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Andrea Lindholz
CSU
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Frage von Carla F. •

Frage an Andrea Lindholz von Carla F. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Lindholz,

da wir uns momentan im Wirtschaftsinformatikunterricht am Hanns-Seidel-Gymnasium in Hösbach mit dem Thema Datenschutz beschäftigen, möchten wir Ihnen gerne zu diesem aktuellen Thema eine Frage stellen. Wir haben den Artikel "Innenministerium sorgt sich vor zu viel Datenschutz" (https://www.welt.de/wirtschaft/article201778012/Facebook-Regierung-sorgt-sich-um-Daten-Verschluesselung.html) gelesen und hätten nun folgende Frage: Welche Hinweise müssten vorhanden sein, dass die Bundesregierung Einsicht in die Nachrichten bestimmter Personen erhält?
Wir würden uns über eine Antwort freuen!

Mit freundlichen Grüßen
Marlene Freund, Frida Bahmer und C. F. (Klasse 10d)

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Antwort von
CSU

Liebe Schüler,

vielen Dank für diese interessante Frage, die meinem Verständnis nach auf die rechtlichen Voraussetzungen abzielt, die erfüllt sein müssen, bevor zum Beispiel das Bundeskriminalamt (BKA) die Kommunikation eines Verdächtigen ohne dessen Wissen mitverfolgen darf.

Ob eine Kommunikationsüberwachung vorgenommen werden darf, muss in jedem Einzelfall von einem unabhängigen Richter geprüft und genehmigt werden. (Richtervorbehalt) Die zentrale Rechtsgrundlage auf die sich der Richter bei der Prüfung eines solchen schwerwiegenden Eingriffes in die Grundrechte (Art 10 GG Brief- Post und Fernmeldegeheimnis) stützt, ist i.d.R. §100a Strafprozessordnung (StPO). Daneben gibt es weitere Regelungen in den Polizeigesetzen der Bundesländer sowie im BKA-Gesetz. Welches Gesetz einschlägig ist, hängt vom Einzelfall ab.

Gemäß § 100a Abs. 1 StPO haben die Ermittlungsbehörden bei der Begründung einer TKÜ-Maßnahme einen besonderes Rechtfertigungspflicht. Das Gesetz verlangt von den Ermittlungsbehörden einen auf bestimmten Tatsachen begründeten Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat vorzubringen, deren Ermittlung auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

Das bedeutet, die Behörden müssen bevor sie eine TKÜ-Maßnahme einleiten einen qualifizierten Anfangsverdacht auf eine schwerwiegende Straftat haben. Dieser Verdacht muss gegenüber dem unabhängigen Richter durch schlüssiges also beweiskräftiges und somit auch beweisverwertbares Tatsachenmaterial am konkreten Fall belegt werden. Welche Tatsachen das sind, hängt vom Einzelfall ab. Fest steht, dass bloße Vermutungen, routinemäßige Erkenntnisse oder allgemeine polizeiliche Erfahrung nicht ausreichen, um einen solche Eingriff zu begründen. Der Anfangsverdacht muss auch deshalb gerichtsfest sein, damit die mit der TKÜ-Maßnahme erhobenen Beweise später in einem Strafverfahren überhaupt zulässig sind.

Zudem darf eine TKÜ-Maßnahme grundsätzliche nur für ganz bestimmte "schwere Straftaten" eingesetzt. Welche Straftaten das sind, wird in §100a Abs 2 StPO definiert. Darunter fallen zum Beispiel Mord- und Totschlag, Kinderpornographie, Wirtschaftskriminalität, Drogenhandel, Raub oder schwerer Betrug. https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__100a.html

