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Gerold Otten
AfD
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Frage von Cedric M. •

Wie stehen Sie zur aktuellen politischen Lage in der Türkei?

Sehr geehrter Herr Otten,

In der Türkei wird seit einigen Wochen die Opposition (CHP) unterdrückt, indem politische Gegner festgenommen werden.

Wie stehen Sie dazu?

Die Türkei ist ein sehr wichtiger Partner Deutschlands, indem es z.B. eines der stärkeren NATO-Länder ist.

Wie sollte sich Deutschland verhalten?

Bitte vergleichen Sie, bei Ihrer Antwort, die aktuelle politische Lage in der Türkei nicht mit der aktuellen Lage in Deutschland!

Cedric M.

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Antwort von
AfD

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage, mit der Sie sowohl innenpolitische als auch außenpolitische Gesichtspunkte aufwerfen. Zweifellos ist die Türkei ein wichtiger Partner Deutschlands, sowohl sicherheitspolitisch als auch wirtschaftspolitisch und kulturell. Die Türkei verfügt über eine der größten konventionellen Streitkräfte der NATO, und die geopolitische Lage der Türkei unterstreicht die sicherheitspolitische Bedeutung.

Ein Blick in die Geschichte der Türkei zeigt, dass seit den 1960-er Jahren mehr als 20 Parteien vom türkischen Verfassungsgericht aufgelöst worden sind (https://www.tuerkei-recht.de/downloads/parteiverbot_akp_dt.pdf). Grundlage für Verbote sind die Artikel 68 und 69 der Verfassung (https://www.anayasa.gov.tr/media/7258/anayasa_eng.pdf). Die Verfassung gibt vor, dass die Klageerhebung durch den Generalstaatsanwalt beim Kassationsgericht erfolgen muss; verhandelt und geurteilt wird aber vor und durch das Verfassungsgericht. Verboten wurden vornehmlich islamistische Organisationen, deren erklärtes Ziel es war, die Trennung von Staat und Religion aufzuheben sowie tatsächliche oder vermeintliche terroristische Organisationen. 

Seit der Herrschaft Erdogans ist ein deutlicher Trend zu erkennen, dass zwar das Erbe Atatürks hochgehalten wird, wobei aber die verfassungsmäßig verankerte Trennung von Staat und Religion zunehmend aufgeweicht wird und verfassungsmäßig verankerte präsidiale Demokratie der Türkei Form und Struktur einer elektoralen Autokratie annimmt (https://rudolphina.univie.ac.at/tuerkei-von-der-demokratie-zur-elektoralen-autokratie). Zwar scheint es mir nicht, dass die Türkei zu einem theokratischen Staat transformiert wird, doch ist Erdogan geschickt darin, die religiösen Gefühle und den Nationalstolz der Türken anzusprechen und sie zur Sicherung seiner Herrschaft zu instrumentalisieren. Es ist also festzustellen, dass die Türkei in den letzten fünfzehn Jahren tiefgreifende gesellschaftliche Entwicklungen durchlaufen hat, die unsere Sicht beeinflussen. 

Was wir in der Türkei beobachten können, ist nach meiner Meinung unter anderem, dass 1) die Exekutive Einfluss ausübt auf die Judikative, bzw. die Judikative in Teilen den Wünschen der Regierenden entgegenkommt (alle folgenden Punkte aus https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/tuerkei-2024), etwa durch die Konstruktion von Anklagen (Terror, Staatsstreich etc., dass die Exekutive, 2) dass die Ergebnisse von Wahlen ignoriert bzw. rückgängig gemacht werden, wobei die gewählten Politiker auf Grundlage von Beschuldigungen aus dem Amt entfernt und die vakanten Ämter durch Anhänger der Regierungspartei besetzt werden, 3) dass das Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten wird ,4) dass die Arbeit von freien Medienschaffenden und Journalisten gezielt diskreditiert und kriminalisiert wird und schließlich 5), dass das verfassungsmäßig verbriefte Recht auf friedliche Versammlungen durch gezielte Demonstrationsverbote beschnitten wird.

Wie ich bereits geschrieben habe, kennt die Verfassung der Türkei das Verbot von Parteien und Organisationen, ist es in der Vergangenheit auch zu entsprechenden Urteilen des Verfassungsgerichts gekommen. Die außenpolitischen Folgen des Vorgehens gegen Oppositionelle spiegeln sich insbesondere in der Frage wider, ob die Türkei in die EWG/ EG/ EU aufgenommen werden soll. Deutsche Bundeskanzler und auch die deutsche Diplomatie haben ihre Bedenken gegenüber türkischen Vertretern immer freundschaftlich, aber offen geäußert. Zugleich hat sich die deutsche Politik aber nicht aktiv in die inneren Angelegenheiten der Türkei eingemischt, etwa durch die Parteinahme und Unterstützung von oppositionellen Parteien und Gruppierungen. 

Beste wirtschaftliche, sicherheitspolitische und kulturelle Beziehungen zur Türkei zu hegen und zu pflegen, liegt im deutschen Interesse und damit auch im Interesse einer AfD-geführten Außenpolitik. Es ist nicht die Aufgabe deutscher Diplomatie, aktiven Einfluss auf die inneren Angelegenheiten der Türkei zu nehmen (AfD_Bundestagswahlprogramm2025_web.pdf, Seite 86). Deutsche Diplomatie muss davon ausgehen, dass sie den politischen Wandel in der Türkei am besten dadurch unterstützen kann, indem sie die türkische Regierung von ihrem ureigenen Interesse überzeugt, die grundlegenden Fundamente eines demokratisch verfassten politischen Gemeinwesens aufrechtzuerhalten. Dabei sind mit Blick auf die Türkei, aber auch auf andere Nationen, kulturelle, politische sowie historisch gewachsene Eigenarten zu berücksichtigen. Außenpolitik hat nicht im hier und jetzt zu agieren, sie muss in der Lage sein, die Gegenwart als historisch gewachsen zu verstehen, künftige Entwicklungen zu analysieren und darauf aufbauend eigene Interessen auf pragmatischem Wege Geltung zu verschaffen. In diesem Sinne wird die Türkei in einer multipolaren Welt und mit Blick auf ihre geostrategische Lage sowie militärische Bedeutung einen Bedeutungszuwachs erfahren. Das wird der türkischen Regierung größere außenpolitische und innenpolitisch Handlungsfreiheiten geben. Ob und inwiefern diese Handlungsfreiheit von der jetzigen Regierung genutzt werden wird, das politische System der Türkei zu einer elektoralen Autokratie umzuformen, liegt in erster Linie beim politischen Willen des türkischen Volkes. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Türken die freiheitlich-demokratische Lebensweise schätzen und sie in der Lage sein werden, Religion, Tradition, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit miteinander einträglich zu verknüpfen. Deutschlands Interesse ist es, diese Entwicklung auf diplomatischem, wirtschaftlichem und kulturellem Wege zu begleiten, wenn es die Türken wollen.

Mit freundlichem Gruß

Gerold Otten

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