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"Hausausweise nicht nur für Lobbyisten": Abgeordnete verteilen Zugangskarten an Passanten

Weil sie sich durch Lobbyisten regelrecht bedrängt fühlen, haben zwei Abgeordnete jetzt Bundestags-“Hausausweise” an Passanten verteilt. Damit wollen sie auf die inflationäre Vergabe von Zugangsberechtigungen für Lobbyisten hinweisen. Noch immer gibt es im Parlament mehr Interessenvertreter als Abgeordnete.

von Gast / gelöscht, 04.07.2017
SPD-Parlamentarier Marco Bülow und Cansel Kiziltepe mit Passanten

 

 

Vor kurzem berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass trotz einer Zugangsverschärfung 2016 noch immer 706 Interessenvertreter über einen Hausausweis für den Bundestag verfügen. Mit anderen Worten: Im Parlament gibt es mehr Lobbyisten als Abgeordnete.

Die beiden SPD-Parlamentarier Marco Bülow und Cansel Kiziltepe fühlen sich nach eigenen Angaben durch Lobbyisten regelrecht bedrängt. Aus ihrer Sicht besteht ein massives Beeinflussungs-Potential, wenn Interessenvertreter ungehindert in den Abgeordnetenbüros ein und ausgehen können.

Bülow und Kiziltepe haben jetzt mit einer öffentlichen Aktion auf das Problem mit dem freien Zugang von Lobbyisten aufmerksam gemacht. Vergangenen Mittwoch verteilten sie unter dem Motto „Menschen eine Lobby geben - Hausausweise nicht nur für Lobbyisten“ vor dem Berliner Hauptbahnhof symbolisch „Hausausweise“ an Bürgerinnen und Bürger. Mit der Aktion unweit des Bundestages wollten die beiden Abgeordneten zeigen, dass zwar Lobbyisten einen uneingeschränkten Zugang zu den Gebäuden des Bundestags bekommen können, Bürgerinnen und Bürger jedoch nicht.

Seit einiger Zeit ist das Thema Lobbyismus weit oben auf der Tagesordnung von Öffentlichkeit, Politik und Medien. Einer der Auslöser war eine abgeordnetenwatch.de-Klage von 2015, durch die nicht nur die Inhaber der begehrten Zugangskarten erstmals öffentlich bekannt wurden. Als Konsequenz aus der Klage verschärfte der Bundestag die Zugangsregeln für Interessenvertreter und schaffte eine intransparente Vergabe-Praxis über die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen ab. Lobbyisten können sich seitdem nur noch direkt an die Bundestagsverwaltung wenden um einen der beliebten Hausausweise zu ergattern.

Um den Lobbyeinfluss auf politische Entscheidungsträger transparenter zu machen, hat abgeordnetenwatch.de zusammen mit LobbyControl einen Gesetzesentwurf für ein verpflichtendes und öffentliches Lobbyregister ausgearbeitet und veröffentlicht. Auch die beiden Bundestagsabgeordneten Marco Bülow und Cansel Kiziltepe sehen in einem solchen Register ein wirksames Instrument gegen geheimen Lobbyismus.

Bei ihrer Verteilaktion vor dem Berliner Hauptbahnhof erzählt Cansel Kiziltepe, wie sie als Mitglied des Finanzausschuss 2016 im Rahmen der Erbschaftsteuer “massivem Druck von Konzernen” ausgesetzt war. Auch Marco Bülow fühlt sich bedrängt und hat wiederholt in Fraktion und Parlament versucht, das Thema Lobbyregulierung voranzubringen. Da seine Initiativen ausgebremst wurden – insbesondere der Koalitionspartner von CDU und CSU sperrt sich gegen mehr Lobbytransparenz – entwarf Bülow zusammen mit seinem Grünen-Kollegen Gerhard Schick einen Verhaltenskodex, bei dem sich Abgeordneten u.a. zu einer Begrenzung von Nebeneinkünften und einer Unterstützung des Lobbyregisters verpflichten. Diesen Verhaltenskodex haben bisher 46 Bundestagsabgeordneten aus den Reihen von SPD, Grünen und Linksfraktion unterschrieben.


Bisherige Unterzeichner/innen des Verhaltenskodex:

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