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So reagieren Politiker auf die abgeordnetenwatch.de-Veröffentlichung der Nebeneinkünfte

Die abgeordnetenwatch.de-Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten hat zahlreiche Reaktionen von Politikern und in den Medien hervorgerufen. Eine Übersicht:

von Martin Reyher, 29.07.2014

 


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Im Mittelpunkt der Kritik steht der CSU-Politiker Peter Gauweiler, Spitzenverdiener und Abgeordneter mit den meisten Fehlzeiten im Deutschen Bundestag. "Das brutale Desinteresse nervt, das Gauweiler am parlamentarischen Geschehen zeigt", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber gegenüber Spiegel Online. Derart hohe Summen schürten bei den Bürgern das Vorurteil vom raffgierigen Abgeordneten. Die 90 Prozent der "ehrlich rackernden Parlamentarier" müssten nun Kritik aushalten, für die eine kleine Gruppe um Gauweiler verantwortlich sei. "Der erste Job ist es, Abgeordneter zu sein." [Update 31.7.2014: Inzwischen hat sich aus Kelbers Kritik auf Spiegel Online ein öffentlicher Schlagabtausch entwickelt. Gauweiler konterte in einer Kolumne, auf die widerum Kelber bei Facebook reagierte.]

Angesichts der hohen Nebeneinkünfte des CSU-Abgeordneten bemerkt die Zeitung DIE WELT in ihrer Printausgabe: "Da wird die Politik in finazieller Sicht zum Hobby." Versehen ist der Artikel mit einer Fotomontage im Stile einer 'Wer wird Millionär'-Frage: "Mit welcher Tätigkeit verdient Gauweiler am meisten Geld? a.) Abgeordneter, b.) Anwalt, c.) CSU-Vize, d.) Volksschauspieler". Gegenüber der WELT ließ Gauweiler ausrichten, er wolle zum Thema Nebentätigkeiten nichts sagen.

Linken-Chef Bernd Riexinger erklärte gegenüber Spiegel Online, er habe den Eindruck, dass inzwischen "bestimmte Schamgrenzen" gefallen seien. Die hohen Honorare, die manche Abgeordnete bekämen, seien "hart an der Grenze zur indirekten Korruption". Anders, so Riexinger, seien Zahlungen von 15.000 bis 30.000 Euro etwa für Vorträge kaum zu erklären. "Ich halte das für unanständig. Entweder belohnen solche Zahlungen politisches Verhalten im Nachhinein - oder sie werden in der Annahme gezahlt, dass sich die Empfänger irgendwann erkenntlich zeigen."

Mit dem CDU-Abgeordneten und Landwirt Hans-Georg von der Marwitz äußerte sich auch einer der Spitzenverdiener: "Ich würde es unterstützen, wenn Abgeordnete ihre Einkommensteuererklärung veröffentlichen müssten", sagte von der Marwitz Spiegel Online. Das sei aussagekräftiger.

In dem gestrigen abgeordnetenwatch.de-Artikel zu den Nebentätigkeiten wird das Problem der anonymen Geschäftspartner am Beispiel des CDU-Politikers Johannes Röring geschildert:

Wer ist zum Beispiel der rätselhafte "Vertragspartner 3", von dem der Landwirt und CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Röring seit Jahresbeginn zwischen 75.000 und 100.000 Euro kassiert hat? Ist es eine wohlhabende Privatperson? Oder ein Unternehmen? Entscheidet der Politiker Röring am Ende über Gesetzentwürfe mit, die seinen "Vertragspartner 3" direkt oder indirekt betreffen?

Gegenüber den Ruhrnachrichten erklärte Röring: "Ich mache das exakt so, wie der Gesetzgeber es vorschreibt." Sein Steuerberater melde, in welche Kategorie seine jeweiligen Nebeneinkünfte fallen. "Das lässt sich auf der Homepage des Bundestages genau nachlesen."

Was sich auf der Bundestagshomepage in Wirklichkeit nachlesen lässt sind ungenaue Stufenangeben und namentlich nicht genannte Geschäftspartner - so wie von den Verhaltensregeln vorgesehen. Und die sind das Problem: Wie hoch die Einkünfte eines Abgeordneten tatsächlich sind, bleibt ebenso unklar wie die Namen seiner Geschäftspartner. Vor diesem Hintergrund hat abgeordnetenwatch.de die Petition "Verschleierung von Nebeneinkünften stoppen!" gestartet.

Zur Nebenbeschäftigung des CDU-Politikers Philipp Mißfelder für einen Verlag schreibt das Nachrichtenportal derwesten.de: "Was seine Nebeneinkünfte angeht, bleibt der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder kurz angebunden. Wofür er die von ihm angegebenen und von dem Internetportal abgeordnetenwatch.de am Montag veröffentlichten, mindestens 100.000 Euro von einem Verlag in Süddeutschland bekommt, ließ der 34-Jährige erneut offen. 'Für mich ist Politik kein Beruf. Ein politisches Mandat ist ein Mandat auf Zeit. Deshalb lege ich Wert darauf, unabhängig von der Politik zu bleiben', meinte Mißfelder auf Anfrage ganz knapp."

