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Dietmar Nietan
SPD
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Frage von Juergen V. •

Frage an Dietmar Nietan von Juergen V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Nietan,

wie aus der Presse zu erfahren ist, planen die Fraktionen eine Aufstockung der Parteifinanzen.
Die Obergrenze soll um satte 15 Prozent angehoben werden.

Welche Gründe liegen für diese unverhältnismäßige Erhöhung vor?
Durch die Vergrößerung des Parlamentes und einer weiteren Diätenerhöhung sind dem Steuerzahler schon enorme weitere Kosten für das Parlament entstanden.

Die bisherige Regelung war mehr als ausreichend. Wenn Parteien an Zustimmung in der Bevölkerung verlieren, kann dies nicht heißen einfach die Obergrenze um 15 Prozent aufzustocken.
Ziehen Sie daher ihre Vorlage zurück und werben Sie wieder um Zustimmung für ihre Politik.im Volk.

Werden Sie die geplante Erhöhung zurückziehen?

Mit Dank für Beantwortung und freundlichem Gruß
J. Vanselow

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr V.,

vielen Dank, dass Sie sich an mich gewandt haben.

Gerne erläutere ich Ihnen, warum die Koalitionsfraktionen der Ansicht sind, dass eine Änderung des Parteiengesetzes zugunsten aller politischen Parteien in Deutschland notwendig ist, und sie daher eine entsprechende Initiative in den Deutschen Bundestag eingebracht haben.

Parteien sind nach dem Grundgesetz unerlässlich für die demokratische Willensbildung in Deutschland. Deshalb soll nach dem Bundesverfassungsgericht der Staat Parteien Gelder zur Verfügung stellen, damit sie ihre verfassungsgemäßen Aufgaben erfüllen können. Diese staatliche Teilfinanzierung dient zudem der Wahrung der Chancengleichheit der Parteien, damit nicht Parteien, die auf Grund ihrer politischen Positionen viele und hohe Spenden - etwa von finanzstarken Konzernen - erhalten, im politischen Wettbewerb bevorteilt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1992 entschieden, dass die staatliche Teilfinanzierung gedeckelt werden muss. Dies geschieht u.a. durch die sog. absolute Obergrenze, also die Gesamthöhe der staatlichen Gelder, die an die Parteien verteilt werden dürfen.

Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass die absolute Obergrenze über eine Inflationsrate hinaus zu erhöhen ist, wenn die bestehenden finanziellen Bedingungen für Parteien eine einschneidende Veränderung erfahren haben. Solch einschneidende Veränderungen haben in den letzten Jahren stattgefunden. Wir erleben überall die Digitalisierung unserer Welt. Industrie 4.0, Arbeit 4.0, Big Data, Social Media, usw. sind die Stichworte, die wir alle kennen. Die Meinungsbildung in unserer Demokratie findet zunehmend in einem „digitalen Kontext“ statt. Nicht nur die Wirtschaft und insbesondere die Medien investieren massiv in die Digitalisierung. Vor allem die Feinde der Demokratie nutzen das Internet und die Sozialen Medien massiv für ihre demokratiefeindliche Propaganda, Hetze gegen Andersdenkende und die Verbreitung von Fake News. Gezielte Kampagnen beeinflussen immer mehr im Netz nicht nur die Entwicklung der öffentlichen Meinung, sondern sie beeinflussen in entscheidender Weise mittlerweile auch den Ausgang von Wahlen.

Politische Willensbildung findet immer weiter zunehmend digital statt. Parteien haben den verfassungsmäßigen Auftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Ob sie wollen oder nicht, auch sie müssen zur Sicherstellung dieses Auftrages die neuen digitalen Kommunikationswege aktiv nutzen und auf den neuen Plattformen präsent sein. Die Kommunikation muss dabei auch online in einem geschützten Raum stattfinden können, muss darüber hinaus gegen Cyberangriffe geschützt werden und wird dadurch technisch und finanziell gleichsam anspruchsvoller. Neue Instrumente der innerparteilichen Willensbildungs- und Beteiligung sowie anspruchsvollere Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen erhöhen den Aufwand noch einmal erheblich.

Der zuständige Innenausschuss des Deutschen Bundestages hat zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen eine öffentliche Sachverständigenanhörung durchgeführt. Alle Sachverständige und Experten haben bestätigt, dass die unabhängige Finanzierung für die politischen Parteien notwendig sei und sich bewährt habe. Auch die jetzt geplante Anhebung der absoluten Obergrenze um 25 Millionen sei absolut verhältnismäßig. Es wurde auch noch einmal betont, dass das gegenwärtige System der staatlichen Parteienfinanzierung transparent sei und im Moment durch keine besseren Konzepte ersetzt werden könne.

Dieses sehr transparente System, das eine jährliche Veröffentlichung der Parteienfinanzierung garantiere, sei auch besser als dubiose Geldquellen bekannter populistischer Parteien. Die staatliche Parteienfinanzierung sei keine Selbstbedienung, das stehe den Parteien zu, um mithalten und von Spendern und wirtschaftlicher Einflussnahme unabhängig arbeiten zu können. Die nach den Vorgaben des Parteiengesetzes rechnerisch darstellbaren Ansprüche der politischen Parteien auf staatliche Mittel liegen heute bereits bei ca. 190 Mio. Euro. Insgesamt werden die Parteien auch in Zukunft deutlich weniger als die Hälfte ihrer Einnahmen aus staatlichen Mitteln beziehen. Damit bleiben die wesentlichen Forderungen des Bundesverfassungsgerichts unangetastet.

Sie haben Recht, wenn sie mehr Sparsamkeit und Bescheidenheit von der SPD fordern. Als Schatzmeister der SPD will ich betonen, dass ich meiner Partei ein millionenschweres Sparprogramm auferlegt habe.

Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Nietan

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