Frage an Egon Jüttner von Alexander Z. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Jüttner,
wie bewerten Sie den ESM-Vertrag? Insbesondere interessiert mich Ihre Einschätzung zu folgenden Artikeln des Vertrages:
Art. 9, Ziff. 3: … Die ESM-Mitglieder sagen hiermit unwiderruflich und bedingungslos zu, bei
Anforderung jeglichem gemäß vorliegendem Absatz durch den Geschäftsführenden Direktor
an sie gerichteten Kapitalabruf binnen 7 (sieben) Tagen nach Erhalt dieser Anforderung
nachzukommen.
Art. 10, Ziff. 1: … Er kann die Änderung des Grundkapitals beschließen und Artikel 8 und Anlage 2 entsprechend ändern. …
Art. 17, Ziff. 1 & 2: … Der ESM ist ermächtigt, zur Erfüllung seiner Aufgaben auf den Kapitalmärkten Kredite von Banken, Finanzinstituten oder sonstigen Personen oder Einrichtungen aufzunehmen. Die Modalitäten der Kreditaufnahmen werden vom Geschäftsführenden Direktor im
Einklang mit den die Einzelheiten regelnden, vom Direktorium zu verabschiedenden
Leitlinien bestimmt.
Artikel 27 (vollständig), der den ESM, seine Räumlichkeiten, Archive sowie seine Mitglieder der jurisdiktion entzieht und vollständig Immunität gewährt.
Dazu folgende weitergehende Fragen:
- kommt dieser Vertrag nicht letztlich der Abschaffung jeglicher fiskalischer Souveränität aller EURO-Staaten gleich (vgl. Art. 8, 9, 10)?
- schafft dieser Vertrag nicht letztlich ein nicht demokratisch bestimmtes, legitimiertes oder kontrolliertes Gremium?
- kommt dieser Vertrag nicht der Abschaffung des Sourveräns gleich, bei gleichzeitigem Zugriff auf Steuern in unbestimmter Höhe durch den ESM (vgl. Art. 10)?
- wie soll der Bürger vertrauen in eine Währung bekommen, wenn es ein Gremium benötigt, dass über Steuergeld frei verfügen kann, auf welches wir als Volk aber _genau_ keine Einfluss haben?
- wieso hält es die Bundesregierung nicht für nötig, das Volk über diesen Vertrag und seine Folgen *umfassend* aufzuklären?
Beabsichtigen Sie in Ihrem Wahlkreis eine Info-Veranstaltung *vor* Abstimmung?
Beabsichtigen Sie, diesem Vertrag zuzustimmen?
mfg, A. Zschach
Sehr geehrter Herr Zschach,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf http://www.abgeordnetenwatch.de vom 24. August 2011, in der Sie Kritik am vorgesehenen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) äußern und sich dafür aussprechen, dem ESM im Deutschen Bundestag nicht zuzustimmen.
Ihre Sorgen über die Lage der gemeinsamen europäischen Währung kann ich nachvollziehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns an einer Wegscheide in Bezug auf die Zukunft des Euro befinden.
Eine Währungsunion ist ein gemeinschaftliches Projekt. Sie kann nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedsland aus eigener Kraft wettbewerbsfähig ist und solide wirtschaftet. Es werden Mechanismen geschaffen, um die wirtschaftliche und geldpolitische Entwicklung der einzelnen Euro-Staaten besser zu überwachen. Zeichnen sich Fehlentwicklungen ab, kann auf europäischer Ebene eingegriffen werden.
Sehr geehrter Herr Zschach, wie bei der Weiterentwicklung eines jeden gemeinschaftlichen Projekts auf EU-Ebene geht dies mit der Einräumung von Rechten und Pflichten für die jeweiligen EU-Institutionen einher. Dies bedeutet aber nicht, daß die nationalen Parlamente das Heft des Handelns aus der Hand geben. Das Haushaltsrecht ist und bleibt das Königsrecht des Parlaments. Die Beteiligung des Deutschen Bundestages ist allen Abgeordneten ein zentrales Anliegen. Ich lege sehr großen Wert darauf, dass der Deutsche Bundestag allen Vereinbarungen mit finanzieller Auswirkung zustimmen muss.
Bevor ich eine endgültige Entscheidung hinsichtlich meines Abstimmungsverhaltens treffe, werde ich zuvor noch die Meinungen von Wirtschafts- und Finanzexperten einholen.
Mit freundlichen Grüßen
Egon Jüttner