Amthor-Affäre

Augustus Intelligence klagt gegen Herausgabe von Lobbyschreiben an abgeordnetenwatch.de

Das Unternehmen Augustus Intelligence will mit rechtlichen Mitteln verhindern, dass abgeordnetenwatch.de eines der zentralen Dokumente aus der Amthor-Affäre erhält. Das umstrittene Start-up hat jetzt vor dem Berliner Verwaltungsgericht Klage gegen das Bundeswirtschaftsministerium eingereicht. Es geht um ein Lobbyschreiben, in dem der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) um politische Unterstützung für Augustus warb.

von Martin Reyher, 01.03.2021
Philipp Amthor (CDU)

„Ist Philipp Amthor käuflich?“ fragte der SPIEGEL am 12. Juni 2020 in einem langen Artikel über den CDU-Bundestagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern. Amthor, so der Vorwurf, habe bei der Bundesregierung für das New Yorker Unternehmen Augustus Intelligence Inc. lobbyiert und von dessen Erfolg womöglich persönlich profitiert: Er erhielt Aktienoptionen von Augustus und wurde Direktor bei dem Unternehmen.

Nun ist um das zentrale Dokument der Lobbyaffäre ein Rechtsstreit entbrannt. Augustus Intelligence will mit einer Klage gegen das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) vor dem Verwaltungsgericht Berlin verhindern, dass Passagen daraus in ungeschwärzter Form an abgeordnetenwatch.de und die Initiative fragdenstaat.de herausgegeben werden (Aktenzeichen 2 K 93/21). Es geht um jenes Schreiben, in dem Amthor den Bundeswirtschaftsminister im Herbst 2018 um politische Unterstützung für das junge Start-up bat. Der pikante Lobbybrief ist bis heute nicht öffentlich geworden, auch nicht in geschwärzter Fassung.

„Dritte“ hätten beim Ministerium Einwände erhoben und weitergehende Schwärzungen verlangt

Seit einem dreiviertel Jahr bemühen sich abgeordnetenwatch.de und fragdenstaat.de unabhängig voneinander, über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Zugang zu Amthors Lobbyschreiben an seinen Parteifreund Altmaier zu erhalten. Dass das Verfahren derart lange dauert, liegt vor allem am beharrlichen Widerstand von Augustus Intelligence gegen die Herausgabe.

Ursprünglich wollte das Wirtschaftsministerium das in einigen Teilen geschwärzte Schreiben schon Ende Oktober 2020 an abgeordnetenwatch.de und fragdenstaat.de übermitteln. Doch „Dritte“ hätten beim Ministerium Einwände erhoben und weitergehende Schwärzungen verlangt, hieß es damals in einem Bescheid des BMWi an abgeordnetenwatch.de. Gemeint war Augustus Intelligence. 

Warum will Augustus weitergehende Schwärzungen durchsetzen?

Am Freitag vergangener Woche teilte das BMWi gegenüber abgeordnetenwatch.de mit, dass Augustus eine Herausgabe vor Gericht verhindern will: „Augustus Intelligence Inc. hat am 8. Februar 2021 Klage beim Verwaltungsgericht Berlin gegen den Bescheid zu Ihrem Antrag auf Informationszugang in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2021 erhoben."

Dass Augustus Intelligence zu Rechtsmitteln gegen das Wirtschaftsministerium greift, ist höchst verwunderlich. Das BMWi ist nicht bekannt dafür, bei der Herausgabe von Unterlagen leichtfertig mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen von Unternehmen umzugehen. Vielmehr ist anzunehmen, dass das Ministerium in anderen Fällen eher zu viel als zu wenig schwärzte. Warum Augustus bei dem Amthor-Schreiben auf noch sehr viel weitergehende Schwärzungen beharrt, ist unklar. In jedem Fall wird das brisante Dokument durch die Klage auf lange Zeit der Öffentlichkeit entzogen bleiben.

Lobbybrief an Altmaier bisher nur in Ausschnitten bekannt

Der Inhalt des Lobbybriefes an Altmaier ist bislang nur in Teilen bekannt. Darin knüpft Amthor laut SPIEGEL an ein Gespräch an, das er mit dem Minister einige Tage zuvor am Rande einer Fraktionssitzung geführt habe, um diesen auf ein "spannendes und politisch vielversprechendes Investitionsvorhaben" von Augustus anzusprechen. Jetzt wolle er Altmaier ein Gespräch mit dem Firmenchef vermitteln, sein Bundestagsbüro stehe "jederzeit für eine Terminfindung zur Verfügung".

Dem SPIEGEL liegt allerdings nicht der Originalbrief von Philipp Amthor vor, der am 2. Oktober 2018 im Bundeswirtschaftsministerium einging. Das Magazin hat vielmehr Zugriff auf eine Entwurfsfassung, die Ende September bei Augustus Intelligence kursierte. Bei dem Start-up sorgte Amthors geplanter Brief damals für Begeisterung. "So ein geiler Typ", soll einer der Firmen-Mitgründer laut SPIEGEL in einem internen Chat geschrieben haben. "Wir müssen uns echt bei ihm bedanken."

Amthor öffnete Augustus-Leuten die Tür zum Wirtschaftsministerium

Amthors Lobbydienste öffneten dem aufstrebenden Start-up einige Wochen später die Türen zum Bundeswirtschaftsministerium. Im November 2018 besuchten Augustus-Leute im Beisein des CDU-Bundestagsabgeordneten zweimal den damaligen Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister, Amthors Parteifreund Christian Hirte.

Nach Auffliegen der Amthor-Affäre im vergangenen Sommer leitete die Generalstaatsanwaltschaft Berlin aufgrund einer Strafanzeige ein Verfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern ein. Dieses wurde wenig später eingestellt.

Kanzleramt verheimlichte Lobbytreffen zu Augustus

Doch politisch hallt der Skandal bis heute nach. Als Konsequenz aus dem Fall Amthor wollten Union und SPD die Transparenzregeln für Abgeordnete verschärfen. Parlamentarier:innen sollten künftig auch Aktienoptionen transparent machen müssen, so die Ankündigung. Doch bis heute liegt kein entsprechender Gesetzentwurf vor.

Auch bis zur Veröffentlichung von Amthors Lobbyschreiben an Wirtschaftsminister Altmaier könnte noch etliche Zeit ins Land ziehen. „Ein Klageverfahren kann mehrere Jahre dauern“, so das BMWi.

In der Lobbyaffäre um Philipp Amthor hatte abgeordnetenwatch.de in den vergangenen Monate bereits mehrere interne Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht. Vergangenen August enthüllten wir, dass das Bundeskanzleramt ein Treffen zu Augustus zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem früheren Verteidigungsminister und Lobbyisten Karl-Theodor zu Guttenberg der Opposition gegenüber verheimlicht hatte. Zuvor hatten wir ein Schreiben veröffentlicht, in dem sich der früherer Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen beim Bundesinnenministerium juristische Ratschläge für einen Mitarbeiter von Augustus Intelligence eingeholt hatte.

Ergänzung vom 12. März 2021:

Wir haben gestern beim Berliner Verwaltungsgericht einen Antrag auf Beiladung zum Verfahren gestellt. Dies erlaubt uns, in dem Rechtsstreit zwischen Augustus Intelligence und dem Wirtschaftsministerium vor Gericht gehört zu werden.

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