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Frage von Christian L. •

Frage an Angelika Graf von Christian L. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Graf

Ich habe einige Fragen betreffend des Euro-Rettungsschirm EFSF.

Herr Schäuble versucht derzeit den Euro-Rettungsschirm EFSF als Gesamtpaket zur Abstimmung den Bundestag und seinen Mandatsträger vorzulegen ohne das ein entsprechendes Mitsprache- sowie Kontrollrecht den Bundestag eingeräumt wird, Ausfertigung einer Generalvollmacht ohne Geldflüsse zu kontrollieren und Detailinformationen zu erhalten.. Die Parlamentarier sollen einzelnen Rettungspaketen so nicht mehr zustimmen müssen - das Haushaltsrecht des Bundestags würde so teilweise nach Brüssel verlagert, auch würde dadurch das Budgetrecht und die Souveränität in Haushaltsfragen des Bundestag ausgehöhlt.

Damit würde auf EU-Ebene eine neue Superbehörde zur Euro-Rettung entstehen, die faktisch unabhängig Kredite von maximal 780 Milliarden Euro vergeben kann, für die alle Euro-Länder haften. Der deutsche Garantieanteil an der Behörde beträgt 211 Milliarden Euro - mehr als der Bund in einem Jahr mit Abgeltungs-, Gewerbe-, Energie- und Lohnsteuer einnimmt.

In wie weit wird das Wissen um die „Entmachtung“ Ihr Abstimmungsverhalten beeinflussen? Auch in Hinblick auf die Schuldensituation in Deutschland und möglichen Einsparungen im Sozial-sowie Rentensystem die der deutsche Steuerzahler zu tragen haben könnte.

Auch könnte der EFSF zukünftig dadurch Banken retten. „Die Rekapitalisierung von Finanzinstituten“ solle indirekt dadurch möglich sein.
Bitte erklären Sie mir warum wir als Steuerzahler gemeinschaftlich für Verluste der Banken herangezogen werden sollten, während Gewinne privatisiert werden.

Wie können Sie als Abgeordnete Ihren Wählern und besonders der jüngeren Generation glaubhaft, sowie verständlich vermitteln, dass es vertretbar sei wieder einen mehrstelligen Milliardenbetrag in Höhe von knapp 221 Milliarden ihnen als weitere Implizitschulden auzubürden um Banken sowie auch andere Länder retten zu können?

Mit freundlichen Grüßen

Christian Lissner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lissner,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 25. August 2011.

Grundsätzlich entscheiden die EU-Länder weiterhin einstimmig über Notmaßnahmen, die (bis 2013 befristete) Zweckgesellschaft Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) erhält also keinen Blankoscheck. Ich setze mich dafür ein, dass das Parlament in Sachen Euro-Rettung nicht entmachtet wird. An allen wesentlichen Entscheidungen - zum Beispiel ob und inwiefern einem Antrag eines Landes auf Gewährung von Notmaßnahmen stattgegeben werden kann - muss der Bundestag weiterhin beteiligt sein. Das ist auch notwendig, um die Akzeptanz der europäischen Integration sicherzustellen.

Die von Ihnen geäußerte Befürchtung, dass der Bundestag sein Budgetrecht und die Souveränität in Haushaltsfragen verlieren würde, teile ich nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil die Hilfe für Griechenland und den zeitweiligen Rettungsschirm EFSF für zulässig erklärt, jedoch Auflagen zur Beteiligung des Deutschen Bundestages gemacht, über die derzeit beraten wird. Fest steht dabei: Wenn einem Staat Hilfen gewährt werden sollen, wird das Parlament aktiv zustimmen müssen. Es wird also keine Aushöhlung des Budgetrechts des Deutschen Bundestages geben und das begrüße ich ausdrücklich.

Das Problem mit den Banken in Zahlungsschwierigkeiten ist, dass eine Pleite jeweils enorme Wellen ziehen würde, abhängig von der Größe des Instituts. Das betrifft nicht nur die Kunden einer Bank sondern auch andere Finanzinstitute, die von dieser Welle mitgerissen werden können. Unsere Wirtschaft als auch unsere Gesellschaft sind aber auf ein funktionierendes Finanzierungswesen angewiesen. Ich kann es ja verstehen, wenn man nicht glücklich darüber ist, eine Bank mit Steuergeldern zu unterstützen. Vor allem, wenn diese an ihrer Lage letztlich durch unseriöse Spekulation und schlechte Geschäftsführung selber schuld ist. Nicht einzugreifen kann aber enorme Konsequenzen haben und letztlich für die Steuerzahler noch teurer werden - Stichwort Lehman Brothers. Wir brauchen daher endlich eine wirkungsvolle Banken- und Finanzmarktregulierung, die auch eine geordnete Insolvenz von Banken in Europa ermöglicht.

Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass es mit Nothilfen alleine nicht getan ist. Es darf in meinen Augen nicht darum gehen, ein Land einfach nur möglichst lange vor der Pleite zu bewahren, indem man sicherstellt, dass es genug Geld erhält, um damit die Zinsen für seine Kredite zu zahlen. Dadurch ändert sich die Situation eines Landes ja nicht grundsätzlich, es sind lediglich „lebenserhaltende Maßnahmen“ ohne Aussicht auf eine Besserung. Alternativen wie zum Beispiel einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro halte ich für absurd, weil jedem klar sein muss, dass Griechenland niemals mit (abgewerteten) Drachmen Euro-Schulden bezahlen könnte.

Wir können auch nicht einfach Nothilfe ablehnen und damit Staatspleiten in Kauf nehmen, weil das unsere gemeinsame Währung und letztlich Europa insgesamt zerstören würde. Wenn Griechenland fällt, dann kann keiner sagen, ob nicht auch Portugal und andere „Wackelkandidaten“ als Folge ebenfalls fallen. Das wäre auch für Deutschland eine Katastrophe, denn eine Exportnation ohne Abnehmer wäre ziemlich hinüber. An einem Flächenbrand in Europa können wir kein Interesse haben und ich glaube auch nicht, dass diese Variante für die deutschen Steuerzahler günstiger wäre.

Voraussetzung für die Lösung ist ein Gesamtkonzept. Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel haben dafür bereits einen Vorschlag gemacht, den ich begrüße. Dieser beinhaltet unter anderem neben einem Schuldenschnitt für Griechenland und einem Marshall-Plan zum Wiederaufbau der Wirtschaft auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, damit der Finanzsektor endlich an den Krisenkosten und dem Wiederaufbau und der Überwindung der Krise beteiligt wird, sowie eine wirksame Banken- und Finanzmarktregulierung. Auch hierbei gilt, dass es keine Leistung ohne Gegenleistung gibt und die Reformen in Griechenland weiter gehen müssen.

Die aktuellen Pläne der Bundesregierung für die EFSF sind in meinen Augen nicht grundsätzlich falsch aber alleine nicht ausreichend. Sie verhindern ein akutes Ertrinken der Krisenländer, aber zu einer nachhaltigen Lösung gehört ein umfassendes Gesamtkonzept. sie sind aber kein wirklicher Beitrag, um die Länder (und damit auch Europa und letztlich Deutschland) nachhaltig aus der Krise herauszuholen. Ich setze mich daher dafür ein, dass wir uns nicht länger treiben lassen sondern endlich energisch die Probleme anpacken.

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf