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Christel Happach-Kasan
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Frage von Alice H. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Alice H. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,

mit großem Interesse habe ich heute die Fütterungsstudie (Kühe und MON 810) gelesen und Frage mich nach der Durchsicht Ihrer Pressemitteilung, ob Sie das ähnlich kritisch und gründlich getan haben.

Ich möchte Sie gern als kritische Beobachterin der Gentechnik auf zwei Apekte zum Studiendesign hinweisen, die Sie bei beachten sollten.
1. S. 3 in der Presseversion: in beiden testgruppen schieden jewiels 9 Tiere vorzeitig aus - wegen Krankheit bzw. Unfruchtbarkeit. Das sollte hinterfragt werden, denn schließlich geht es doch um gesundheitliche Auswirkungen der Fütterung von MON 810. Dazu: ZEitpunkt des Ausscheidens, genauer Grund, Einbeziehen der erhobenen Daten.

2. S. 6/ Tabelle 6 in der Presseversion: In dem Futtergemisch wurden 40 % Mais verwendet, aus der Tabelle ist zu entnehmen, dass von diesen 40% nur 41% MON 810 verfüttert wurden. Warum wurden nicht 100% des Maisanteils mit MON 810 abgedeckt?

3. In einer anderen Studie (Biological effects of transgenic maize
NK603xMON810 fed in long term reproduction studies in mice) an Mäusen traten organische Schäden und Unfruchtbarkeit erst in den Folgegenerationen auf. Wird die bayrische Studie weitergeführt? Wie werden die möglichen Langzeitschäden für die nächste(n) Generationen evaluiert?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Heine,

mir liegt zur Fütterungsstudie der TU München die Präsentation der Ergebnisse im Bayrischen Landtag vor (1). Ich habe sie sehr aufmerksam gelesen, bin mir aber bewusst, dass dies keine detaillierte Veröffentlichung ist. Der Landtag als Auftraggeber für die Studie hat mit der Präsentation die erste Information über die Studie erhalten. Eine detaillierte Veröffentlichung des Fütterungsversuchs soll demnächst erscheinen. Ich erwarte sie mit Spannung. Außerdem werden die Ergebnisse in einem Symposium dargestellt werden.

Gerne beantworte ich Ihre Fragen:

1. Die TU München hat die Fütterungsstudie weitgehend unter Praxisbedingungen durchgeführt. Sie dauerte 25 Monate und damit deutlich länger als Vorgängerstudien, die über 21 - 91 Tage währten.

Milchkühe sind Hochleistungstiere. Erkrankungen des Euters (die Tiere werden zwei- oder dreimal pro Tag gemolken) oder der Klauen sind in Milchviehbetrieben häufig. Außerdem werden Tiere, die sich als unfruchtbar erweisen, ausgewechselt. Der Anteil der Tiere, die aus Krankheitsgründen oder weil sie unfruchtbar sind, ausgewechselt werden, wird als Remontierungsrate bezeichnet. Diese beträgt in Durchschnittsbetrieben in der Regel mehr als 30% der Tiere pro Jahr. In beiden Fütterungsgruppen wurden innerhalb der Versuchsdauer von zwei Jahren jeweils 9 der 18 Kühe auf Grund von Erkrankungen oder wegen Unfruchtbarkeit durch Jungkühe ersetzt. Bezogen auf ein Jahr entspricht dies einer Remontierungsrate von 24%. Die Remontierungsrate war damit in beiden Versuchsgruppen geringer als in normalen Milchviehbetrieben.

Dies zeugt von einer vorbildlichen Haltung der Tiere, Unterschiede zwischen den beiden Fütterungsgruppen traten nicht auf. In dem Artikel "Wirtschaftlichkeit einer langen Nutzungsdauer" von Dr. Ralf Over finden sie nähere Angaben, woran Milchkühe erkranken (2).

2. Es wurden 100% des Maisfutters in der Versuchsgruppe durch MON810 abgedeckt. Dies geht eindeutig aus dem Text hervor.

Ziel des Fütterungsversuchs war es, herauszufinden, ob die Fütterung mit Bt-Mais die Gesundheit der Tiere, die Fruchtbarkeit und ihre Leistung sowie die Milchqualität und die Milchinhaltsstoffe beeinflusst. Deshalb wurde eine maximal mögliche "Maisdiät" zusammengestellt. Die eine Versuchsgruppe erhielt ausschließlich Futter hergestellt aus Bt-Mais der Sorte MON810, beim Futter der Vergleichsgruppe wurde der Mais der Sorte MON810 durch Mais der isogenen Sorte ersetzt. Im Text der Präsentation heißt es dazu auf S. 4: "Die eingesetzten Maisprodukte unterschieden sich nur in Bt-Protein und der Bt-DNA." Zusätzlich wird auf Seite 6 ausgeführt, dass die transgen gefütterte Gruppe "nur gentechnisch veränderten Mais" der Sorte MON 810 erhielt. Der Mais stammte aus den Erntejahren 2004, 2005, 2006. Es gibt verschiedene Methoden der Konservierung von Mais. Eine Möglichkeit ist die Maissilage, gehäckselter und vergorener Mais, ein Verfahren, das mit der Sauerkrautherstellung vergleichbar ist. Dabei werden das Bt-Eiweiß und die DNS weitgehend abgebaut. Auch wenn die meisten Milchviehbetriebe überwiegend Maissilage füttern, wurden außerdem Maiskobs (getrockneter Mais) gefüttert, in dem das Bt-Eiweiß zumindest teilweise erhalten bleibt. Das Ausgleichskraftfutter enthielt 41% MON810, so die Angabe in der Übersicht 6 auf Seite 6. Die übrigen 59% bestanden aus anderen Eiweißträgern wie zum Beispiel Rapskuchen. Täglich wurden von der mit transgenem Mais gefütterten Gruppe etwa 5,3 mg Bt-Protein aufgenommen. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass weder die Gesundheit der Tiere noch die Qualität der Milch sich in den beiden Fütterungsgruppen unterschied.

3. Der von Ihnen genannte Mehrgenerationenversuch an Mäusen (3) ist mit dem Fütterungsversuch in Bayern nicht unmittelbar vergleichbar. Der verfütterte transgene Mais, eine Kreuzung von NK603 mit MON810, ist insektenresistent auf der Grundlage eines Bt-Proteins und zusätzlich herbizidresistent. Es ist daher auf Grund der Konzeption des Versuchs offen, wodurch die gefundenen Unterschiede verursacht wurden. Das gilt auch für das Ergebnis, dass die Überlebensrate der mit gentechnisch verändertem Mais gefütterten Tiere mit 17 Monaten etwas höher war als die der beiden Vergleichsgruppen, die 15,7 Monate und 16,3 Monate betrug (S. 72). Die allgemeine Todesursache war eine Krebserkrankung, die auf eine genetische Disposition der Versuchsmäuse zurückzuführen war.

Die EFSA hat unter Punkt 13 auf einer Sitzung in Parma, Italien am 3. und 4. Dezember des letzten Jahres die Bewertung abgegeben: "Auf der Basis der präsentierten Daten ist das GMO Panel der Meinung, dass aus dem Bericht keine Folgerungen gezogen werden können." (4)

Hintergrund für diese Bewertung ist die Tabelle 59 auf Seite 77 in dem vom Gesundheitsministerium herausgegebenen Forschungsbericht. Kritisiert wird, dass die Anzahl der Nachkommen pro Paar und nicht pro tragendem Paar gezählt wurde, wie es international üblich ist. Es fällt in der Tabelle auf, dass in der GM-Gruppe von Anfang an ein Paar dabei war, das keine Nachkommen hatte. Dadurch wird das Ergebnis beeinflusst.

