Cansel Kiziltepe
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Frage von Helga R. •

Frage an Cansel Kiziltepe von Helga R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kiziltepe,

meine Frage zum Thema TTIP, CETA und TISA stelle ich unter dem Thema Demokratie und Bürgerrechte. Obwohl es sich natürlich um ein Abkommen über Wirtschaftsfragen handelt, stellt dieses Abkommen eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Demokratie als solche dar.

Die Verankerung des ISDS Mechanismus würde zukünftige Regulierungen in fast allen Bereichen unmöglich oder zumindest sehr teuer machen. Einen Vorgeschmack gibt die 3,7 Milliarden Euro Klage von Vattenfall wegen Atomausstieg und Energiewende.

Es hat mich gefreut zu lesen, dass die Berliner SPD und das Forum DL21 dem Abkommen skeptisch gegenüberstehen. Übrigens hat sogar der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft ISDS im TTIP Abkommen im Rahmen des Konsultationverfahrens der EU Kommission abgelehnt. Die Position der Bundesregierung scheint sich in diesem Punkt auch zu bewegen. Aber das Abkommen als ganzes wird unter kräftiger Beteiligung der SPD immer noch positiv bewertet.

Jetzt endlich zu meinen Fragen:

Was werden Sie persönlich und das Forum21 tun, ob dieses Abkommen zu stoppen?

Welche Einflussmöglichkeiten auf das Abstimmungverhalten der Sozialdemoraten im EP haben Sie?

Würden Sie persönlich eher die Große Koalition platzen lassen oder ein derart gefährliches Abkommen durchwinken?

Wie stehen Sie in Zusammenhang mit TTIP, CETA, TISA zur Anwendbarkeit von Artikel 20 Abs. 4 unserer Verfassung: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ ?

Vielen Dank und freundliche Grüße,
Helga Reimund

Cansel Kiziltepe
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Reimund,

zunächst möchte ich mich entschuldigen, dass die Antwort auf Ihre Fragen erst verspätet kommt.
Folgende Positionen habe ich zu den von Ihnen angeschnittenen Themenfeldern:

Zu Frage 1 (Was werde ich gegen das Abkommen machen):
Zunächst möchte ich anmerken, dass ich Ihre Bedenken bezüglich der angesprochenen Freihandelsabkommen in hohem Maße teile. Nichtsdestotrotz bin ich kein grundsätzlicher Gegner von Handelsabkommen, es ist immer eine Frage der Ausgestaltung. Meine Zustimmung zu einem solchen hängt davon ab, ob die Standards in den Bereichen Soziales, Umwelt, öffentliche Daseinsvorsorge und Finanzmarktregulierung aufrechterhalten werden oder vielleicht sogar global verbessert werden können. Freihandelsabkommen in denen private Investor-Staat-Schiedsverfahren vorgesehen sind, sind grundsätzlich nicht akzeptabel, auch die Einsetzung eines regulatorischen Rates ist hoch problematisch und nach meinem heutigen Kenntnisstand abzulehnen.

Im September 2014 wurden die Verhandlungen zu CETA für beendet erklärt. Der vorgelegte Text beinhaltet immer noch private Investor-Staats-Schiedsverfahren. Wir als SPD und ich im Besonderen haben uns klar gegen solche Schiedsverfahren zwischen entwickelten Rechtsstaaten positioniert. Auch die BürgerInnen Europas haben in einer Konsultation der EU-Kommission klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die vorgesehenen Schiedsverfahren ablehnen. Die Bundesregierung ist nun angehalten, im Laufe der nun stattfindenden rechstförmlichen Überprüfung zu erreichen, dass private Schiedsverfahren aus dem Abkommen ausgeschlossen werden. Als Berichterstatterin für diese Thematik in der Arbeitsgruppe Finanzen der SPD-Bundestagsfraktion habe ich meine Position dort klar vertreten und für Verbesserungen des aktuellen Entwurfs geworben. Ich habe meine Positionen auch in der Berliner SPD eingebracht und mit dazu beigetragen, dass sich die Berliner SPD klar ablehnend gegenüber den aktuellen Schwachpunkten in CETA positioniert hat. (http://www.parlamentarische-linke.de/wp-content/uploads/2015/02/Freihandel-zu-fairen-Bedingungen.pdf)

