Portrait von Georg Fahrenschon
Georg Fahrenschon
CSU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Georg Fahrenschon zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Moritz M. •

Frage an Georg Fahrenschon von Moritz M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Fahrenschon,

als relativ junger Wähler ihres Wahlkreises, bin ich insbesondere an der Frage interessiert, wie Sie zu dem Problem der Wehrpflicht, des Wehrersatzdienstes und der Wehrgerechtigkeitsproblematik stehen.

Vor ein paar Jahren ließ die Bundeswehrführung verlauten, man brauche die Wehrpflichtigen nicht, im Gegensatz, sie wären überflüssig und stellten unnötige Kosten dar. Hat man daraufhin den Wehrdienst abgeschafft? Nein, mit dem Argument, man brauche doch die Zivildiesntleistenden. Nun stellt der Zivildienst aber nur einen Wehrersatzdienst dar, gerechtfertigt durch die Wehrpflicht, nicht umgekehrt.

Wir beklagen uns über die Pisa-Studie, über zu lange Ausbildungszeiten, die einen erhöhten Altersdurchschnitt beim Arbeitseintrittsalter zur Folge hätten, und führen um das Problem zu lösen Ganztagschulen und G8 Gymnasien ein. Das Junge Menschen, für Tagessätze unter (geplantem) Mindestlohn, der das Lebensminimum garantieren soll, und unter dem Einkommen eines Ein-Euro-Jobbers Arbeit verrichten, für die sie weit überqualifiziert sind, ein Jahr ihrer produktivsten Zeit opfern müssen und doch 4 Millionen Arbeitslose auf der Straße stehen, wirkt nicht nur, sondern ist unlogisch. Von der Wehrgerechtigkeit, braucht man gar nicht zu reden, was alleine die Wehrpflicht eigentlich zum kippen bringen müsste. Ich sage eigentlich, denn wir "brauchen" ja die Zivis.

Da dies ein Problem ist, dass vielen jungen Menschen in ihrem Wahlkreis auf der Seele brennt, und sie gezwungen sind auf unmöglichste Weise ausgemustert zu werden um rechtzeitig ihr Studium anfangen zu können oder um ihren Ausbildungsplatz nicht zu verlieren, wäre es sicherlich für viele Interessant, wie unsere Abgeordneten dazu stehen.

Ich freue mich auf Ihre Antwort,

Vielen Dank

Moritz Mentzel

Portrait von Georg Fahrenschon
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Mentzel,

vielen Dank für Ihre Mail vom 24. Januar 2007 zum Thema der allgemeinen Wehrpflicht.

Im Koalitionsvertrag vom November 2005 hat die Große Koalition zur Frage der Allgemeinen Wehrpflicht folgendes gestgestellt: "Die Bundesregierung bekennt sich zur Allgemeinen Wehrpflicht. Diese Dienstpflicht ist nach wie vor die beste Wehrform. Sie bestimmt Entwicklung und Selbstverständnis der Bundeswehr und dient der Verklammerung zwischen Streitkräften und Gesellschaft."

Die Gründe hierfür liegen in folgenden Punkten:

1. Die Allgemeine Wehrpflicht ist auch unter geänderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen und angesichts der Herausforderungen durch die asymmetrische Bedrohung und den internationalen Terrorismus weiterhin begründet. Sie sollte eine Dauer von neun (9) Monaten haben, um eine solide Ausbildung sicherzustellen und die Verwendung von Wehrpflichtigen auf Funktionsdienstposten zu gewährleisten.

2. Auch nach der grundlegenden Verbesserung der sicherheitspolitischen Lage ist die Sicherheit Europas von erheblichen Risiken bedroht. Deutschland trägt aufgrund seiner geopolitischen Lage, seines politischen Gewichts und eines vitalen Interesses an Sicherheit und Stabilität in Europa eine besondere Verantwortung für die Bündnisverteidigung. Die Wehrpflicht schafft diese Voraussetzungen für eine wirksame Landes- und Bündnisverteidigung. Vorausschauende Sicherheitsvorsorge muss vor langfristigen Gefahren schützen. Deshalb darf die Wehrpflicht trotz derzeit günstiger sicherheitspolitischer Großwetterlage nicht aufgegeben werden.

3. Die Wehrpflicht garantiert einen raschen personellen Aufwuchs für den nicht auszuschließenden Eventualfall. Über Reservisten besteht strukturell die Möglichkeit, rasch auf Veränderungen zu reagieren. Der Bedarf an Reservisten kann zudem nicht aus ausgeschiedenen Berufs- und Zeitsoldaten rekrutiert werden: (1) ihre Zahl reicht nicht für den Aufwuchs im Verteidigungsfall, (2) im Ernstfall besteht Bedarf an Mannschaften und nicht an Dienstgraden, (3) pensionierte Berufssoldaten dürften den körperlichen Anforderungen des Einsatzfalles kaum gerecht werden.

4. Die Wehrpflicht erfüllt wichtige integrative Aufgaben. Wir können nicht erwarten, dass die USA ihr politisches und militärisches Engagement für Europa aufrechterhalten, wenn die Europäer selbst ihre Anstrengungen verringern. Deshalb ist eine im Personalumfang angemessen proportionierte Wehrpflichtarmee ein starkes Signal für die transatlantischen Beziehungen. Auch mit Blick auf potentielle NATO-Kandidaten aus Mittelosteuropa kann die Wehrpflichtarmee Bundeswehr einen Orientierungsrahmen für innere Ausgestaltung, Rechts- und Sozialordnung und Innere Führung setzen.

5. Die Wehrpflicht sichert den qualitativen und quantitativen Führernachwuchs der Bundeswehr. Noch immer werden die späteren Führer mehrheitlich über die Wehrpflicht für einen längeren Dienst in den Streitkräften gewonnen. Ein Wegfall der Wehrpflicht würde sich negativ auf die Rekrutierungsquoten auswirken. Die Wehrpflicht ermöglicht optimale Ausschöpfung des Leistungs- und Bildungspotenzials aller sozialen Schichten. Personelle Erneuerung sichert der Armee modernes Denken und intellektuelles Niveau und verhindert ihre Fixierung nach innen. Die Herausforderung, sich der Jugend immer neu stellen zu müssen, hält die Bundeswehr jung.

6. Die Wehrpflicht hat sich als Ausdruck der persönlichen Mitverantwortung der Bürger für ein Leben in Frieden und Freiheit bewährt. Dies ist besonders vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte zu würdigen. Die Wehrpflicht ist Symbol des gesellschaftlichen Konsenses über die Notwendigkeit der Landesverteidigung und fördert die Integration der Bundeswehr in den demokratischen Rechtsstaat. Soldatinnen und Soldaten stehen mit ihrem Dienst für die Allgemeinheit fest verwurzelt in der Gesellschaft. Die Wehrpflicht garantiert die Verklammerung der Bundeswehr mit allen Bereichen der Gesellschaft und verhindert eine Entfremdung der Streitkräfte.

Wehrdienst ist der letzte persönliche Dienst, den junge Männer für das Gemeinwesen leisten. Die Gesellschaft empfindet Pflicht vielfach als Zwang und offenbart damit ein individualistisches Fehlverständnis von Freiheit. Verantwortete Freiheit bedeutet aber, dass Pflichten und Rechte einander bedingen. Verteidigung ist keine Dienstleistung, die an eine anonyme Institution delegiert werden kann. Verteidigung in einer Demokratie ist Sache des ganzen Volkes.

Eine Freiwilligenarmee im Umfang von 250.000 Soldaten ist weder finanzierbar noch gesellschaftspolitisch realistisch. Eine Wehrpflichtarmee hingegen gewährleistet einen Personalumfang in einem finanzpolitisch und volkswirtschaftlich vertretbaren Rahmen. Eine Freiwilligenarmee gleichen Umfangs wäre dagegen um ca. 30 % teurer. Zudem verfügen Berufsarmeen zwar unstreitig über einen hohen Leistungsstand, sind aber deshalb nicht zwangsläufig professioneller. Verengt man Professionalität nicht nur auf militärische Fertigkeiten, sondern zählt den Grad an Flexibilität hinzu, so braucht die Bundeswehr keinen Vergleich mit Berufsarmeen zu scheuen.

Das Argument "Wehrgerechtigkeit" war zu keiner Zeit tauglich. Die Wehrgerechtigkeit in Deutschland liegt derzeit bei ca. 92 % und ist damit außerordentlich hoch. Eine höhere Dienstgerechtigkeit aber wird auch durch die Abschaffung der Wehrpflicht nicht erreicht.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Georg Fahrenschon