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Daniel Caspary
CDU
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Frage von Karin W. •

Frage an Daniel Caspary von Karin W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Caspary,

mit größter Sorge betrachte ich das geplante TiSA-Abkommen.

Sie, als Europaratabgeordneter stehen mit dieser Jahrhundertentscheidung und ihren Folgen in riesiger Verantwortung und Bedeutung für uns Bürger, für unser Land und für die Zukunft unseres Planeten.

Wie kann es sein, daß mit diesem Zeitplan – Offenlegung der Unterlagen im November, Besprechung und spätestens Unterschrift Anfang Januar – alle Fragen umfassend bedacht, diskutiert und die Konsequenzen daraus von Ihnen persönlich geleistet werden kann? Und wo bleibt da die Transparenz gegenüber der Bevölkerung? Ein Abnicken scheint gewollt!

Alle diese Handelsabkommen ob CETA, TTIP, oder TiSA eint im Grunde der Gedanke, der billigste Anbieter bekommt den Zuschlag. Daß dies, wirtschaftlich betrachtet, nur möglich ist, wenn die Kosten gesenkt werden, ist klar. Das bedeutet letztendlich, daß sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern müssen: Arbeitsschutz, Sicherheitsvorkehrungen, Gesundheitsschutz sind zu teuer. Rechte werden abgeschafft und Ressourcen gnadenlos ausgebeutet. Und wenn Widerspruch sich regt? Die privaten „Schiedsgerichte“ werden alles niederschmettern.

Wir Deutsche können stolz darauf sein, daß Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und soziale Errungenschaften und die Würde des Menschen auf hohem Niveau sind.

Wollen wir dies alles den Interessen der Großkonzerne opfern?

Sehen Sie, werter Herr Caspary, noch eine Möglichkeit, dieses Rad zu stoppen?

In der Hoffnung auf Ihre ganz persönliche Verantwortung verbleibe ich mit freundlichen Grüßen.

K. W.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Wegendt,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Freihandel. Sehr gerne lege ich Ihnen meine Position zu den einzelnen Abkommen dar.

Zunächst möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ein Zeitplan, wie Sie ihn zum Trade in Services Agreement (TiSA) beschreiben, nicht vorliegt. Am 17. November 2016 fand die 21. Verhandlungsrunde unter dem Vorsitz der EU statt, die sich unter anderem mit den Themen Transparenz, Regulation, Finanzdienstleistungen und Telekommunikation beschäftigte (Details zur Verhandlungsrunde unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2016/november/tradoc_155095.pdf). Die Europäische Kommission hat auf ihrer Sonderseite zu TiSA (http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/tisa/index_de.htm) eine Vielzahl von Dokumenten zu den Verhandlungen veröffentlicht, darunter konkrete EU-Positionspapiere und Textvorschläge, Berichte über den Stand der Verhandlungen, zentrale Fragen und Antworten sowie Factsheets. Besonders ist hier das Mandat des Europäischen Rates zu erwähnen, das die Grundlage für die Verhandlungen der Kommission darstellt (http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-6891-2013-ADD-1-DCL-1/de/pdf). Die Zivilgesellschaft wurde bereits direkt zu Verhandlungsbeginn 2013 durch eine öffentliche Konsultation eingebunden, deren Ergebnisse Sie unter http://trade.ec.europa.eu/consultations/index.cfm?consul_id=177 einsehen können. Weiterhin verfolgen wir Abgeordnete im Europäischen Parlament und insbesondere im Ausschuss für internationalen Handel die Verhandlungen sehr genau und sind über den Verhandlungsfortschritt umfassend informiert.

Sie haben absolut Recht, dass eine Prüfung von Freihandelsverträgen durchaus Zeit in Anspruch nehmen muss, um alle Aspekte umfassend betrachten zu können. Deshalb vergehen bei EU-Freihandelsabkommen nach dem Abschluss der Verhandlungen üblicherweise über zwei Jahre, bis der Ratifikationsprozess gestartet wird. In dieser Zeit findet die rechtliche Überprüfung sowie die Übersetzung des Textes in alle Amtssprachen der EU statt. Sie können dies sehr gut am Beispiel des Abkommens mit Kanada (CETA) nachvollziehen. Nachdem die Verhandlungen abgeschlossen waren, wurde der komplette Abkommenstext bereits im September 2014 veröffentlicht und ist seitdem für jedermann einsehbar (in englischer Sprache unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf, in deutscher Sprache unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52016PC0444&from=EN). Der Vertrag wurde am 30. Oktober 2016 im Rat unterzeichnet. Der Ausschuss für internationalen Handel des Europäischen Parlaments wird am 23. Oder 24. Januar über den Text abstimmen. Vorbehaltlich einer Zustimmung des Plenums, wahrscheinlich im Februar, ist dann noch die Bestätigung des Abkommens durch die Parlamente aller Mitgliedsstaaten nötig, um den Ratifikationsprozess abzuschließen.

