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Frage von Andreas M. •

Frage an Dirk Becker von Andreas M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Becker,

in Ihrer Rede im Deutschen Bundestag ( http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/_x_s-144277506/od_player.html?singleton=true&content=4510981 ) vom 29.01.2015 erklärten Sie auf die Zwischenfrage des MdB Schlecht, dass Deutschland Defizite im Binnenmarkt aufweist, der Exportüberschuss nicht zu übertreiben sei sowie dass die Deutschland keinen Leistungsbilanzdefizit (generell und mit einzelnen Ländern) aufweisen soll bzw., dass dieses nicht anvisiert werden soll/kann.

Darauf habe ich folgende Fragen:

1. Sind Sie der Auffassung, dass die Leistungsbilanzüberschüsse (nicht die Handelsexporte) der jüngsten deutschen Vergangenheit ein maßgebendes Problem der aktuellen EU-Krise darstellen?

2. Wie sollen einzelne Staaten die daraus erfolgten Verbindlichkeiten gegenüber den den daraus erfolgten Forderungen Deutschlands begleichen, wenn keine Leistungsbilanzdefizite gegenüber diesen Staaten von deutscher Seite zugelassen werden bzw. sollen? Wie soll dieses gemäß der einfachen makroökonomischen Buchhaltung vollzogen werden?

3. Sind Sie der Auffassung, dass die deutschen Exportüberschüsse zum überwiegenden Teil durch die deutsche Lohnmoderation zur Senkung der Lohnstückkosten seit Beginn der 2000er ausgelöst wurden?

Über eine Beantwortung dieser Fragen würde ich mich sehr freuen.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Möller,

für Ihre Zuschrift in Bezug auf meine Rede zum Jahreswirtschaftsbericht im Deutschen Bundestag möchte ich mich bedanken. Ganz offensichtlich sind meine Äußerungen teilweise missverständlich gewesen, weshalb ich Ihre Fragen als Gelegenheit zur Richtigstellung meiner Ausführungen nutzen möchte.

Ich habe in meiner Rede gesagt, dass Deutschlands Exportstärke wesentlich für die positive wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ist und wir uns kein Handelsdefizit wünschen. Diese Aussagen sind m.E. auch nachvollziehbar. Genauso nachvollziehbar ist in meinen Augen aber auch, dass die Aussage „Wir wünschen uns kein Handelsdefizit“ nicht gleichzusetzen ist mit der Befürwortung des momentanen Leistungsbilanzüberschusses von über 7 Prozent.

Die SPD hat sich seit Ausbruch der europäischen Wirtschaftskrise stets für möglichst ausgeglichene Leistungsbilanzsalden ausgesprochen. Dazu findet sich bspw. in unserem Regierungsprogramm 2013-2017 folgender Absatz: „Bessere Regeln auf den Finanzmärkten reichen noch nicht aus, um die europäische Wirtschaft aus ihrer Schieflage zu holen. Dafür müssen wir dauerhafte und exzessive wirtschaftliche Ungleichgewichte bekämpfen. Eine Währungsunion braucht auch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik mit längerfristig ausgeglichenen Leistungsbilanzen. Alle EU-Mitgliedstaaten müssen ihren Beitrag leisten, damit die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone abgebaut werden. Wir müssen in den Mitgliedstaaten und in Europa abgestimmte und gemeinsame Maßnahmen für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit ergreifen. (Regierungsprogramm S.26).“ Um damit Ihre erste Frage zu beantworten, sehe ich in den Leistungsbilanzüberschüssen somit definitiv ein Problem in Bezug auf die aktuelle Eurokrise.

Des Weiteren war Deutschland eine der treibenden Kräfte hinter der Etablierung der sogenannten "Macroeconomic Imbalance Procedure", im Rahmen derer die Kommission die wirtschaftliche Stabilität der Mitgliedsländer der Europäischen Union unter die Lupe nimmt.
Insbesondere auch unter dem Aspekt: Durchschnittlicher Leistungsbilanzsaldo für die letzten 3 Jahre in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit Schwellenwerten von +6 % des BIP und - 4 % des BIP.

Es ist völlig richtig und von mir auch in keiner Weise bestritten worden, dass übermäßige Leistungsbilanzüberschüsse auf Dauer zu wirtschaftlichen Verwerfungen führen. In meinen Augen kann es aber an dieser Stelle nicht die Lösung sein, auf die deutsche Exportstärke zu schimpfen. Was nebenbei gesagt weder die EU-Kommission noch unzählige Wissenschaftler tun. Vielmehr ist es geboten, an anderer Stelle die Leistungsbilanz auszugleichen, die sich ja bei weitem nicht nur aus der Handelsbilanz ergibt.

Aus diesem Grund hat die deutsche Bundesregierung bereits in der Vergangenheit z.B. durch wirtschaftspolitische Maßnahmen wie den Mindestlohn oder die Anhebung und Ausweitung der Rentenleistungen die verfügbaren Einkommen gestützt und somit erfolgreich die Binnennachfrage gestärkt.

Darüber hinaus wird es in Zukunft darauf ankommen, die Rückführung des Leistungsbilanzüberschusses durch bessere Rahmenbedingungen für Investitionen zu erreichen. Hier beteiligt sich Deutschland aktuell mit rund acht Milliarden Euro an dem vom EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker vorgelegten europäischen Wachstumsprogramm.

Es gilt somit einen Weg zu finden, die Leistungsbilanz durch Ankurbelung des Binnenmarktes und stärkere inländische Investitionen bei gleichzeitig starker Industrie so zu gestalten, dass das Gleichgewicht in der makroökonomischen Buchhaltung wieder hergestellt werden kann.

Ich hoffe, Ihre Fragen damit angemessen beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Dirk Becker, MdB