlüssig.

Vorab vielen Dank für die Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Korcz

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Korcz!

Das Ehegattensplitting soll nach unseren Plänen durch eine Individualbesteuerung mit Grundfreibetrag ersetzt werden. Wird der persönliche Freibetrag für das Existenzminimum nicht ausgeschöpft, kann er auf die Partnerin oder den Partner übertragen werden. Dieses Modell entspricht somit auch den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Besteuerung in der Ehe.
Das Ehegattensplitting trägt nicht mehr den veränderten Lebensentwürfen der Menschen Rechnung, denn es baut auf der Vorstellung auf, dass der Mann arbeiten geht und die Frau für die Erziehung der Kinder zuständig ist. Zu den Defiziten des Splittingtarifs gehört, dass 43 Prozent aller Ehen, die von ihm profitierten, kinderlos sind, während unverheiratete Eltern und allein Erziehende keinen Steuervorteil haben. Ehen, in denen lediglich ein Partner arbeitet, schneiden beim Splitting am besten ab. Frauen, die weniger verdienen als ihre Ehepartner, müssen dagegen unverhältnismäßig hohe Steuerabzüge hinnehmen.

Die Linkspartei geht von einer Individualbesteuerung aus, bei der dann der deutlich erhöhte Freibetrag von 12 000 Euro auf das Einkommen des Mannes übertragbar ist, bis zur Höhe des evtl. Einkommens der Frau, dies gilt auch für Lebens- partnerschaften.
Diese Ersetzung des Ehegattensplittings als einseitige steuerliche Bevorzugung der Institution Ehe durch die Übertragungsmöglichkeit des Grundfreibetrags auf Ehen und Lebenspartnerschaften hat tatsächlich auch Auswirkungen auf die Höhe der zu zahlenden Einkommensteuer, die auch so gewünscht sind. Allein die Abschaffung des Ehegattensplittings und die Ersetzung durch die Übertragung des Grundfreibetrags, also ohne volle Absetzbarkeit der Rentenbeiträge und ohne Erhöhung der Pendlerpauschale und sonstige Änderungen, bewirkt folgendes:
Aktuell: Ein Verdiener mit 5.000 Euro brutto im Monat, mit einem Ehegatten ohne Arbeit zahlt ca. 10.000 Euro Einkommensteuer im Jahr 2005.

Nach Linkspartei-Konzept zahlt der Partner ohne Einkommen nichts. Der Verdiener mit 5.000 Euro brutto im Monat bekommt den Freibetrag von 12.000 Euro übertragen und hat somit nur noch 48.000 Euro zu besteuern. Nach der Formel der Linkspartei ind dies auch ca. 10.000 Euro. Bei einem Verdienst von 3.000 Euro für den Alleinverdiener (jährlich also 36.000) sind nach aktuellem Recht 3.100 Euro fällig, nach Linkspartei-Konzept aber nur 2.300 Euro.

FAZIT: Die Übertragung des Grundfreibetrags bringt für kleinere und mittlere Einkommen mehr, das Ehegattensplitting ist erst ab 60.000 Euro brutto im Jahr günstiger. Also auch hier bleiben wir unserem Grundsatz der Umverteilung von oben nach unten treu und fördern gezielt die kleinen und normalen Einkommen.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Joachim Viehl