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Frage von werner s. •

Frage an Christoph Strässer von werner s. bezüglich Familie

Was werden Sie tun, um Müttern (und Vätern) mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe bei der Wahrnehmung ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgaben zu ermöglichen?

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Sehr geehrter Herr Schuren,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 11.08.2005 zum Thema Stärkung der Rechte für erziehende Mütter und Väter mit Behinderung.

Für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und ihre Bundestagsfraktion sind sowohl Gleichstellungsfragen wie auch die Belange der Menschen mit Behinderung von hoher Bedeutung. Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass die Frage nach unseren Plänen nach der Wahl, auch mit der Darstellung unserer bisherigen Politik begründet wird. Zu Ihrer konkreten Frage gibt es Folgendes zu bemerken:

Wir realisieren derzeit zunehmend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, beispielsweise über das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Es sieht vor, dass Länder und Kommunen, die für die Kinderbetreuung zuständig sind, ihre Angebote an Krippen- und Tagespflege für die unter Dreijährigen ab 2005 so erweitern, dass diese Angebote bis zum Jahr 2010 dem Bedarf der Eltern und Kinder entsprechen. In den westdeutschen Ländern soll dazu die Zahl der Betreuungsplätze auf rund 230.000 bis zum Jahr 2010 ansteigen.

Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) bestehen Möglichkeiten bei der Förderung der Erziehung in der Familie, der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege sowie zur Hilfe bei der Erziehung. Wie bei anderen Eltern hängt die Höhe des Elternbeitrages zur Finanzierung der Kinderbetreuung von den finanziellen Verhältnissen der Familie ab. Das Jugendamt kann die Kosten für die Kinderbetreuung ganz oder teilweise übernehmen, wenn diese den Eltern nicht zuzumuten sind.

Einen spezifischen Bedarf, der durch die Behinderung von Eltern entsteht, kann die Kinder- und Jugendhilfe zwar nicht ausgleichen, da diese Aufgabe der Eingliederungshilfe vorbehalten ist. Aber diesen Eltern und ihren Kindern stehen im Übrigen sämtliche Leistungen des SGB VIII zur Verfügung. Von besonderer Bedeutung dürfte in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit sein, in Notsituationen eine Haushaltshilfe für einen begrenzten Zeitraum zur Betreuung und Versorgung von Kindern einzusetzen (§ 20 SGB VIII).

Speziell für Menschen mit Behinderung haben wir den Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz verankert. Daneben gibt es weitere rechtliche Grundlagen, um Müttern und Vätern mit Behinderung bei der Wahrnehmung ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgaben zu unterstützen:

- Eltern-Kind-Kuren nach § 41 SGB V werden von den Krankenkassen voll finanziert.

- § 17 Abs. 2 SGB I beinhaltet den Rechtsanspruch bei "Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen" einschließlich einer kostenlosen Gebärdendolmetschung für den Leistungsberechtigten.

- Nach § 198 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit § 38 Abs. 3f. haben krankenversicherte Frauen "Anspruch auf häusliche Pflege, wenn diese wegen Schwangerschaft oder Entbindung erforderlich ist soweit eine im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann".

- In der Begründung des Gesetzgebers zu § 31 SGB IX gehören zu den Hilfsmitteln auch solche, die zur Wahrnehmung von Aufgaben der Familienarbeit notwendig sind.

Einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben diese Beispiele nicht. Sie dienen dennoch als Beispiel für die Vielzahl von Hilfen, die Müttern und Vätern mit Behinderung zustehen. Bei der Gleichstellung behinderter Menschen werden wir den begonnenen Weg weiter beschreiten. Dazu haben wir mit dem Eckpunktepapier zur Fortentwicklung des SGB IX folgenden Punkt beschlossen:

"Im Rahmen ihrer Zuständigkeit müssen die unterschiedlichen Träger in Zukunft stärker die besonderen Bedürfnisse behinderter Eltern auch außerhalb des Arbeitslebens bei ihrem Recht auf Teilhabe und für die Ausübung ihres Rechts auf Elternschaft berücksichtigen. Sobald mehrere Träger zuständig sind, ist die Leistung als Komplexleistung zu gestalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch unabhängig von der Berufstätigkeit bei behinderten Eltern Hilfen zur Mobilität zu fördern sind, hörbehinderte Eltern Verständigungshilfen für Elternsprechtage benötigen, barrierefreie Kindermöbel erforderlich sind oder die Elternschaft nur mit Assistenz oder Anleitung wahrgenommen werden kann."

Wir haben bisher schon verschiedene Initiativen ergriffen, um Frauen mit Behinderung zu mehr Beschäftigung zu verhelfen. An dieser Stelle sei nur an folgende erinnert:

- Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Frauen und Männer 2000.

- Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29. September 2000 ist es gelungen, die Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen innerhalb von drei Jahren um 24 Prozent zu senken.

- Änderung der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung 2004.

- Die Bundesregierung hat mit Zustimmung des Bundesrates die Dritte Verordnung zur Änderung der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung erlassen. Damit ist zum 1. Januar 2004 die Förderung von Integrationsprojekten, Werkstätten und Wohnstätten für behinderte Menschen bei den Ländern gebündelt worden. Ab dem Jahr 2005 wird der Ausgleichsfonds 30 v. H. des Aufkommens an Ausgleichsabgabe erhalten. Die Bundesagentur für Arbeit wird zur besonderen Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben aus dem Ausgleichsfonds 26 v.H. des Aufkommens an Ausgleichsabgabe erhalten. 70 v.H. des Aufkommens an Ausgleichsabgabe werden bei den Integrationsämtern der Länder verbleiben für Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben und für Projektförderung.

- Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen 2004.

- Ein wichtiger Schwerpunkt des Gesetzes ist die Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten. So sieht das Gesetz vor, betriebliche und überbetriebliche Ausbildung besser miteinander zu verzahnen: Möglichst viele Jugendliche, die sich in überbetrieblicher Ausbildung befinden - zum Beispiel in einem Berufsbildungswerk - sollen in Zukunft Teile ihrer Ausbildung im Betrieb absolvieren.

Der Vermittlungsausschuss hat sich zur Verbesserung der Ausbildungssituation in den Betrieben außerdem darauf geeinigt, dass die Arbeitgeber mit dem Betriebs- bzw. Personalrat und der Schwerbehindertenvertretung über die Fragen der Besetzung von Ausbildungsstellen mit schwerbehinderten jungen Menschen beraten müssen.

Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzes sind Maßnahmen zur Beseitigung von Einstellungshemmnissen und zur Sicherung von Beschäftigung. Zu Verbesserungen kommt es auch bei der Arbeit der Schwerbehindertenvertretungen. Im Vermittlungsausschuss wurde erreicht, dass es keine „Lex-Lufthansa“ geben wird, also keine Ausnahmen von der Beschäftigungspflicht und der Zahlung der Ausgleichsabgabe für Luftfahrtunternehmen.

- Initiative "job - Jobs ohne Barrieren" Zusammen mit seinen Partnern (hier: Arbeitgeber, Gewerkschaften, Behindertenverbände und -organisationen, Bundesagentur für Arbeit, Integrationsämter, Rehabilitationsträger sowie Rehabilitationsdienste und -einrichtungen, Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen und weitere Organisationen) führt das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung die Initiative "job - Jobs ohne Barrieren" durch. Mit der Initiative „job - Jobs ohne Barrieren“ soll auch in wirtschaftlich und konjunkturell schwierigen Zeiten erreicht werden, dass behinderte und schwerbehinderte Menschen die Chance auf Teilhabe am Arbeitsleben besser realisieren können.

Gerade mit der Job-Initiative „job - Jobs ohne Barrieren“ versuchen wir auch außerhalb des öffentlichen Dienstes für die vermehrte Einstellung schwerbehinderter Frauen zu sorgen. Beim Bund konnte im Jahr 2003 der Beschäftigungsanteil schwerbehinderter Frauen um 4,1 Prozentpunkte gesteigert und auf 35,1 Prozent erhöht werden. Der Anteil an Neueinstellungen schwerbehinderter Beschäftigter beträgt 44,3 Prozent.

An den von uns verantworteten Stellen sind wir engagiert und würden uns freuen, wenn alle Arbeitgeber und auch alle sozialstaatlichen Akteure auf Landesebene und kommunaler Ebene ebenso initiativ wären. Als Perspektive haben wir mit dem Eckpunktepapier zur Fortentwicklung des SGB IX Folgendes beschlossen: "Die besondere Berücksichtigung der Bedürfnisse behinderter Frauen soll unter anderem durch eine stärkere Beschäftigung behinderter Frauen bei Leistungserbringern z.B. in der Beratung erreicht werden. Hierzu müssen die Leistungsträger entsprechende Bestimmungen in den Leistungsvereinbarungen oder vergleichbaren Regelungen umsetzen (§ 21 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX). Ihre berufliche Teilhabe soll über die Einbeziehung der Frauenförderinstrumentarien in die Integrationsvereinbarungen für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder sichergestellt werden. Die Chancengleichheit behinderter Frauen bei privaten Arbeitgebern soll über die spezifische Teilhabeleistungen nach § 33 Abs. 2 SGB IX hergestellt werden, die insbesondere berufsbegleitend durchgeführt werden und Hilfen zum beruflichen Aufstieg einbeziehen soll."

In den letzten beiden Legislaturperioden haben wir behinderte Frauen und Männer verstärkt in politische Prozesse einbezogen. Wir haben mit dem SGB IX, im Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und dem Gemeinsamen Bundesausschuss (nach SGB V) die institutionellen Voraussetzungen geschaffen.

Dazu haben wir mit dem Eckpunktepapier zur Fortentwicklung des SGB IX folgenden Punkt beschlossen: "Um die im SGB IX und BGG vorgesehene Beteiligung behinderter Menschen durch ihre Vertretungen (Behindertenbeauftragte, Behindertenbeiräte, Behindertenverbände, Deutscher Behindertenrat) besser zu ermöglichen, sollen Kompetenzzentren eingerichtet werden, die die Forschung und Lehre im Sinne der Barrierefreiheit und Teilhabe verbessern, notwendige Expertisen erstellen, sowie Ausbildung und Schulung der zu Beteiligenden und der Zielvereinbarungspartner vornehmen können. Dazu sollen unter Mitwirkung von Behindertenverbänden in Kooperation mit Hochschulen, Fachvereinigungen oder Projekten Kompetenzzentren zu den verschiedenen Bereichen der Beteiligung (z.B. Gesundheit, barrierefreies Bauen und Verkehr sowie Kommunikation, persönliche Assistenz und rechtliche Fragen im Hinblick auf Zielvereinbarungen) gebildet werden."

Mit freundlichen Grüßen
Christoph Strässer