Mir ist weiter aufgefallen, dass bei allen Versuchsansätzen, die Menge des von den Tieren aufgenommenen Futters sich von Generation zu Generation verringerte. Das darf nach meiner Auffassung nicht sein. Möglicherweise waren die Versuchsbedingungen oder die Futterzusammensetzung nicht optimal. In den Tabellen 23 und 24 (Ernte 2005) fällt auf, dass in dem GM-Futter die Belastung mit Deoxynivalenol (DON), einem Pilzgift, das von Schimmelpilzen der Gattung Fusarium gebildet wird, mit 180 µg und 230 µg/kg signifikant höher war als in den beiden Vergleichsgruppen, die beide nur mit 50 µg/kg belastet waren. Für Kindernahrung liegt der Grenzwert für Deoxynivalenol bei 100 µg/kg. Da die Mäuse das mit DON belastete Futter während ihres gesamten Lebens gefressen haben, ist eine negative Wirkung auf Gesundheit und Fortpflanzung der Mäuse nicht auszuschließen. Es ist bekannt, dass Pilzgifte die Fruchtbarkeit bei Mensch und Tier beeinträchtigen. In der Ernte 2007 hatte das Futter mit gentechnisch verändertem Mais sogar einen Gehalt von 420 µg gegenüber einem Gehalt von 250 µg der Kontrollgruppe.

Es erstaunt, dass das Futter auf der Grundlage von Bt-Mais so stark mit Schimmelpilzgiften kontaminiert war. In der Regel enthält Bt-Mais weniger Schimmelpilzgifte als herkömmlich gezüchteter Mais. Die Ursache liegt darin, dass bei Bt-Mais das Risiko einer Sekundärinfektion durch Schimmelpilze geringer ist als bei herkömmlich gezüchtetem Mais. Die Fraßlöcher der Maiszünslerraupen, die in den Befallsgebieten des Maiszünslers durch Raupenfraß entstehen, dienen als Eintrittspforten für Schimmelpilze. Bt-Mais hat aufgrund seiner Resistenz keine solchen Eintrittspforten. Man kann vermuten, dass die Belastung mit Schimmelpilzen durch eine fehlerhafte Lagerung verursacht wurde.

Insgesamt wirft der österreichische Versuch eine Menge Fragen auf, aber er beantwortet keine einzige. Die Verwendung von Futter mit gentechnisch verändertem Mais ist eher ein Nebenaspekt.

Warum wurde der Versuch mit Mäusen durchgeführt, die eine Disposition für eine Krebserkrankung besaßen? Warum wurden Paare im Versuch belassen, die unfruchtbar waren? Warum wurden Versuchsbedingungen gewählt, die erkennbar nicht optimal für die Tiere waren, denn deren Futteraufnahme verringerte sich von Generation zu Generation? Warum wurde Futter mit erhöhtem Gehalt an Pilzgiften verwendet? Es ist bekannt, dass die Belastung von Tierfutter mit Pilzgiften Störungen der Fruchtbarkeit zur Folge hat.

Ich gehe davon aus, dass die bayrische Fütterungsstudie nicht fortgeführt wird.

Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass die Fütterung von Milchkühen mit Bt-Mais die Gesundheit der Tiere oder die Qualität der Milch beeinträchtigt. Weder Fütterungsstudien noch empirische Erfahrungen von Landwirten, die ihre Tiere (Rinder oder Schweine) mit Bt-Mais gefüttert haben, geben Anhaltspunkte dafür, dass Gesundheit oder Fruchtbarkeit der Tiere beeinträchtigt wird. Daher ist es nicht zu rechtfertigen, Steuergelder für weitere Versuche auszugeben. Im Übrigen ist zu erwarten, dass der Anbau von Bt-Mais in den Befallsgebieten des Maiszünslers durch seinen geringeren Gehalt an Pilzgiften die Qualität des Futters verbessert.

