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Carmen Wegge
SPD
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Frage von Marco B. •

Wie stehen Sie zu den laufenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU?

Warum verhandelt Ihre Partei eigentlich noch mit der Union? Die Ampel hat in 3 Jahren mehr für die Menschen getan, als die CDU in nahezu 70 Jahren. Leider haben wir in Deutschland aber anscheinend eine recht einseitige Berichterstattung und ich befürchten dass die SPD in der öffentlichen Wahrnehmung weiterhin der Prügelknabe bleiben wird und die rechten Parteien somit noch stärker werden als sie ohnehin schon sind. Allein die Tatsache, dass die Union mit der Rücknahme des CanG mehrere Millionen Menschen kriminalisieren möchte, zeugt doch ganz klar von antidemokratischen Tendenzen und sollte als Zeichen verstanden werden, dass man die Verhandlungen jetzt besser abbrechen sollte. Was Ihre Partei betreibt ist Selbstaufgabe, was Ihnen aber am Ende niemand danken wird - im Gegenteil, man wird Ihrer Partei nach wie vor alles böse auslegen und versuchen die Union irgendwie "hochschreiben". Denken Sie nicht auch, dass es besser wäre die Union sich selber zu überlassen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich kann Ihre Bedenken gut nachvollziehen, bin aber der Überzeugung, dass wir in einer schwierigen Situation einen dem Wahlergebnis entsprechend guten Koalitionsvertrag vereinbaren konnten und keinen Schritt zurück, sondern in einigen Bereichen sogar einen Schritt nach vorne machen können.

Wir haben bei der Bundestagswahl eine Mehrheit links der Mitte, auf die wir hingearbeitet haben, klar verfehlt. Mit dem Wahlergebnis sind außer einem Bündnis zwischen SPD und Union nur Minderheitsregierungen möglich oder aber eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD. Letzteres galt es unbedingt zu verhindern, und dass eine Minderheitsregierung in der aktuellen Zeit stabil genug sein kann und eine Beteiligung der AfD klar ausschließt, ist zweifelhaft.

Grundsätzlich ist eine Koalition mit der Union nicht das, wofür ich und auch die SPD angetreten sind. Die Schnittmengen mit CDU und CSU sind wesentlich kleiner als mit anderen progressiven Parteien und Kompromisse deshalb notwendig und teilweise schmerzhaft. In harten Verhandlungen konnten wir viele Vorhaben der Union, die unser Land zurückgeworfen hätten, verhindern: Die von Ihnen angesprochene Rückkehr zur Kriminalisierung von Cannabis, der Wiedereinstieg in die Atomkraft, das Abrücken vom Klimaschutz, die Abkehr von der Krankenhausreform oder eine noch restriktivere Asylpolitik inklusive Abschaffung des Individualrechts auf Asyl – all das wird es mit uns nicht geben und all das konnten wir verhindern.

In einigen Bereichen konnten wir einen großen Schritt nach vorne vereinbaren: Mit der Beschleunigung des Wohnungsbaus, der Verlängerung der Mietpreisbremse und mehr Geldern für die Schaffung von sozialem Wohnraum haben wir im Bereich Bauen und Wohnen eine gute Grundlage verhandelt. Auch die Verlängerung des Deutschlandtickets, der Industriestrompreis und die Senkung des Strompreises werden unmittelbare Verbesserungen erzeugen. Mit dem Bekenntnis zum Kampf gegen Gewalt an Frauen, der Übernahme von Schwangerschaftsabbrüchen über die Krankenkassen und Mutterschutz für Selbstständige trägt der Vertrag auch eine feministische Handschrift.

Nichtsdestotrotz bleiben auch Bereiche, mit denen ich nicht zufrieden bin: In der Migrationspolitik ist der Kompromiss immer noch zu repressiv, und auch im Bereich Arbeit und Soziales sind Maßnahmen festgehalten, deren Umsetzung ich nicht unterstütze. Als Abgeordnete werde ich bei diesen Themenbereichen kritisch bleiben und gemeinsam mit meinen Kolleg*innen die Umsetzung mitgestalten, um das Bestmögliche zu erreichen.

Zusätzlich bleibt natürlich noch das, was wir als SPD gefordert haben, aber nicht im Vertrag steht – zahlreiche Maßnahmen, die Deutschland gerechter gemacht hätten, können wir mit der Union nicht umsetzen. Dass wir jetzt mit der Union gemeinsam regieren, bedeutet aber nicht, dass wir diese Vorhaben aufgeben, sondern nur, dass wir sie mit den aktuellen Mehrheiten nicht umsetzen können. Ich werde dennoch weiter für progressive Mehrheiten streiten, dafür kämpfen, dass Deutschland gerechter wird, und weiter mutig sein!

Mit freundlichen Grüßen

Carmen Wegge

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