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Dietmar Bartsch
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Frage von Wolfgang W. •

Erklären Sie einmal, wie ein Handwerksmeister oder andere kleine Unternehmen 20€ zahlen sollen ohne die Preise zu erhöhen. Jedes Unternehmen ist zur Gewinnerwirtschaftung verpflichtet.

FAZ Artikel

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Die Linke

Sehr geehrter Herr W.,

zunächst zwei Klarstellungen: Ich bestreite überhaupt nicht, dass jeder Betrieb wirtschaftlich arbeiten muss und dass die Lohnhöhe dabei eine Rolle spielt. Ich habe selbst einige Jahre als Unternehmensberater gearbeitet und weiß, wovon ich spreche. Außerdem werbe ich nicht für einen gesetzlichen Mindestlohn von 20 Euro pro Stunde.

Im Zusammenhang mit der erwähnten Antwort der Bundesregierung habe ich mir erlaubt, darauf hinzuweisen, dass Deutschland – anders als oft behauptet – längst kein flächendeckendes Hochlohnland mehr ist. Viele Beschäftigte, und zwar in Vollzeit, müssen ihren Alltag mit vergleichsweise geringen Einkommen bestreiten. Angesichts der steigenden Preise für Mieten, Lebensmittel und Energie ist das vielfach eine echte Belastung.

Zugleich sei der Hinweis erlaubt, dass die Vermögensverteilung in kaum einem anderen Industrieland so ungleich ist wie hierzulande. Offenbar sind die Unternehmensgewinne in den letzten Jahren deutlich schneller gewachsen als die Löhne der breiten Mehrheit. Auch das ist ein strukturelles Problem, das nicht ignoriert werden sollte.

Die pauschale Annahme, jede zusätzliche Belastung müsse zwangsläufig an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden, ist schlicht falsch. Sie ist vielmehr Ausdruck eines wirtschaftlichen Verständnisses, das Profite über fast alles andere stellt – häufig zulasten der Beschäftigten, der Umwelt oder gesellschaftlicher Verantwortung. Unternehmensgewinne sollten m.E. nicht auf dem Fundament unzureichender Löhne beruhen.

Übrigens ist häufig nicht die Lohnhöhe das entscheidende Problem für Betriebe. Ich erinnere an die Einführung des Mindestlohns, wo vor massenhaftem Unternehmenssterben gewarnt wurde – was sich als unbegründet herausgestellt hat. Das eigentliche Problem liegt oft woanders: Kleine Betriebe sind strukturell benachteiligt, während große Konzerne von Subventionen, Schlupflöchern und Steuervermeidung profitieren. Eine kluge Antwort darauf kann nicht lauten, Löhne niedrig zu halten, sondern vielmehr, die Rahmenbedingungen zu verbessern – etwa durch eine gerechtere Besteuerung und geringere Abgaben bei kleinen und mittleren Einkommen.

Im Übrigen verliert Politik an Glaubwürdigkeit, wenn vor der Wahl anderes versprochen wird, als später umgesetzt wird. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Stromsteuer und - mit Blick auf Ihre Frage - den Mindestlohn. Versprochen hatte die SPD nicht 13,90 Euro, sondern 15 Euro. Ein Unterschied, der für Millionen Menschen real spürbar ist.

Freundliche Grüße
Dr. Dietmar Bartsch

 

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