Portrait von Gerold Reichenbach
Gerold Reichenbach
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Gerold Reichenbach zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Heiko K. •

Frage an Gerold Reichenbach von Heiko K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Reichenbach,

was sagen Sie zum britischen Abhörprogramm "Tempora", dem Anzapfen von Glasfaser-Kabeln durch den britischen Geheimdienst?

Vertrauliche Daten deutscher Staatsbürger werden hier abgesaugt, ausgewertet und im Zuge des UKUSA Agreements (Five Eyes) vermutlich auch an Australien, Kanada, Neuseeland und die USA weitergegeben.

Eine Reaktion der Bundesregierung steht bisher aus - wie sollte diese Ihrer Meinung nach aussehen?

Beste Grüße,
Heiko Krämer

Portrait von Gerold Reichenbach
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Krämer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de vom 29.08.2013, die ich gerne beantworte.

Sowohl meine Fraktion als auch ich haben sich in der Vergangenheit immer wieder deutlich gegen das britische Abhörprogramm Tempora und die mit dem Skandal verbundene schlechte Aufklärungsarbeit der schwarz-gelben Bundesregierung ausgesprochen. In der letzten Sitzung des Bundestages am 03.09.2013 hat die SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit den anderen Oppositionsfraktionen versucht, eine Debatte zum Abhörskandal durch NSA und GCHQ auf die Tagesordnung zu setzen. Dies wurde mit der Mehrheit der schwarz-gelben Koalition verhindert und damit eine weitere Chance vertan, Aufklärung zu leisten. Die schwarz-gelbe Koalition wollte keine Diskussion über die Ausspähaffäre und stimmte gegen die Anträge der SPD und der anderen Oppositionsfraktionen, die eine Parlamentsdebatte forderten.

Wir sehen - im Gegensatz zur schwarz-gelben Bundesregierung - den Überwachungsskandal nicht als erledigt an. Deshalb haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem wir die Bundesregierung auffordern, endlich ihrer Pflicht nachzukommen und die Vorwürfe zu den britischen und US-amerikanischen Ausspähprogrammen PRISM und Tempora aufzuklären.

Es geht uns und auch mir persönlich darum, dass die Aufklärung des Ausspähskandals nicht weiter bagatellisiert wird und endlich eine richtige Aufklärung darüber erfolgt, ob und inwieweit hier Daten von Bürgerinnen und Bürgern aus Deutschland betroffen sind und zu prüfen, ob hier Grundrechte verletzt wurden. Und nicht, wie durch den Kanzleramtsminister Ronald Pofalla bereits geschehen, die Aufklärung als beendet zu betrachten.
Ich sehe es als Frau Merkels Pflicht an, dass sie dieses Thema - bei dem Grundrechte betroffen sind - zur “Chefsache“ macht und sich als Bundeskanzlerin dafür einsetzt, bei den entsprechenden Regierungen für Aufklärung zu sorgen. Es kann nicht sein, dass sie ihren Innen- und ihren Kanzleramtsminister vorschickt, die dann einfach erklären, die Angelegenheit sei beendet, ohne dass weder der Umfang, noch die Vorgehensweise der Regierungen und ihrer Geheimdienste, noch eine Information, ob auch jetzt noch weiter Daten abgegriffen werden, geklärt ist.

Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass die mutmaßliche flächendeckende Ausspähung deutscher und europäischer Bürgerinnen und Bürger unverzüglich beendet wird. Sie muss sicherstellen, dass deutsche Kommunikationsstrukturen auf staatlicher, wirtschaftlicher und individueller Ebene effektiv geschützt werden. Und dieser Aufgabe hat die Bundeskanzlerin als Regierungschefin und regierendes Oberhaupt im Zweifel persönlich nachzukommen, wenn ihre Minister nicht erfolgreich sind.

Unsere Forderungen finden sich auch in unserem Antrag an die Bundesregierung vom 02.09.2013 (Bundestagsdrucksache 17/14677), den sie unter www.bundestag.de unter den Stichworten Dokumente und Drucksachen abrufen können.

Für mich ist es im übrigen ein Affront gegenüber den deutschen Bürgerinnen und Bürgern, wenn sich deren Bundeskanzlerin noch auf der letzten Bundespressekonferenz vor der Sommerpause bei einer derart erheblichen Grundrechtsverletzung vor die Presse stellt und sagt, es sei nicht ihre Aufgabe sich in PRISM einzuarbeiten. Wessen Aufgabe ist es denn dann, sich für die Einhaltung und Wahrung der Grundrechte auf europäischer oder internationaler Ebene einzusetzen, wenn nicht die der Bundesregierung und ihrer Kanzlerin?

Schon gar nicht kann es sein, dass die Bundesregierung in der europäischen Union über ein Freihandelsabkommen, das auch den freien Datenverkehr impliziert, mit den USA verhandelt ohne die Frage der Überwachungsaktivitäten und den gleichfalls im Raum stehenden Vorwurf der Wirtschaftsspionage dabei zum Gegenstand zu machen.

Mit freundlichen Grüßen

Gerold Reichenbach, MdB