Die EU schließt Freihandelsverträge ab, um sowohl der sehr wettbewerbsfähigen europäischen Wirtschaft leichteren Zugang zu anderen Wirtschaftsräumen aufzuschließen, als auch den Wettbewerb zu fördern, wovon die Verbraucher in Europa und Deutschland durch niedrigere Preise, innovative Produkte und bessere Qualität profitieren. In keinem Fall geht die EU allerdings Kompromisse ein, die europäischen Verbraucherschutz-, Arbeitnehmer- oder Umweltstandards oder unseren Regelungen zur Bereitstellung öffentlicher Daseinsvorsorge zuwiderlaufen. Sie können all dies auch in TTIP, CETA und TiSA nachverfolgen. Bei TTIP möchte ich auf das Verhandlungsmandat (http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/ttip-mandat,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf) und insbesondere auf den Punkt 25 (Seite 11) als auch auf Punkt i XIV der Resolution des Europäischen Parlaments (http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2015-0252+0+DOC+XML+V0//DE) verweisen. Im TiSA Verhandlungsmandat (siehe oben) ist in diesem Zusammenhang Punkt 3 (Seite 3) als auch Punkt (g) i der zugehörigen Resolution des Europäischen Parlaments (http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2016-0041+0+DOC+XML+V0//DE) relevant. Im CETA-Volltext (englische Version, siehe oben) finden Sie Regulierungsfreiheit und Umweltschutz bereits in der Präambel auf Seite 3, den Arbeitnehmerschutz im Artikel 23.3 (Seite 184) sowie die Gestaltungsfreiheit der öffentlichen Daseinsvorsorge u.a. im Annex II auf Seite 1294 ff. Generell möchte ich zur öffentlichen Daseinsvorsorge auf die grundlegenden Verhandlungsprinzipien der EU verweisen, nach welchen in diesem Bereich öffentliche Monopole, die Diskriminierung ausländischer Anbieter und auch die Rückführung in die öffentliche Hand problemlos möglich sind. Alle Details hierzu finden Sie unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1128&serie=793&langId=de.

Sie sprechen auch die im Kontext von TTIP und CETA umstrittenen Investitionsschutzregelungen an. Das Ziel von Investitionsschutzabkommen ist, das Recht auf Eigentum auch außerhalb Deutschlands und Europas zu schützen. Bis heute hat Deutschland 139 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen. Bisher gab es zu diesem Mechanismus weder ablehnende Urteile des Bundesverfassungsgerichts, noch Urteile gegen Deutschland. Die Befürchtung, dass Investitionsschutzklagen angestrengt werden können, sofern sich Änderungen des gesetzlichen Rahmens negativ auf die erwarteten Gewinne von Unternehmen auswirken - beispielhaft genannt sei an dieser Stelle der gesetzliche Mindestlohn, die Mietpreisbremse oder die umfangreiche deutsche Umweltgesetzgebung - trifft zudem nicht zu. Stattdessen muss das klagende Unternehmen nachweisen, dass es durch den Staat, in dem es investiert hat, im Vergleich zu anderen Unternehmen derselben Branche gezielt benachteiligt wurde. Wenn wir das Beispiel des Mindestlohns in Deutschlands weiterverfolgen, findet eben keine solche gezielte Benachteiligung statt, da er nicht einseitig für einzelne Unternehmen, sondern für alle gleichermaßen gilt. Dementsprechend heißt ein Schiedsgerichtsmechanismus keinesfalls, dass ausländische Konzerne ein Vetorecht in der deutschen oder europäischen Gesetzgebung haben. Dennoch wird das Schiedsgerichtssystem in CETA umfassend reformiert: Das Recht öffentlicher Stellen auf Regulierung im öffentlichen Interesse wird ausdrücklich gesichert und eindeutigere und genauere Investitionsschutzstandards definiert, um Missbrauch vorzubeugen. Schiedsgerichtsverfahren werden künftig vor einem ständigen Gericht verhandelt, dessen staatlich bestellte Richter einem strikten Verhaltenskodex unterliegen und die Einrichtung eines Berufungsgerichts ermöglicht die Revision von Verfahren.

Sie können sich also sicher sein, dass die Freihandelsabkommen der EU weder voreilig beschlossen, noch unser hohes Niveau an Sicherheitsstandards gefährden.

Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Caspary.

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