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Frage von Benny S. •

Frage an André Martens von Benny S. bezüglich Wirtschaft

Bei einem Besuch an Ihrem Wahlkampfstand hatte ich den Eindruck daß sie Kapitalismus und Globalisierung sehr positiv bewerten. Wie stehen sie daher "Attac" gegenüber?

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Sehr geehrter Herr Schröder,

vielen Dank für die Frage. An das Gespräch kann ich mich noch gut erinnern.

Globalisierung ist ein sehr vielschichtiger Begriff, den man differenziert betrachten muss.

Ein Thema, das naturgemäß sehr nah an der Piratenpartei ist, ist die Globalisierung der Kommunikation und des Internets. Durch die weltumspannende Kommunikationsmöglichkeit bilden sich erstaunliche Möglichkeiten. Es ergeben sich neue Freundschaften und Vorgänge in den hintersten Ecken der Welt werden plötzlich transparent. Damit verbunden ist dann auch die Globalisierung der Kultur, was dazu führen kann, dass ganze Völker näher zusammenrücken. Auch bei der derzeit laufenden Demokratisierung Nordafrikas spielt das Internet als Kommunikationsmedium eine entscheidende Rolle. Die Piratenpartei ist als globale Bewegung übrigens in über 40 Ländern weltweit präsent.

Aus wirtschaftlicher Sicht gibt es durchaus Vorteile für Firmen, die von der hohen Qualifikation ihrer Mitarbeiter leben. Der deutsche Maschinenbau bzw. die Autoindustrie wären ohne eine globalisierte Wirtschaft sicherlich nicht so erfolgreich. Die Firma, in der ich arbeite, würde ohne diese in dieser Form sicherlich nicht existieren. Natürlich birgt die internationale Vernetzung von Produktionsprozessen hierbei auch Nachteile. Gerade jetzt nach der Katastrophe in Japan werden die globalen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Firmen, die teilweise wie im Automotive-Bereich mit einer Just-In-Time-Logistik arbeiten, offenbar. Natürlich gibt es durch die Globalisierung Nachteile für Arbeitnehmer mit geringer beruflicher Qualifikation. Das ist einer der Gründe, warum die Piratenpartei vermehrte Anstrengungen im Bildungsbereich vornehmen möchte.

Die Politik kommt durch die Globalisierung durchaus in die Schwierigkeit, dass multinationale Unternehmen erheblichen Druck auf politische Entscheidungen ausüben können. Hier gilt es darauf zu achten, dass dieser Einfluss durch passende rechtliche Rahmenbedingungen begrenzt bleibt.

Für die Umwelt ist die Wirtschafts-Globalisierung definitiv ein Nachteil. Zum einen wirken sich lange Transportwege schädlich aus, aber auch die Rohstoffgewinnung zu Dumpingpreisen bei laxen Umweltauflagen in einigen Gebieten ist eine Gefahr. Hier muss man nur mal anschauen, unter welchen Bedingungen z.B. Uran abgebaut wird. Hier gilt es intelligente Steuerungsmechanismen zu entwickeln, um umweltschädliches Verhalten einzudämmen.

Fazit: Auf der einen Seite haben wir also positive gesellschaftliche Aspekte durch Vernetzung und Kommunikation, die ohne den internationalen Wettbewerb zwischen den Hightech-Firmen so nicht vorhanden wäre, statistisch belegte längere Lebenserwartungen auch in armen Ländern und einen rasanten technologischen Fortschritt, der auf der anderen Seite zu Umweltschäden und Druck der Wirtschaft auf die Politik führen kann. Dies ist also keineswegs eine Schwarz-Weiß-Frage, ob man Globalisierung nun gut oder schlecht findet, sondern eine große politische Herausforderung, die richtige Balance zu finden.

Zu Ihrer Attac-Frage:
Eine zentrale Forderung von Attac ist die Tobin-Steuer, um internationale Finanzmarktspekulationen zu bremsen. Dies halte ich für eine gute Lösung. Auch im Kampf gegen Software-Patente und Patente auf Lebewesen sind Attac und Piratenpartei quasi Verbündete. Ich begrüße ausdrücklich, dass Attac in der Regel friedlich vorgeht und bin froh, dass es diese Organisation gibt.

Zum Kapitalismus:
Es gibt den schönen Spruch: "Im Kapitalismus gibt es die Ausbeutung der Menschen durch die Menschen. Im Sozialismus ist es genau umgekehrt."

Meiner Ansicht nach ist der Kapitalismus vielleicht nicht unbedingt die beste Wirtschaftsform, aber verglichen mit den anderen, die wir kennen, eine der besseren. Ohne Kapitalismus würde es zumindest unseren technologischen Fortschritt in dieser Form nicht geben. Der Kapitalismus hat aber viele Abstufungen. Die Ausprägung in Form einer sozialen Marktwirtschaft wie in Deutschland finde ich von der Theorie her sehr gelungen. Natürlich gibt es auch hier Probleme, die aber ihren Ursprung aber eher in der konkreten Ausgestaltung haben (z.B. Hartz 4). Ich gehöre aber mit Sicherheit nicht zu denen, die den Kapitalismus als solches abschaffen wollen. Mit passenden politische Rahmenbedingungen lässt es sich mit dem Kapitalismus durchaus gut leben.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zur Zufriedenheit beantworten. Wir können unser Gespräch am Infostand gern fortsetzen, wenn Sie möchten.

Mit freundlichen Grüßen

André Martens