Für die Ermittlungsbehörden kommt erschwerend hinzu, dass Kommunikation heute nicht mehr nur via Festnetz, sondern v.a. auch über PC, Smartphone, Tablet bzw. über E-Mail, SMS oder Messenger erfolgt. Die vorübergehende Überwachung eines Festnetzanschlusses bei ausreichend begründetem Anfangsverdacht ist technisch relativ unproblematisch und gesellschaftlich auch völlig unstrittig. Wenn jemand im begründeten Verdacht steht, Menschenhandel zu betreiben, würde niemand ernshaft auf die Idee kommen, das Abhören seines Telefonanschlusses für grundsätzlich unzulässig zu erklären. Sobald jedoch derselbe Tatverdächtige mit seinem Smartphone über einen Messenger kommuniziert, der eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung einsetzt, wird es für die Behörden deutlich schwieriger und teilweise sogar unmöglich die Kommunikation zu verfolgen. Die Forderung von CDU und CSU, den Behörden im digitalen Bereich die gleichen Instrumente an die Hand zu geben wie im analogen Bereich, stößt regelmäßig auf extreme Vorbehalte, was in meinen Augen sachlich überhaupt nicht begründet ist. Es geht nicht um massenhafte Überwachung von unbescholtenen Bürgern, sondern darum, dass unsere Sicherheitsbehörden mit den technischen Entwicklungen der Digitalisierung Schritt halten. Deshalb ist das Instrument der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) für die Ermittlungsbehörden von besonderer Bedeutung. Mit der Quellen-TKÜ können die Nachrichten am Endgerät bzw. dort wo sie entschlüsselt werden (Quelle) mittels entsprechender Software mitverfolgt werden. Allerdings werden bei der Quellen-TKÜ Begleitmaßnahmen erforderlich, die technisch sehr anspruchsvoll sind, viel Personal bedürfen und teilweise rechtlich nicht ohne weiteres zu begründen sind, weil sie u.U. weitere Grundrechtseingriffe erforderlich machen z.B. wenn ein physischer Zugriff auf das Endgerät in der Wohnung des Verdächtigen erfolgen muss. Auch solche Begleitmaßnahmen müssen in jedem Einzelfall verhältnismäßig sein, damit die erhobenen Beweise anschließend vor Gericht zulässig sind.

Die Bürger sind in unserem Rechtsstaat durch zahlreiche Hürden vor einem Missbrauch der Quellen-TKÜ geschützt: Der Richtervorbehalt, der begründete Anfangsverdacht, der begrenzte Straftatenkatalog, die Verhältnismäßigkeit, der technische und personelle Aufwand, sowie die Verhältnismäßigkeit der Begleitmaßnahmen machen den Einsatz der Quellen-TKÜ enorm aufwendig für die Behörden und damit grundsätzlich nur in bestimmten Einzelfällen möglich. Eine flächendeckende Verschlüsselung sämtlicher Kommunikationskanäle würde die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden, die ausschließlich auf der Basis des geltenden Rechts ermitteln dürfen, noch weiter erschweren, weil nur noch die aufwendige Quellen-TKÜ eingesetzt werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass die Sicherherheitsbehörden in Deutschland, die im Vorfeld der Strafverfolgung durch die Polizei maßgeblich für den Kampf gegen Extremismus und die Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuständig sind (Verfassungsschutz von Bund und Ländern), bislang keine rechtliche Befugnis haben, die Quellen-TKÜ einzusetzen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom sog. Going-Dark-Effekt für die Sicherheitsbehörden. Ein Beispiel dafür ist die rechtsextremistische Terrorgruppe "Revolution Chemnitz" deren Anschlagspläne letztendlich nur durch einen Zufallsfund aufgedeckt werden konnten, weil die Täter in einem verschlüsselten Messenger kommuniziert hatten. Damit unsere Behörden rechtsextremistische Netzwerke im digitalen Zeitalter effektiv aufklären können, brauchen sie auch entsprechende rechtsstaatlich legitime Instrumente.

Abschließend möchte ich noch klarstellen, dass nicht die Bundesregierung, sondern nur die ermittelnden Strafverfolgungsbehörden (Polizei, BKA, Staatsanwaltschaft) Einsicht in Nachrichten erhalten und ggf. anschließend die in einem etwaigen Gerichtsverfahren beteiligten Akteure. Ich setze mich für einen wehrhaften Rechtsstaat im digitalen Zeitalter ein, der die Freiheit und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auf dem Boden des Grundgesetzes wirksam verteidigen kann.

Herzliche Grüße

Andrea Lindholz MdB

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