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Christel Happach-Kasan
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Frage von York H. •

Frage an Christel Happach-Kasan von York H. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Dr. Happach-Kasan,

direkt neben dem Umweltschutzgebiet "Billetal", in direkter Nachbarschaft zu meinem Wohnort Kuddewörde und dem Sitz meiner Firma in Grande wurde ein "Planfeststellungsverfahren" für den Abbau von Quarzsand (Stichwort Kiesabbau) begonnen. Die Widerspruchsfrist ist seit Anfang August abgelaufen. Selbstverständlich habe ich diese Möglichkeit doppelt wahrgenommen und ich hoffe, dass es viele betroffene Mitbürger (in Grande und Kuddewörde alleine ca. 2.000) es ebenso getan haben. Zumindest tuen wir auf Bürgerebene alles Mögliche, um uns gegen den schwerwiegenden Eingriff an der Natur und unserem Lebensraum zu wehren.

Da es sich aber um nationales Bergbaurecht handelt, weil der Sand einen hohen Quarzanteil hat, brauchen wir dringend nationale Unterstützung. Hier meine Fragen und Bitten an Sie:

1. Ist der Abbau von Quarzsand wirklich von so großer Bedeutung für Deutschland, dass es ethisch vertretbar ist, zugunsten eines Unternehmens, ein Naturschutzgebiet zu gefährden und das Eigentum und den Lebensraum von 2.000 direkt Betroffenen zu schädigen?
2. Ist das Bergbaurecht modifizierbar und wenn ja, wie lange dauert es?
3. Was können Sie und Ihre KollegInnen in Berlin gezielt für uns tun?

Ich danke Ihnen im voraus für Ihr Engagement und freue mich auf Ihre Antworten.

Mit bestem Gruß
York P. Herpers

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Herpers,

vielen Dank für Ihre Fragen zum geplanten Quarzsandabbau in Grande / Amt Trittau.

Die Kieswerk Grande Koops GmbH & Co KG hat beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld den Antrag auf Errichtung eines Quarzsandtagebaus auf einer Fläche von 80,2 Hektar gestellt.

Die meisten Quarzsande sind Bausande und Kiese die im Straßenbau und Hochbau verwendet werden. Hochreiner Quarzsand ist dagegen ein sehr wertvoller Rohstoff. Sein Abbau erfolgt entsprechend den Regelungen des Bundesberggesetzes. Der Gehalt des Quarzsandes von über 80% auf der Fläche in Grande ermöglicht die Antragstellung nach Bundesbergbaurecht.

Hochreiner Quarzsand ist für die Glasindustrie der wichtigste Grundrohstoff. Darüber hinaus gibt es weitere vielfältige Verwendungszwecke für hochreine Quarzsande, z. B. in Metallgießereien. Die Bundesregierung hat mir auf meine Anfrage hin mitgeteilt, dass es in Deutschland nur etwa 10 Abbaugruben gibt, deren hochreine Quarzsande für die industrielle Verwertung geeignet sind. Der nördlichste Standort liegt in Niedersachsen. Die Quarzschmelze in Geesthacht bezieht beispielsweise ihre Rohstoffe aus Übersee.

Der Preis für industriell verwertbare hochreine Quarzsande liegt aktuell bei etwa 40-50 € pro Tonne, während der Preis für herkömmlichen Bausand oder -kies bei nur etwa 5 € pro Tonne liegt. Grund für diesen Preisunterschied ist nicht nur die Seltenheit der hochreinen Quarzsandvorkommen sondern auch die aufwändigen Aufbereitungsverfahren, die den natürlichen Rohstoff für die industrielle Verwertung aufbereiten. In vielen „normalen“ Bausand- und Kiesgruben in Deutschland lassen sich kleinere Bereiche oder Schichten mit vergleichsweise reinem Quarzsand finden. Solche kleinen Quarzsandvorkommen sind jedoch nicht abbauwürdig, da die industrielle Verwertung der Sande einen hohen maschinellen Aufwand bedingt (Reinigung, Filterung, chemische Aufbereitung etc.), der nur bei großen Vorkommen wirtschaftlich sinnvoll ist.

