Frage an Dirk Niebel von Michael L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Minister,
in wie weit werden Staaten finanziell unterstützt die gegen geltendes Völkerrecht verstoßen z.B. in dem sie religiöse Gruppen diskriminieren oder gar verfolgen und ermorden?! Als Beispiele sei Nigeria, Ägypten oder die Türkei genannt. Die Lage der Christen wird dort immer bedrohlicher.
Wird generell die humanitäre Lage einzelner ethnischer/religiöser Gruppen in Augenschein genommen bevor ein Land Entwicklungshilfe zugesprochen bekommt?!
Wenn ja wie schnell wird auf Veränderungen bezüglich der humanitären Lage dieser Gruppen reagiert. Geschieht dies jährlich oder vor einer Überweisung der Entwicklungshilfe?!
Mit freundlichen Grüßen
Michael Lüdeke
Sehr geehrter Herr Lüdeke,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 7. November 2011 und Ihr Interesse an der Rolle der Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik.
Menschenrechte sind Leitprinzip deutscher Entwicklungspolitik. Sie sind maßgeblich für die Ziele, Programme und Vorgehensweise der deutschen Entwicklungspolitik in der Zusammenarbeit mit Partnerländern und auf internationaler Ebene. Menschenrechte sind universell, unteilbar und für uns und unsere Partnerländer verbindlich. Hierzu gehört auch die Religionsfreiheit für Angehörige aller Religionen, die unter anderem das Recht auf ungehinderte Ausübung der Religion garantiert.
Die Wahrung der Menschenrechte und gute Regierungsführung sind entscheidend für unsere Zusammenarbeit mit Partnerländern. Daher analysieren wir die Menschenrechtslage in den einzelnen Ländern regelmäßig und sprechen sie im Politikdialog an. Wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst. Seien Sie gewiss: Bei allen sich mir bietenden Gelegenheiten spreche ich Menschenrechtsprobleme mit Partnerregierungen an. Dies gilt auch, wenn sich Länder – wie derzeit Ägypten – in schwierigen Umbruchphasen befinden.
Die aktuelle politische Entwicklung in Ägypten ist unübersichtlich, die soziale und wirtschaftliche Situation desolat. Als Sofortmaßnahme hat die Bundesregierung im Februar 2011 drei Fonds aufgelegt, um Demokratie, Bildung und Wirtschaft in der Region zu fördern. Doch der Aufbau von demokratischen Institutionen, die die Rechte von Minderheiten wirksam achten und schützen können, ist ein langwieriger Prozess. Die Reform und demokratische Kontrolle des Sicherheitsapparates und der Aufbau von verantwortungsbewussten Medien werden Jahre benötigen. Diese Institutionen sind u. a. notwendig, damit religiöse Minderheiten ihre staatsbürgerlichen Rechte ausüben können. Aber auch der Dialog zwischen Angehörigen der verschiedenen Religionen muss in Gang kommen, damit die tief liegenden sozialen Spannungen gemeinsam gelöst werden können. Dazu leisten zivilgesellschaftliche Organisationen in Ägypten jetzt schon wichtige Beiträge.
Mit der Einstellung deutscher Entwicklungszusammenarbeit mit Ägypten würden wir diesen Dialog beenden und uns Einflussmöglichkeiten nehmen. Zudem kommen viele Programme deutscher Entwicklungsarbeit gerade armen Bevölkerungsgruppen zugute (z. B. Wasserversorgung), die durch Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit bestraft und in ihrem Menschenrecht auf Wasser geschädigt würden.
Die Türkei und zukünftig auch Nigeria sind keine Partnerländer bilateraler deutscher Entwicklungszusammenarbeit.
Mit freundlichen Grüßen