Portrait von Brigitte Zypries
Brigitte Zypries
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Brigitte Zypries zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Frank M. •

Frage an Brigitte Zypries von Frank M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,
am 29.06.2012 sollen die Zustimmungsgesetze zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) im Bundestag beraten werden. Dazu habe ich folgende Fragen an Sie:

1. Auf der Webseite des Bundestages enthält die Vorlage "Finanzielle Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz/ESMFinG) - Drs 17/9048 -" noch immer keine Ausformulierung der Beteiligungsrechte des Bundestages (§3).

Wird allen Abgeordneten und der Öffentlichkeit der genaue Wortlaut der Beschlussvorlagen vor dem 29.06.2012 zugänglich gemacht?

2. Durch die Immunitäts-Regeln in Artikel 32 (3,4,5,6) und 35 (1) steht der ESM über dem Recht. Er kann Verträge abschließen, er kann verklagen, selbst jedoch nicht verklagt werden. Halten sie eine solche "Rechts"-Stellung des ESM für zumutbar oder gar sinnvoll?

3. Deutschland soll sich verpflichten, (zunächst) 168 Mrd. Euro für Kapital- Abrufe (innerhalb einer "angemessenen" Frist) bereitzustellen. Diese Summe beträgt fast die Hälfte des Bundeshaushaltes 2011 und übersteigt das größte Einzelbudget des Bundeshaushaltes (2011: Bundesministerium für Arbeit und Soziales: 131 Mrd. Euro). Wo würde dieses Geld herkommen, falls es zu entsprechenden Kapital-Abrufen durch den ESM kommt?

4. Wenn künftig der Finanzminister als Mitglied des ESM-Gouverneursrates über fast die Hälfte des Bundeshaushaltes per Zustimmung zum Kapitalabruf verfügen kann, ist der politischen Gestaltungsspielraum künftiger Bundestage drastisch eingeschränkt.

Können Sie als Bundestagsabgeordnete eine solche Aushöhlung des Haushaltsrechtes des Bundestages verantworten?

5. U.a. von der früheren Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) werden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Einschränkung des Haushaltsrechtes vorgebracht. Haben Sie sich mit diesen Zweifeln auseinandergesetzt, und halten Sie diese für unbegründet?

Mit freundlichen Grüßen,
Frank Michler

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Michler,

die Beteiligungsrechte des Bundestages wurden im ESMFinG ausformuliert. Zu finden ist dies in der Bundestagsdrucksache 17/10126, die Sie über die Drucksachensuche auf der Internetseite des Bundestags finden: http://www.bundestag.de/dokumente/drucksachen/index.html .

Die in Art. 35 ESM-Vertrag gewährte Immunität ist vergleichbar mit der Immunität von Parlamentariern des deutschen Bundestages. Genau wie diese kann auch die Immunität des Art. 35 ESM-Vertrag durch das Organ aufgehoben werden. Der ESM steht aufgrund der
Immunitätsregeln nicht über dem Gesetz. Solche Regelungen gelten zum Beispiel vergleichbar für den Internationalen Währungsfonds und sollen sicherstellen, dass der ESM handlungsfähig bleibt.

Sie befürchten außerdem, dass durch den ESM-Vertrag das Haushaltsrecht an ein nicht gewähltes Gremium abgegeben werde. Der Gouverneursrat ist allerdings nicht irgendein willkürliches Gremium, sondern besteht aus Vertretern der gewählten Regierungen. Bei grundlegenden Entscheidungen, etwa über Gewährung von Finanzhilfen und die damit verbundenen Auflagen, darf der deutsche Vertreter im Gouverneursrat nur dann zustimmen oder sich enthalten, wenn der Bundestag das zuvor beschlossen hat. Diese Regelung nennt sich "Parlamentsvorbehalt für Entscheidungen im Europäischen Stabilitätsmechanismus" und ist im ESM-Finanzierungsgesetz geregelt: "In den Fällen, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung betreffen, darf die Bundesregierung einem Beschlussvorschlag in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus durch ihren Vertreter nur dann zustimmen oder sich bei einer Beschlussfassung enthalten, nachdem das Plenum hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat." (Nachzulesen in ebenfalls in Bundestagsdrucksache 17/10126)

Wichtige Entscheidungen werden vom Gouverneursrat einstimmig beschlossen. Ohne ein zustimmendes Votum des deutschen Vertreters - der wiederum wie gesagt dazu die Zustimmung des Parlamentes braucht - geht es also nicht. Ganz konkret: In der Sommerpause werden Sondersitzungen des Bundestages anberaumt. Dann muss entschieden werden, ob der Bundestag Finanzhilfen für Zypern und Spanien zustimmt oder nicht.

Ich halte die Regelungen für mit unserer Verfassung vereinbar und hoffe, dass die Verfassungsrichter zu demselben Schluss kommen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries