Frage von Jean G. •

Statt höhere Beiträge nur für Angestellte: Warum fordern Sie keine Bürgerversicherung nach niederländischem Vorbild – mit Pflicht für alle, einkommensabhängig und solidarisch finanziert?

Sehr geehrter Herr Dr. Pantazis,

Sie und Ihre Partei schlägt eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV vor. Damit würden fast ausschließlich sozialversicherungspflichtige Angestellte mit mittleren und höheren Einkommen zusätzlich belastet. Beamte, Selbstständige und privat Versicherte bleiben hingegen weiter außen vor.

Halten Sie das für gerecht? Warum wird nicht endlich eine umfassende Reform angestoßen, die auch gutverdienende Selbstständige, Kapitaleinkünfte und Beamte einbezieht?

Wie rechtfertigen Sie, dass ausgerechnet jene stärker belastet werden sollen, die schon heute den Großteil des Systems tragen – während Ihre Partei eine Bürgerversicherung seit Jahren ankündigt, aber nicht durchsetzt?

Befürchten Sie nicht, dass solche Maßnahmen das Vertrauen in den Sozialstaat untergraben und die politische Polarisierung weiter fördern?

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Christos Pantazis
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr G.,

herzlichen Dank für Ihre ausführliche und sehr berechtigte Frage. Sie sprechen zentrale Punkte an, die uns in der gesundheitspolitischen Debatte seit Jahren begleiten – und die ich ausdrücklich nicht ausblende, sondern aktiv anspreche: Gerechtigkeit, Verteilung, Glaubwürdigkeit und Reformverantwortung.

Zunächst: Ich halte die Einführung einer Bürgerversicherung, in der alle Einkommensarten und Berufsgruppen solidarisch einbezogen werden, für den richtigen Weg. Und ja – sie müsste verpflichtend sein, einkommensabhängig finanziert und sozial ausgewogen gestaltet werden, so wie es in den Niederlanden oder auch in anderen Ländern erfolgreich praktiziert wird.

Diese Position vertrete ich seit vielen Jahren. Leider fehlen im Deutschen Bundestag bislang die politischen Mehrheiten für eine solche tiefgreifende Reform – insbesondere wegen der Blockadehaltung konservativer und wirtschaftsliberaler Kräfte.

Gerade deshalb habe ich einen pragmatischen, aber substantiellen Maßnahmenkatalog vorgelegt, um die gesetzliche Krankenversicherung kurzfristig zu stabilisieren und mittel- bis langfristig gerechter aufzustellen. Dazu gehört:

  • die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, um hohe Einkommen im bestehenden System fairer zu beteiligen,
  • die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, damit mehr Gutverdienende in der GKV verbleiben und so das Solidarsystem stärken,
  • die konsequente Forderung nach vollständiger Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen,
  • sowie strukturelle Effizienzreformen, u. a. über die Krankenhausreform, die ich als Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion aktiv mitgestalte.

Ich bin mir bewusst: Eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze allein ersetzt keine Bürgerversicherung. Aber sie ist ein realpolitisch umsetzbarer Zwischenschritt, der das System sofort entlastet, ohne auf die politische Großreform warten zu müssen.

Dass nun einzelne Elemente – insbesondere von der Bild-Zeitung – gezielt herausgegriffen werden, um Stimmung gegen einen größeren Reformansatz zu machen, überrascht mich nicht. Doch die Herausforderungen sind real: Der demografische Wandel, steigende Ausgaben, medizinischer Fortschritt – all das erfordert entschlossenes und gerechtes Handeln.

Ich halte Kurs, weil ich überzeugt bin: Ein funktionierender Sozialstaat lebt von Solidarität – aber eben auch davon, dass alle ihren fairen Anteil tragen. Und ja: Von den von mir vorgeschlagenen Maßnahmen bin ich persönlich betroffen. Ich fordere nichts, was ich nicht bereit bin, selbst mitzutragen. Das ist für mich ein zentraler Maßstab politischer Glaubwürdigkeit.

Mit besten Grüßen

Dr. Christos Pantazis, MdB

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