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Andreas Larem
SPD
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Frage von Lisa S. •

Wie wollen Sie die katastrophale Situation in der Massentierhaltung (Stichwort Anbindehaltung, Saukästen, Amputationen) verbessern? Der aktuelle Gesetzesentwurf reicht einfach nicht.

Sehr geehrter Herr Larem,

ich finde es schockierend, dass wir in unserer heutigen Zeit es immer noch nicht geschafft haben, dass die Gesellschaft Tiere als Lebewesen ansehen, die Schmerzen empfinden und Resepkt verdient haben. Wir reden immer davon wie wichtig Empathie untereinander ist, aber Tiere fallen dabei hinten runter. Ich bin 31 Jahre alt, seit ich 14 bin setze ich mich mit dem Thema auseinander und nehme kaum Verbesserungen wahr. Ich würde mir wirklich wünschen, dass Politiker, die über das Wohl der Tiere entscheiden, sich die Zustände einmal persönlich anschauen und aufwachen. Wie sehen die zukünftigen Pläne der SPD in dieser Hinsicht aus?

Vielen Dank
Lisa S.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Fragen und Ihr Interesse am Tierschutz. Ich verstehe Ihre Besorgnis über die gemäß des aktuellen Gesetzesentwurf weiterhin erlaubten Praktiken wie der Amputationen ohne Betäubung zur Anpassung von Tieren an Haltungssysteme. Und ich teile Ihre Empörung darüber.

Ich stimme Ihnen umfassend zu: Tierleid ist nicht zu rechtfertigen, auch nicht aus wirtschaftlichem Interesse. Noch immer gibt es beim Umgang mit und der Haltung von Tieren viel zu oft Defizite. Mit diesen dürfen und wollen wir uns nicht abfinden. Zur Verbesserung des Tierschutzes bedarf es konkrete, zielgenaue und vor allem auch langfristig wirksame Maßnahmen.                      

Bereits im Rahmen der Koalitionsverhandlungen 2021 hat die SPD die Überarbeitung der Regelungen im Tierschutzgesetz im Koalitionsvertrag forciert. Den Beschluss der Gesetzesnovelle (05/2024) befürworten wir deshalb ausdrücklich. 

Positiv betonen möchte ich, dass wesentliche von uns geforderte Vorhaben im Gesetzentwurf aufgegriffen sind. Für Tiere in der Landwirtschaft bedeuten vorgesehene Änderungen, dass bestimmte Eingriffe gar nicht mehr (Schwänzekürzen bei Lämmern), nur noch mit entsprechender Betäubung (Ausbrennen der Hornanlagen bei Kälbern) oder nur in Einzelfällen sowie unter bestimmten Voraussetzungen (Schwänzekupieren bei Schweinen) vorgenommen werden dürfen. Die verpflichtende Videoüberwachung in Schlachthöfen hilft den Behörden dabei, systemische Mängel im Schlachtprozess aufzudecken. Außerdem soll die Nachfrage nach Tieren mit Qualzuchtmerkmalen durch ein Ausstellungs- und Werbeverbot sinken. 

Genannte Punkte gehen auf jeden Fall in die richtige Richtung, sind aber bei weitem noch nicht ausreichend. Dies haben wir als SPD bereits mehrfach klargemacht. An dieser Stelle möchte ich Ihnen für Ihre zurecht kritischen Nachfragen danken. Denn auch wir als SPD-Bundestagsfraktion hatten aus dem grüngeführten Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) einen ambitionierteren Gesetzentwurf erwartet. Leider hat auch die FDP innerhalb der Abstimmung der Bundesregierung bestimmte Punkte verwässert und zulasten des Tierwohls umfangreiche Verbesserungen verhindert. Wenn der Gesetzentwurf im September in die parlamentarische Beratung geht, werden die Verhandler:innen der SPD deshalb die Punkte, die auch Sie anführen, ansprechen und sich dafür einsetzen, möglichst viel davon gegenüber unseren Koalitionspartnern durchzusetzen. Dafür ist es sehr hilfreich, Menschen wie Sie hinter uns zu wissen. 

Für uns gilt die folgende Position: Nur, wenn das Gesetz am Ende substanzielle Verbesserungen für unsere Nutz- und Heimtiere beinhaltet, werden wir Sozialdemokrat:innen unsere Zustimmung geben. Ein Klein-Klein, welches nicht dort ansetzt, wo es nötig wäre, um einen konsequenten Schutz vor Schmerzen, Leiden und Schäden zu gewährleisten, wird es mit uns nicht geben.

