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Gerold Otten
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Frage von Dr. Arnd T. . •

Frage an Gerold Otten von Dr. Arnd T. . bezüglich Gesundheit

Im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2 Pandemie wurde eine Überlastung des Gesundheitswesens durch mehr behandlungsbedürftige Personen mit COVID-19 befürchtet als bei allen Anstrengungen Behandlungskapazitäten zur Verfügung standen. Aktuell steht eine solche Überlastung des Gesundheitswesens kurzfristig nicht bevor.
Wie aber soll bei einer zukünftigen Überlastung des Gesundheitswesens entschieden werden? Nach welchen Kriterien soll zwischen Patientinnen und Patienten ausgewählt werden, wenn nicht für alle behandlungsbedürftigen Personen Behandlungskapazitäten zur Verfügung stehen?
Die DIVI (23.04.2020) und auch der Deutsche Ethikrat (27.03.2020) haben dazu das Konzept der ex-ante-Triage und als Verschärfung die Anwendung der ex-post-Triage vorgeschlagen.
Welche Meinung vertreten Sie zur ex-ante und ex-post-Triage?
Nach welchen Kriterien sollt über knappe und damit nicht ausreichende Behandlungskapazitäten im Gesundheitswesen entschieden werden?

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Antwort von
AfD

Sehr geehrter Herr Dr. May,

grundsätzlich handelt es sich bei beiden Konzepten um Kriterien, wie in einem denkbar schlimmsten Fall auf ein Überhang an Patienten reagiert werden könnte. Sie bitte mich in Ihrer Frage, zu beiden Konzepten Stellung zu nehmen und grundsätzliche Erwägungen anzustellen, wie bei unzureichenden Behandlungskapazitäten verfahren werden sollte.

Um diesen Fragen, die grundsätzlich ethischer Natur sind, zu begegnen, bedarf es zunächst dreier Annahmen. Erstens, dass unser Gemeinwesen tatsächlich einer Ausnahmesituation gegenüberstünde, die eine Berücksichtigung beider Konzepte notwendig macht. Zweitens, dass unsere technischen Fähigkeiten tatsächlich die Möglichkeit eröffnen, das Leben von betroffene Menschen, etwa bei einer Pandemie, zu retten. Sowie Drittens, dass das Problem folglich nicht im Behandlungserfolg, sondern in der mangelnden Quantität der notwendigen technischen Apparaturen liegt.

Grundsätzlich ist es notwendig, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, auf derartige Krisenlagen reagieren zu können. Die gegenwärtige Krise ist meiner Meinung nach nicht durch intelligente oder vorausschauende Politik unserer Regierung gelöst worden, sondern durch einen aufopferungsvollen Einsatz aller gesellschaftlichen Kräfte. Ich möchte nur auf die anfängliche Verharmlosung – wohl um keine Panik auszulösen – hinweisen, die schließlich in Aktionismus umgeschlagen ist, zu deren Legitimation Schreckensszenarien herhalten mussten. Während in den Geschäften Toilettenpapier ausverkauft war, traf Schutzausrüstung für Allgemeinmediziner nur tröpfchenweise ein. Als der Bedarf aufgrund eigener Maßregeln dann überwältigend wurde, traten führende Politiker erneut in Aktion und präsentierten sich vor eingeflogenen Atemwegsmasken. Dies sind nur drei Details, und ich möchte darauf nicht weiter eingehen.

Steht eine Gesellschaft vor einer Katastrophe, die die Anwendung beider Triage-Konzepte nötig machen könnte, ist darauf zu schauen, diesen Fall möglichst zu verhindern. Schon an der Schwelle zur Frühen Neuzeit und in unseren Breiten letztmalig am Beginn des 18. Jahrhunderts wurde zur Bekämpfung der sog. Pest die Isolation der Betroffenen (Einzelpersonen, Familien, Städte) angewendet. In der gegenwärtigen Krise war dieser Schritt meiner Meinung nach richtig und wichtig, solange es nicht klar war, in welchem Umfang und über welche Wege sich das Virus verbreitet sowie welche Verläufe in welchen Quantitäten zu erwarten sind. Nachdem diesen Fragen aber beantwortet waren, wäre es sinnvoll gewesen, die verhängten Einschränkungen für die kaum bis gar nicht von schweren Verläufen gefährdeten Teile der Gesellschaft aufzuheben, auch um eine Durchseuchung zu bezwecken.

Wäre ein Virus allerdings derart ansteckend, dass gewöhnliche Isolationsmaßnahmen nicht greifen und würde derselbe einen Verlauf verursachen, der dem des Covid-19-Virus übersteigt und könnte eine Versorgung der betroffenen Menschen quantitativ nicht gewährleistet werden, müsste auf die Triage-Konzepte zurückgegriffen werden.

Es bedürfte sicherer medizinische Gesichtspunkte, anhand derer, so grausam es klingt, eine Selektion nach Erfolgsaussichten stattfinden kann. Für die ex ante Triage gelten medizinische Indikatoren (Dringlichkeitsprinzip) oder eine Orientierung nach gewissen Priorisierungen (Tempusprinzip). Nun gibt es allerdings den Einwand, dass bestimmte Bevölkerungsschichten bei einem solchen Modus benachteiligt würden. Das beträfe im vorliegenden Fall vor allem alte und kranke Personen. Dieser Einwand kann aber unter den gegebenen Umständen nicht statthaben. Eine Abwägung ist nötig, um den Schaden für das Ganze möglichst gering zu halten.

Die ex post Triage wiederum greift den letzten Gedanken auf und verdeutlicht die Herausforderungen auf besondere Weise, die an die Menschen bei einer Katastrophe gestellt werden. Mit Blick auf die Möglichkeit, bei begrenzten Ressourcen könnten die Überlebenschancen des Einen gegen diejenigen des Anderen abgewogen und eine bereits eingeleitete Behandlung abgebrochen werden, wird die Frage nach der Menschenwürde aufgeworfen. Menschenwürde beinhaltet in diesem Fall, dass ein Menschenleben nicht gegen ein anderes abgewogen werden darf – und dies anhand höchstrichterlicher Bestätigung. Etwaige juristische Einschränkungen werden zwar gemacht, sind aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar, folgt man dem juristischen Diskurs.

Ich möchte dagegenhalten, dass es zwei Gründe gibt, durch die die ex post Triage legitimiert werden kann und es sogar zwingend ist, sich vorrangig damit zu beschäftigen. Einerseits dürfte sie nämlich viel eher als die ex ante Triage die Zustände in medizinischen Einrichtungen widerspiegeln, die bei einem Katastrophenfall auf ein Gemeinwesen zukommen könnten. Die Menschen werden nicht alle mit einem Male erkranken, sondern es wird sich über einen längeren Zeitraum hinziehen und mit unterschiedlicher Intensität. Dabei mag zweifellos die Situation eintreten, dass die Behandlungskapazität ausgeschöpft ist und die Überlebenschancen eines neu eintreffenden Patienten diejenigen eines bereits in Behandlung befindlichen Patienten übersteigt. Oder praktisch formuliert: Es ist vorhersehbar, dass ein Arzt vor der Frage steht, soll er einen nicht mehr rettbaren Patienten weiter versorgen, statt einen rettbaren Patienten sterben zu lassen. Letzteres wird meines Erachtens im juristischen Diskurs übersehen. Statthaben können meiner Meinung nach nur zwei Einreden:

1. Der unrettbare Patient könnte ohne Zutun des Arztes sterben und dadurch noch rechtzeitig einen Behandlungsplatz freimachen, d. h. die Zeit als Friktion. Der Arzt trüge dann keine Verantwortung, sondern überließe die Sache einer höheren Macht.

2. Welche klaren klinischen Faktoren gegeben dem Arzt die Evidenz, dass ein in Behandlung befindlicher Patient trotz aller Anstrengungen todgeweiht ist? – Hier ist die Richtigkeit des Analysevermögens des Arztes die Friktion: Inwieweit ist der Arzt in der Lage, den künftigen Krankheitsverlauf beider Patienten abschätzen zu können?

Sehr geehrter. H. D. M.! Sie haben mir mit Ihrer Frage einige Denkanstöße gegeben, die mich sehr nachdenklich gemacht haben. Grundsätzlich stelle ich mir die Frage, ob die Würde des Menschen, in diesem Fall das Recht auf Leben, in der geschilderten Annahme einer Katastrophe ungeahnten Ausmaßes nicht hinderlich ist, um nötige Antworten zu geben. Die medizinischen, ethischen und juristischen Gesichtspunkte müssen zusammengebracht und Leitmaximen in einem künftigen Krisenmanagementpapier formuliert werden, um Handlungssicherheit zu gewährleistet.

Desweiteren wäre es ratsam, die Innovationskraft des menschlichen Geistes zu nutzen, um lebenserhaltende Instrumente zu entwickeln, die eine Zeitlang eine Behandlung ersetzen können. Gleiches gilt für Großgeräte, die mobiler, effizienter und billiger hergestellt werden müssten.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die gegenseitige Hilfe: Die Bundeswehr hat während der Pandemie Großbritannien eine Anzahl an Notfallgerätschaften kostenlos überlassen. Wir dürften von unseren Partnerstaaten erwarten, dass auch sie uns nach ihren verantwortbaren Möglichkeiten Hilfe leisten.

Doch sollten wir uns nicht allein darauf verlassen, sondern zunächst Verantwortung für uns selber, für unser Gemeinwesen übernehmen. Ich erwarte daher von unserer Regierung, dass diese Fragen in einer Novelle eines Krisenpapiers angegangen und beantwortet werden.

 

Mit freundlichem Gruß

Gerold Otten

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