Weltweit werden inzwischen auf 35 Millionen Hektar verschiedene Sorten von Bt-Mais angebaut. Ich bin sicher, dass Landwirte nur Maissorten anbauen und verfüttern, die der Gesundheit ihrer Tiere zuträglich ist. Der Erfolg der Bt-Mais-Sorten (beispielsweise in den USA) liegt in der Minderung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes gegen den Maiszünsler und den Maiswurzelbohrer und der dadurch in den Befallsregionen erzielten besseren Wertschöpfung pro Hektar. Der Maiszünsler kommt auch in Deutschland vor und hat in 2006 Schäden in Höhe von 11 Mio. € verursacht. Im Oderbruch liegt in einigen östlichen Landkreisen die Befallsrate zwischen 60% und 80%. Bayrische Studien haben ergeben, dass die Bekämpfung des Maiszünslers durch den Anbau von Bt-Mais naturverträglicher ist als die Bekämpfung des Schadinsekts mit chemischen Pflanzenschutzmitteln. Der Maiswurzelbohrer breitet sich von Süden in Deutschland aus. Sorten, die gegen den Maiswurzelbohrer resistent sind, sind in der EU jedoch nicht zugelassen.

Selbst wenn es eine politische Entscheidung zur Fortsetzung des bayrischen Fütterungsversuchs gäbe, wäre es schwer in Deutschland das für die Versuchsdurchführung benötigte Futter in der für den Versuch erforderlichen Qualität zu erhalten. Der österreichische Versuch zeigt, welche Bedeutung die Futterqualität für die Versuchsdurchführung und eine korrekte Bewertung der Ergebnisse hat. Außerdem sind in Deutschland gerade auch Versuchsflächen von Zerstörungen durch kriminelle Gentechnikgegner betroffen. Für Forschungseinrichtungen wie auch Unternehmen bedeutet die Durchführung von Freisetzungsversuchen in Deutschland ein sehr hohes finanzielles Risiko.

Ich bin sehr betroffen, dass in Deutschland, einem herausragenden Wissenschaftsstandort, ein derartiges Klima der Intoleranz gegenüber einer Züchtungsmethode herrscht, die im Bereich der Produktion von Arzneimitteln, Vitaminen, Enzymen, Aminosäuren aus unserem Leben nicht mehr fortzudenken ist. Entwicklungsländer fordern eine zweite Grüne Revolution, um den Folgen von Wüstenbildung und Klimawandel zu begegnen. Mit dem Goldenen Reis wurde eine Sorte gezüchtet, die erheblich zur Verbesserung der Ernährungssituation der ärmsten Menschen der Erde beitragen könnte, die jedoch durch bürokratische Verfahren aufgehalten wird. Es ist unverantwortlich, in welcher Weise das reiche und satte Europa mit seiner völlig irrationalen Ächtung einer Züchtungsmethode, die sich weltweit bewährt, den armen Ländern der Erde die Sicherung der Ernährung ihrer Bevölkerung erschwert.

Die FDP-Bundestagsfraktion nimmt die Belastung von Nahrungs- und Futtermitteln mit Pilzgiften sehr ernst und hat deshalb die Kleine Anfrage "Fortschritte bei der Verminderung von Mykotoxinbelastungen von Lebens- und Futtermitteln" auf den Weg gebracht (5).

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan

Quellen:
(1) http://www.transgen.de/pdf/dokumente/fuetterungsstudie_bayern03-09.pdf
(2) http://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/show/1193010_l1/Was%20bringt%20eine%20lange%20Nutzungsdauer%203.4.06.pdf
(3) http://bmgfj.cms.apa.at/cms/site/standard.html?channel=CH0810&doc=CMS1226492832306 - derzeit ist die vollständige Studie offenbar online nicht verfügbar (Stand: 06.04.2009).
(4) http://www.efsa.europa.eu/cs/BlobServer/Event_Meeting/gmo_minutes_46th_plenmeet_en,0.pdf
(5) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/124/1612496.pdf