Ich habe bisher erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller auf der Fläche in Grande tatsächlich hochwertige Quarzsande abbauen und für die industrielle Nutzung aufbereiten will. Vor mehr als 10 Jahren ist der Antrag, auf dieser Fläche eine Nassauskiesung vorzunehmen, abgelehnt worden. Es entsteht der Eindruck, dass diesmal eine Antragstellung gemäß Bundesbergbaurecht vorgenommen wurde, um ein nochmaliges Scheitern zu vermeiden. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass Quarzsande, die vor 10 Jahre mit einer Nassauskiesung für den Straßenbau gewonnen werden sollten, heute auf einmal hochwertige Quarzsande sind, die nach Aufbereitung für industrielle Zwecke genutzt werden können.

Nach meinem Eindruck nutzt der Antragsteller die Tatsache, dass sich dort Quarzsande mit einem Gehalt von mehr als 80% Quarz befinden, um das Antragsverfahren nach dem Bundesbergrecht durchzuführen. Ein konkretes Bestreben, hochreine Quarzsande für die industrielle Verwendung zu produzieren ist gleichwohl nicht zu erkennen.

Bislang liegen meinem Wissen nach keine Angaben des Antragstellers über den tatsächlichen Verwendungszweck der abzubauenden Sande vor. Die Vorgabe von Kiesgrubenbetreibern, hochwertige Sande oder Kiese abbauen zu wollen, um verwaltungsrechtlich nach Bergrecht beurteilt zu werden, ist nichts Neues. In Rheinland Pfalz hat beispielsweise eine Kiesabbaufirma bereits im Jahr 2001 die Genehmigung zum Quarzsandabbau nach Bergrecht erhalten, weil sie offiziell das im Sand enthaltene Feingold als Grund für den Abbau deklariert hatte.

Für mich ist wichtig, dass die Rechte der Anwohner nicht durch solche verwaltungsrechtlichen Tricks ausgehebelt werden.

Ich habe mich bereits im Juni mit einem Schreiben an die schleswig-holsteinische Landesregierung gewandt und meine Kritikpunkte dargelegt. Außerdem habe ich der Bundesregierung zwei Fragen zum Quarzabbau gestellt. Die Ergebnisse wurden auf einer Pressekonferenz in Grande gemeinsam mit den Bürgermeistern der beiden beteiligten Gemeinden, Herrn Heinz Hoch und Herrn Hans-Joachim Conrad vorgestellt.
( http://www.happach-kasan.de/?seite=news&katid=7&newsid=1289 )

Es ist in meinen Augen nicht klar, ob tatsächlich die Eigentümer der Flächen bereit sind, ihre Flächen für den Abbau zur Verfügung zu stellen. Das ist auch davon abhängig, welchen Erlös sie aus dem Verkauf der Flächen erzielen. Da macht es einen Unterschied, ob Quarzsand für die industrielle Verwertung gewonnen wird, oder Kies für den Straßenbau.

Großflächiger Kiesabbau erfordert ein Verkehrskonzept. Die Belastung der Straßen ist hoch. Daher ist ein Transport von Kiesen mit dem Binnenschiff erstrebenswert. Diese Möglichkeit gibt es bei der Fläche in Grande nicht.

Die Fläche für den Quarzsandtagebau liegt in unmittelbarer Nähe des FFH-Gebiets Bille. „Das Blaue Metropolnetz“ ist Leitprojekt der Metropolregion Hamburg und arbeitet an der Entwicklung eines ökologisch durchgängigen Gewässernetzes. Leittierart ist der Fischotter, der an der östlich gelegenen Delvenau sicher nachgewiesen wurde. Wieweit dieses Projekt durch den Kiesabbau gefährdet wird, ist nicht geklärt.

Die Region von Grande/Kuddewörde gehört zum Naherholungsraum der Hansestadt Hamburg. Kiesabbau stellt eine erhebliche Beeinträchtigung für die Naheerholung dar.

Nach meiner Auffassung gibt es überwiegende öffentliche Interessen, die der Einrichtung eines Quarzsandtagebaus in Grande entgegenstehen (Bundesbergbaugesetz § 11, Nummer 10).Eine Änderung des Bergbaugesetzes ist kein geeigneter Weg, dieses Vorhaben zu verhindern. Es ist nicht sehr glaubwürdig, wenn eine Initiative zur Änderung des Bergbaurechts aus Schleswig-Holstein kommt, das kein klassisches Bergbauland ist. Die Änderung des Bergbaurechts setzt das Einvernehmen anderer Länder wie z. B. Nordrhein-Westfalen voraus, deren Wirtschaft ein existentielles Interesse an der Ausgestaltung des Bergbaurechts hat. Wir wären auch nicht begeistert, wenn Bayern oder Baden-Württemberg die Gesetzgebung zum Küstenschutz ändern wollte.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan