Alf-Heinz Borchardt
FDP
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Frage von Brigitte S. •

Frage an Alf-Heinz Borchardt von Brigitte S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Borchardt,
da Sie Rechtsanwalt sind, interessiert mich Ihre Positionierung in der sogenannten Drittgeheimniskontroverse, nachdem bekannt wurde, daß es Anwälten und den anderen zu den Berufsgeheimnisträgern Zählenden neuerdings womöglich erlaubt sein soll, das Geheimnis eines Dritten straffrei auch ohne Einverständnis des Dritten zu offenbaren.
Das Einverständnis allein des Anvertrauenden könne genügen.
Dr. iur. Beckstein (MdL, CSU) und Ihr FDP-Kollege Dr. med. Lotter, MdB, schweigen hier seit Jahren zu Anfragen Ihres Konkurrenten Meißner (Link 1).

Ebenso schweigt z.B. - nun auch schon wieder seit 2 Jahren - die Juristin Winkelmeier -Becker (MdB, CDU) auf Nachfragen der Frau Müller (2).

Nun meine Fragen:

Würden Sie sich im Falle Ihres Einzuges in den Bundestag endlich für eine Klärung dieser für Patienten Mandanten usw. wichtigen Angelegenheit - im Sinne der Normenklarheit Art. 103 Abs. 2 GG - einsetzen?

Wie gehen Sie - als Rechtsanwalt und z.B. als Kreistagsmitglied - derzeit mit den Geheimnissen Dritter um, die Ihnen im Rahmen Ihrer Berufs- bzw. politischen Tätigkeiten anvertraut oder sonst bekannt werden?

Offenbaren Sie dieselben grundsätzlich nur im Einverständnis mit den Geheimnisbetroffenen oder genügt Ihnen das des Anvertrauenden bzw. des Hinterbringenden?

Freundliche Grüße
B.Schneider

1) http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_erwin_lotter-575-37788--f267275.html#q267275
2) http://www.abgeordnetenwatch.de/elisabeth_winkelmeier_becker-575-38049--f299665.html#q299665

Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Schneider,
herzlichen Dank für Ihre Fragen, die ich wie folgt beantworten will:
1.) Ihre Behauptung, dass es Berufsgeheimnisträgern "neuerdings womöglich" erlaubt sein soll, Drittgeheimnisse ohne Zustimmung des Dritten zu offenbaren, ist falsch. Die Rechtsprechung zu § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt nur die unerlaubte Offenbarung von Geheimnissen des Anvertrauenden unter Strafe. Sie meinen offenbar, dass es notwendig sei, diesen Schutz auf Drittgeheimnisse zu erweitern. Das dürfte allerdings kaum so einfach sein. Zunächst habe ich als Anwalt die Interessen meines Mandanten zu wahren und kann daran nicht durch Dritte gehindert werden. Ob im Einzelfall der Dritte Tatsachen, die in einem Verfahren von ihm als Geheimnis gewertet werden, vorzutragen sind, kann ich daher nur am Interesse des Mandanten messen. Solange keine ernsthaften Formulierungsvorschläge für die von Ihnen gewollte Ausdehnung der Geheimhaltungsverpflichtung auf Drittgeheimnisse vorgelegt werden, kann ich Ihre erste Frage nicht mit einem einfachen ja oder nein beantworten. Ich sehe hier größte Probleme.
2.) Als Rechtsanwalt (und auch Stadtrats- und Kreistagsmitglied) gehe ich mit Geheimnissen sehr sorgfältig um, was bedeutet, ich wahre die Verschwiegenheit. Soweit ich in meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt zur Bearbeitung des Mandats Umstände des Gegners offenbaren muss, um die Interessen meines Mandanten ordnungsgemäß zu vertreten, geschieht dies mit der gebotenen Rücksichtnahme. Maßstab kann aber nur das Interesse des Mandanten sein. Soweit mir als Mandatsträger Geheimnisse Dritter bekannt werden, unterliegen diese m.E. der Verschwiegenheit und können nur im nichtöffentlichen Teil der Sitzungen Gegenstand von Äußerungen sein. Wollte man dies unterbinden wollen, dürfte im Einzelfall der Entscheidungsprozess beeinträchtigt werden. Ist mir z.B. bekannt, dass der Erwerbsinteressent für ein Grundstück nicht in der Lage sein dürfte, den Kaufpreis zu entrichten, ist das für die Verkaufsentscheidung von Bedeutung. Soweit ich diese Kenntnis jedoch aus der Bearbeitung eines Mandats von dem Erwerbsinteressent erlangt habe, habe ich Befangenheit anzuzeigen und zu schweigen. Habe ich diese Kenntnis jedoch im Rahmen der Bearbeitung des Mandats gegen den Dritten (z.B. aus einer Zwangsvollstreckung gegen ihn) erlangt, sehe ich keinen Hinderungsgrund diese Kenntnis - ohne Details - bei meiner Entscheidung und ggf. in der Diskussion zu verwerten. Ich verwende jedoch nur Tatsachen und keine Gerüchte. Die von Herrn Meißner losgetretene Diskussion bewegt sich jedoch im Wesentlichen um das Thema Drittgeheimnisschutz im medizinischen Bereich. Auch hier sehe ich nicht die Möglichkeit der einfachen Lösung, da die der Patientin verabreichten Schläge des Partners, von diesem gern als Geheimnis behandelt werden, es jedoch im Interesse der Patientin liegen dürfte, darauf keine Rücksicht zu nehmen.
Ich darf insoweit aus dem Beschluss des AG Rostock vom 01.08.2007 zu I AG 6/07 zitieren: " Die Ausweitung der Geheimhaltungsverpflichtung auf ein Drittgeheimnis,..., würde dazu führen, daß der Gegner, der unter Verstoß gegen § 138 ZPO wahrheitswidrig vorträgt und dadurch versuchten Prozessbetrug begeht, durch § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB geschützt wird." Im Übrigen kann man kaum dem Berufsgeheimnisträger mit Strafe drohen, wenn dem Anvertrauenden keine Strafe droht, sollte er das "Drittgeheimnis" offenbaren.
Schließlich gibt es für die "Drittgeheimnisse" den Schutz über die Bestimmungen der Verleumdung etc., sollte es sich dabei um frei erfundene Behauptungen handeln.
Mit freundlichen Grüßen
Alf-H. Borchardt