Zu TTIP verhalte ich mich inhaltlich genauso wie zu CETA. TTIP wird aktuell noch verhandelt, weshalb ich keine abschließende Beurteilung abgeben möchte. Der SPD-Parteikonvent vom 20.September 2014 hat aber eine 14 Punkte umfassende Liste von Bedingungen erstellt, die erfüllt werden müssen, damit die SPD Bundestagsfraktion einem TTIP-Abkommen zustimmen kann. Darunter fallen viele wichtige Forderungen wie die Nichtzulassung von Investor-Schiedsverfahren, das Verbot von Sozialdumping und vieles mehr. Damit haben wir wichtige Pflöcke eingeschlagen, hinter die wir in einem demokratischen Verfahren nicht mehr zurückfallen können. Ich werde mich an diesen Beschluss halten und hoffe, dass das für alle anderen GenossInnen ebenfalls gilt.

Das TiSA Abkommen ist ebenfalls sehr kritisch zu betrachten, vor allem im Hinblick auf die Themenfelder Finanzmärkte, Gesundheitswesen, Datenschutz, Kultur und Bildung. Hier stecken viele Gefahren. Da auch hier die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, kann ich mir aktuell kein abschließendes Urteil erlauben, doch sehe ich auch hier die Gefahren einer ungezügelten Liberalisierung des Dienstleistungssektors in den beteiligten Staaten. Immerhin muss bei TiSA hervorgehoben werden, dass es sich um ein multilaterales Abkommen handelt, welches grundsätzlich bilateralen Abkommen vorzuziehen ist.

Zu Frage 2 (Einflussmöglichkeiten auf Sozialdemokraten im EP):
Ich bin in Kontakt mit Sylvia-Yvonne Kaufmann, unserer Berliner EP-Abgeordneten, und Bernd Lange, dem Vorsitzenden des Ausschusses für internationalen Handel im Europäischen Parlament. Beide verfolgen die Entwicklungen der Abkommen sehr genau und kritisch. Ich werde weiterhin mit beiden in Kontakt bleiben und die weitere Optionen besprechen. Bernd Lange verfügt als Fachmann für internationalen Handel über großen Rückhalt in der Fraktion der europäischen Sozialdemokratie und ist somit ein wertvoller, kritischer Partner. (http://www.bernd-lange.de/aktuell/nachrichten/2015/366992.php)

Zu Frage 3 (Große Koalition platzen lassen):
Da die SPD eine klare Richtlinie für die Zustimmung zu einem Freihandelsabkommen abgegeben hat, gehe ich davon aus, dass die Abkommen, die zur Abstimmung vorgelegt werden, dieser Richtlinie entsprechen werden. Da eine uneingeschränkte Zustimmung für jegliche Form von Freihandelsabkommen nicht im Koalitionsvertrag vereinbart ist, gehe ich nicht davon aus, dass dieser in meinen Augen unwahrscheinliche Fall ein Platzen der großen Koalition auslösen würde.

Zu Frage 4 (Art. 20, Abs. 4 GG):
Inwieweit ein Abkommen, das nicht den oben genannten Ansprüchen genügt, verfassungswidrig ist, kann ich nicht beantworten. Hier müsste der genaue Vertragstext in seiner abschließenden Form vorliegen. Ist dies der Fall, steht jedem Bürger offen, dies dem Verfassungsgericht vorzulegen. Dieses wird dann die Verfassungsmäßigkeit des Vertragstextes prüfen und zu einem fundierten Urteil kommen, an dem der Gesetzgeber sein weiteres Vorgehen auszurichten hat.

Mit freundlichen Grüßen
Cansel Kiziltepe