Dagegen äußerste sich gegenüber derwesten.de der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, der bislang keine anzeigepflichtigen Einkünfte meldete. Grundsätzlich habe er überhaupt nichts gegen Nebeneinkünfte. "Aber wenn die höher sind, als die Einkünfte im Hauptjob, wird es komisch", sagte Schwabe. Angesprochen auf Mißfelder ergänzte er: "Ich möchte wissen, wofür er das Geld konkret bekommt." Mißfelder müsse für Transparenz sorgen. "Es darf keine Verquickung zwischen dem politischen Mandat und privat-wirtschaftlichen Interessen geben."

In einem Interview mit der Nordwestzeitung sagte der Verfassungsrechtler Hans-Herbert von Arnim:

Wenn sich das Mandat zur Nebensache entwickelt, erst Recht, wenn derartige Exzesse bekannt werden, wird die Sache problematisch. Laut Gesetz muss die Parlamentsarbeit immer im Mittelpunkt der Tätigkeit des Abgeordneten stehen. Bei Herrn Gauweiler scheint mir das schon lange nicht mehr der Fall zu sein, auch nicht bei Herrn Steinbrück. Wenn Hunderttausende von Euro zusätzlich kassiert werden, bleibt die Arbeit im Parlament vermutlich auf der Strecke.

Zahlreiche Zeitungen fordern in ihren Kommentaren Konsequenzen nach den Veröffentlichungen von abgeordnetenwatch.de. Auszüge:

Hamburger Morgenpost (Print):

Die Wähler haben ein Recht darauf zu erfahren, wer mit dem Geld Einfluss auf die Volksvertreter nimmt. Wer das als Abgeordneter nicht will, muss auf die Nebentätigkeit verzichten - oder gefälligst sein Mandat zurückgeben.

Saarbrücker Zeitung:


Man kann nichts dagegen sagen, wenn im Bundestag auch Leute sitzen, die Erfahrungen als Unternehmer oder Selbstständige haben. Solange man nur weiß, wer die Quelle des Zusatzverdienstes ist, ist alles in Ordnung. Problematisch ist nur, wenn die Nebentätigkeiten überhandnehmen wie bei Peter Gauweiler, und wenn dieser Status noch mit einer Portion Überheblichkeit gegenüber anderen Abgeordneten gepaart ist. Da kann man nur hoffen, dass die CSU das Problem bald löst – bevor es ihr Problem wird.
 

Schwäbische Zeitung:

Der Wähler hat Anspruch darauf, über seine Vertreter Bescheid zu wissen. Dazu gehört auch eine detaillierte Aufschlüsselung von deren Einnahmen, bis hin zu genauen Zahlen. Das hat nichts mit einer Neiddebatte zu tun, sondern damit, dass sich der Souverän umfassend informieren muss, woher seine Abgeordneten ihr Geld beziehen, und ob eventuell Interessenkonflikte mit dem Mandat bestehen.
 

Nordwestzeitung:

Die Debatte über die Vortragshonorare des gescheiterten SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hat zwar für erste Konsequenzen bei der Veröffentlichung geführt. Doch noch immer fehlt es bei den Nebenjobs der Politiker an Transparenz. Wer für was genau bezahlt, bleibt oft im Dunkeln. Wer den Job des Politikers nur zur Aufbesserung seines Einkommens und der Altersversorgung wählt und ihn als Nebenberuf ansieht, ist fehl am Platze.

Mindener Tageblatt:

Jeder vierte Parlamentarier geht einem bezahlten Nebenjob nach, vier Abgeordnete kassieren jährlich mehr als eine viertel Million Euro von anderen Herren, Topverdiener ist der CSU-Mann und Rechtsanwalt Peter Gauweiler. Es hat nichts mit Neid zu tun, dies bedenklich zu finden. Bei arbeitsintensiven Zusatz-Jobs ist es schwer vorstellbar, dass das Mandat nicht darunter leidet. Nach der Debatte über Peer Steinbrücks üppige Nebeneinkünfte sind die Transparenzregeln zurecht verschärft worden. Doch hat die Öffentlichkeit von den Informationen praktisch nichts. Denn aus den pauschalen Zahlen lässt sich nicht ablesen, wie gewissenhaft dieser oder jener seinen Aufgaben im Parlament nachkommt, und ob es womöglich bedenkliche Abhängigkeitsverhältnisse gibt.

Das Hamburger Abendblatt überschreibt seinen Kommentar mit "Die Diener zweier Herren" und legt den beiden heimischen Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse (CDU, mindestens 7.000 Euro monatlich von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald) und Johannes Kahrs (SPD, 1.600 Euro im Monat als Fachbeirat eines Dämmstoffherstellers) den Verzicht auf ihre Nebenjobs nahe.

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