Portrait von Andrea Lindholz
Andrea Lindholz
CSU
100 %
43 / 43 Fragen beantwortet
Frage von Ulrich M. •

Frage an Andrea Lindholz von Ulrich M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Lindholz. Wie werden Sie im Fall einer Abstimmung über den Migrationspakt abstimmen?

Portrait von Andrea Lindholz
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr M.,

da der Pakt kein rechtsverbindlicher Vertrag ist, bedarf es keiner Zustimmung des Deutschen Bundestages als Gesetzgeber. Die Unionsfraktion wird jedoch noch vor Verabschiedung des GCM in Marrakesch einen eigenen Antrag in den Bundestag einbringen, um deutlich zu machen, welche Erwartungen der Deutsche Bundestag an den Pakt stellt und was wir von der Bundesregierung dazu fordern. Der Antrag wird auch dazu beitragen, den aufgeworfenen Bedenken zu begegnen und für Klarstellung sorgen. Diesem Antrag werde ich aller Voraussicht nach zustimmen.

Einige Bedenken, die gegen den GCM geäußert werden, kann ich durchaus nachvollziehen, da dieses Dokument in einer missverständlichen und pseudojuristischen Sprache verfasst wurde, die Raum für Fehlinterpretationen lässt. Zudem werden seit einiger Zeit im Internet massiv Falschbehauptungen über den Inhalt und die Auswirkungen des GCM verbreitet, die jedoch keine sachliche geschweige denn juristische Grundlage haben und m.A.n. nur einer gezielten Stimmungsmache dienen.

Die Unionsfraktion hat daher beschlossen, noch vor der Konferenz in Marrakesch, auf der der GCM verabschiedet werden soll, einen Antrag in den Bundestag einzubringen. Wir wollen, dass der Deutsche Bundestag offiziell feststellt, dass der GCM kein völkerrechtlicher Vertrag ist und die nationale Entscheidungshoheit der Bundesrepublik Deutschland in Sachen Migration nicht einschränkt. Im Übrigen wollen wir damit die Bundesregierung auffordern, die aus deutscher Sicht besonders relevanten Aspekte des GCM, wie die Rücknahme von Ausreisepflichten Migranten, die Ausstellung von Reisedokumenten, die internationale Schleuserbekämpfung oder die bessere Versorgung von Migranten in Herkunfts- und Transitstaaten aktiv auf internationaler Ebene zu betonen, um den Migrationsdruck auf Deutschland zu reduzieren.

Nach einer jahrelangen und intensiven Auseinandersetzung mit dem extrem vielschichtigen Thema Migration halte ich die Bedenken gegenüber dem GCM für unbegründet. Die CSU setzt sich seit jeher für die Begrenzung der Migration ein. Der starke Rückgang bei den Asylbewerberzahlen zeigt, dass wir mit unserer Kurskorrektur erfolgreich waren. Wir bleiben da aber nicht stehen. Eben weil wir Migration begrenzen wollen, unterstütze ich den GCM. Ich bin der Auffassung, dass der GCM gerade den Zielländern von Migration wie Deutschland dabei helfen kann, Migration wirksamer als bisher zu steuern und zu begrenzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Pakt den Interessen Deutschlands dient und möchte das gerne anhand von 10 Fragen verdeutlichen, die mich immer wieder erreichen:

1. Verpflichtet sich Deutschland zur Aufnahme von Migranten?

Nein, der Pakt beinhaltet weder eine Verpflichtungen zur Aufnahme von Migranten, noch irgendwelche Zahlen.

2. Muss Deutschland wegen des GCM sein Ausländerrecht ändern?

Nein, Deutschland muss nichts ändern. Der Pakt stellt kein(!) völkerrechtlich verbindliches Regelwerk dar, sondern eine politische Absichtserklärung. Das heißt, deutsches und europäisches Recht gehen wie bisher vor und werden durch diesen Pakt in keiner Weise eingeschränkt. Im Übrigen darf jeder Staat selbst entscheiden, wie er den GCM umsetzt.

3. Wird Deutschland jetzt neue Anreize für Migration setzen?

Nein, Deutschland erfüllt längst die sozialen Standards, die im GCM für den Umgang mit Migranten genannt werden. Dazu verpflichten uns das Grundgesetz (Art. 1 Menschenwürde i.V.m. Art 20 Sozialstaatsprinzip) und auch das Europarecht. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2012 den Bundestag in einem Urteil dazu verpflichtet, die Asylbewerberleistungen zu erhöhen (Existenzminimum). Eine Abkehr von unseren Grundprinzipien der Menschenwürde und Sozialstaatlichkeit wäre unrealistisch und letztendlich verfassungsfeindlich. Wir müssen daher nach pragmatischen Lösungen suchen. Es liegt im ureigenen deutschen Interesse, wenn über den GCM die Herkunfts- und Transitstaaten zumindest zusagen, ihre nationalen Standards im Umgang mit Migranten zu verbessern und sich dem hohen deutschen Niveau anzunähern. Die allermeisten Menschen wollen in ihren Heimatregionen bleiben. Je mehr Staaten den Migranten bessere Chancen einräumen, desto mehr mindert das den Migrationsdruck auf Europa und Deutschland.

4. Gibt Deutschland seine nationale Entscheidungshoheit über Migration auf?

Nein, Deutschland behält das uneingeschränkte Recht, über seine Migrationspolitik souverän und eigenständig zu entscheiden. Wörtlich heißt es im GCM unter Ziffer 15: "Nationale Souveränität: Der Globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln. Innerhalb ihres Hoheitsbereichs dürfen die Staaten zwischen regulärem und irregulärem Migrationsstatus unterscheiden, einschließlich bei der Festlegung ihrer gesetzgeberischen und politischen Maßnahmen zur Umsetzung des Globalen Paktes, unter Berücksichtigung der verschiedenen nationalen Realitäten, Politiken, Prioritäten und Bestimmungen für Einreise, Aufenthalt und Arbeit und im Einklang mit dem Völkerrecht" Diese Betonung der nationalen Entscheidungshoheit war ein Kernanliegen der Bundesregierung und vieler anderer EU-Staaten.

5. Wenn der Pakt unverbindlich ist, warum unterschreiben wir ihn dann überhaupt?

Der Pakt stellt eine politische Absichtserklärung dar, die zwar rechtlich unverbindlich ist, aber eine Grundlage bilden kann, auf der die bestehenden Probleme bei der Migration durch mehr und bessere internationale Zusammenarbeit wirksamer bearbeitet werden können. Stichwort: Rücknahmebereitschaft der Herkunftsländer, Ausstellung von Passersatzpapieren, Kampf gegen Schleuser, Fluchtursachen und Perspektivlosigkeit. Deutschland bekennt sich mit dem Pakt wie die überwältigende Mehrheit der Staaten weltweit zu der Erkenntnis, dass Migration nur gemeinsam wirksam gesteuert, geordnet und reduziert werden kann. Diesem Grundsatz haben 2016 alle 193 UN-Mitgliedstaaten inklusive der aktuellen Kritiker wie USA, Ungarn und Österreich zugestimmt. Dieser Pakt ist das Verhandlungsergebnis, das aus der Erklärung von 2016 gefolgt ist. Nationale Alleingänge werden keines der aktuell bestehenden Probleme dauerhaft lösen.

6. Welche konkreten Vorteile hat der Pakt für Deutschland?

Aus Sicht der deutschen Migrationspolitik enthält der Pakt wesentliche Vorteile wie z.B.
- Der Pakt hat das zentrale Ziel, irreguläre Migration zu reduzieren. Reguläre Migration kann in jedem Fall besser gesteuert und damit auch begrenzt werden.
- Die völkerrechtlich verbürgte Pflicht zur Rückübernahme für die eigenen Staatsbürger wird ausdrücklich bekräftigt
- Die Kooperation bei der Identitätsfeststellungen und Passausstellung soll gestärkt werden
- Die Einhaltung der Gesetze und Gebräuche der Zielländer wird ausdrücklich gefordert
- Die Freiheit der Nationalstaaten über den Umgang mit Migration bleibt uneingeschränkt
- Die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Schleppern und Schleusern soll gestärkt werden
- Die Trennung zwischen legaler und illegaler Migration wird ausdrücklich betont
- Die nationale Entscheidungshoheit bei Grenz- und Sicherheitsfragen bleibt unangetastet
- Die vielfältigen Migrationsursachen (Klima, Perspektivlosigkeit, Armut etc.) werden adressiert und sollen durch mehr internationale Zusammenarbeit minimiert werden

7. Wird die Meinungsfreiheit durch den GCM eingeschränkt?

Nein, die Meinungsfreiheit gemäß Art 5 Grundgesetz wird davon nicht berührt. Heute schon sind der Meinungsfreiheit in Deutschland auch Grenzen gesetzt, z.B. bei Beleidigungen, Volksverhetzung oder übler Nachrede. Je mehr Staaten sich auch in diesem Bereich unseren deutschen Standards annähern, umso mehr kann der Migrationsdruck sinken.

8. Entsteht aus dem GCM Völkergewohnheitsrecht?

Nein. Völkergewohnheitsrechts entsteht nur, wenn sich viele Staaten über einen langen Zeitraum hinweg an bestimmte Regeln halten (Praxis) sowie eine eingeübte Rechtsüberzeugung teilen. Der Pakt könnte dafür dann im besten Falle ein Indiz sein. Aber beides fehlt hier, weil der Pakt ausdrücklich sagt, dass er nicht rechtsverbindlich ist und noch gar nicht feststeht, welche Praxis die Staaten auf seiner Grundlage entwickeln werden. Die Behauptung es würde Völkergewohnheitsrecht entstehen ist daher konstruiert. Ohnehin spielt das Völkergewohnheitsrecht heute nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. Gerichtsurteile argumentieren mit dem Gewohnheitsrecht im Migrationskontext in aller Regel nicht.

9. Warum betont der Pakt nur positive Auswirkungen von Migration?

Migration kann natürlich auch negative Effekte haben, das ist eine Binsenweisheit. Migration gibt es seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Ohne Migration gäbe es zum Beispiel einige der größten Volkswirtschaften der Welt nicht (USA, Australien, Kanada). Die desaströsen Auswirkungen von Migration ganz besonders für die dortigen Ureinwohner werden durch den Pakt nicht verleugnet. Sicherlich würde es Bedenken zerstreuen, wenn auch die negativen Auswirkungen und die Risiken von Migration detaillierter benannt würden. Dieser Schönheitsfehler schmälert aber nicht die vielen Vorteile des Paktes. (vgl. Pkt 6) Der Pakt hat das erklärte Ziel illegale Migration zu reduzieren und in geordnete Bahnen zu lenken, über deren Form und Volumen die Staaten eigenständig entscheiden. Wörtlich heißt es im Pakt: „Mit diesem umfassenden Ansatz wollen wir eine sichere, geordnete und reguläre Migration erleichtern und gleichzeitig das Auftreten und die negativen Auswirkungen irregulärer Migration durch internationale Zusammenarbeit und eine Kombination der in diesem Pakt dargelegten Maßnahmen reduzieren.“

10. Warum steigt Deutschland nicht aus dem GCM aus, nachdem Österreich, Ungarn und die USA den GCM ablehnen?

Im Juli haben 192 von 193 UN-Mitgliedstaaten den Entwurf des Vertragstextes gebilligt. Nur die USA haben sich von Anfang an dagegen ausgesprochen. Die jetzt erfolgten Rückzugserklärungen z.B. von Österreich sind natürlich zu respektieren, aber keines der vorgebrachten Argumente (z.B. Verlust nationaler Souveränität) überzeugt, da das genaue Gegenteil im Pakt wörtlich festgeschrieben wurde. Zudem haben diese Länder selbst mitverhandelt und noch vor wenigen Monaten den Entwurf ausdrücklich ohne Einwände gebilligt.
Die Bundesrepublik Deutschland ist seit ihrer Gründung ein international orientiertes Land. Wir organisieren unserer Sicherheit und Verteidigung (NATO), unsere Wirtschaft (Exportweltmeister) unseren Umweltschutz (Klimaschutzabkommen) und viele weitere große Themen international. Wir sind Motor und Stabilitätsanker innerhalb der Europäischen Es wäre naiv zu glauben, dass man beim Megathema Migration neben allen notwendigen nationalen Maßnahmen auf den internationalen Ansatz verzichten könnte.

Deutschland hat als Hauptzielland für Migranten aus aller Welt ein ureigenes Interesse daran, dass die internationale Staatengemeinschaft gemeinsame Lösungsansätze für die globale Problematik entwickelt. Dazu kann dieser Pakt m.A.n. einen sinnvollen Beitrag leisten. Er ist zweifellos nicht die Lösung aller Probleme, sondern nur ein Baustein von vielen, um das vielschichtige Phänomen Migration im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung wirksam zu steuern und zu begrenzen.

Abschließend erlaube ich mir noch auf dieses Interview mit einem unabhängigen Sachverständigen hinzuweisen, der die Bedenken gegenüber dem GCM ebenfalls für unbegründet hält:
https://www.cicero.de/aussenpolitik/migrationspakt-uno-fluechtlinge-souvernaenitaet

Ich hoffe damit, Ihnen zumindest einige Ihrer Sorgen genommen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Lindholz MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Andrea Lindholz
Andrea Lindholz
CSU