Dies betrifft in erster Linie die von Ihnen angesprochene Anbindehaltung. Zwar begrüßen wir ausdrücklich das in den Gesetzesentwurf Eingang gefundene Verbot dieser Art der Tierfixierung, weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass in der aktuellen Fassung weiterhin Lücken bestehen. Skeptisch bewerten wir das erst in zehn Jahren vorgesehene Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern sowie die auch künftig unter bestimmten Voraussetzungen erlaubte „Kombihaltung“. Die damit vom BMEL verfolgten Zielsetzungen des geschützten Fortbestands der für Bergbauern und Almen relevanten Rinderhaltung sowie des auf diese Weise ermöglichten Umbaus insbesondere kleinerer Höfe unterstreichen wir als SPD, mahnen parallel aber an, jeden Spielraum umfassend zu nutzen, um in jedem Fall eine tierschutzgerechte Haltung sicherzustellen. 

Die Verantwortung, auf ein bestwirksames und im Tierschutz bestehende Lücken füllendes Gesetz hinzuwirken, nimmt die SPD ernst: Gemäß Zielsetzung, ein möglichst umfassendes Bild der Problematik zu erhalten und bestehende Missstände klar definieren zu können, befindet sich die Tierschutzbeauftragte der Fraktion, meine Kollegin Anke Hennig, bereits seit Anfang des Jahres im engen Austausch mit allen betroffenen Verbänden und wird sich nun in der Sommerpause mit der Positionierung zu den umfangreichen Änderungsvorschlägen beschäftigen, um diese dann mit in die im September beginnenden parlamentarischen Verhandlungen zu nehmen. Neben dem im oberen Verlauf benannten Ende der Anbindehaltung ist das Verbot von Qualzuchten („Kastensäue“) für uns zentrale politische Prämisse bei der Novelle des Tierschutzgesetzes. Alle Verstöße gegen den Tierschutz müssen endlich effektiver geahndet, bestehende Lücken, u.a. bei Amputationen, müssen identifiziert und ihnen wirksam entgegengewirkt werden.

Kritisch sehen wir zudem den Aspekt Langstrecken-Tiertransporte. Für Tiere bedeuten diese enormen Stress. Über Tage hinweg leiden sie unter zu wenig Raum, unter unzureichender Trinkwasser- und Nahrungsversorgung und unter extremen klimatischen Bedingungen. Die Auffassung der SPD ist es deshalb, diese weiter einzuschränken. Hierfür werden wir uns auch in den parlamentarischen Verhandlungen einsetzen. Hierbei gilt es aber zu beachten, dass alle in ein Drittland führenden Tiertransporte den EU-weit gültigen sowie zusätzlichen nationalen Regelungen unterliegen. Sie werden von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten überwacht, in Deutschland also von den jeweils zuständigen Veterinärämtern der Länder. 

Die Frage, inwieweit diese im Einzelfall Transporte untersagen dürfen, ist zum aktuellen Zeitpunkt umstritten. Hier bedarf es einer rechtlichen Klarstellung, damit die zuständigen Behörden, die einen Transport aus Tierschutzgründen ablehnen, nicht mehr per Gerichtsbeschluss dazu gezwungen werden können.

Es ist gut, dass die Bundesländer bereits heute einzeln tätig werden können, um jeweilige Verbote auszusprechen. In der Praxis führte diese Regelung allerdings zuletzt immer häufiger zu einem Flickenteppich zu Tiertransportverboten, der es bislang viel zu einfach gemacht hat, Verbote zu umgehen. Wir fordern das BMEL deswegen auf, den Weg für ein bundeeinheitliches Verbot freizumachen. Transporte aus Deutschland in Länder außerhalb der EU müssen endlich so weit begrenzt werden, wie wir das selbst können. Nicht zuletzt ist aber auch keinem Tier geholfen, wenn nationale Verbote umgangen werden, indem Tiere zunächst in einen anderen Mitgliedstaat gebracht werden, um sie von dort aus in Drittländer zu exportieren. Um dies zu verhindern, brauchen wir dringend bessere gemeinsame Regeln in Europa und fordern Minister Özdemir auf, sich gemeinsam mit seinen europäischen Kollegen für eine Überarbeitung der EU-Tierschutztransportverordnung und eine EU-weit einheitliche Liste für ein generelles Verbot von Tiertransporten in bestimmte Drittstaaten durch die EU-Kommission einzusetzen. 

Herzliche Grüße

Ihr 

Andreas Larem

               

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