2 Euro pro Wählerstimme versprochen: Ermittlungen wegen versuchter Wählerbestechung

Im Fall seines Einzugs ins Parlament versprach ein Bundestagskandidat 2 Euro für jede Wählerstimme. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Wählerbestechung – nicht der einzige Fall, der juristische Konsequenzen hatte.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 06.11.2017
Profilseite Jörg Schnurre auf abgeordnetenwatch.de
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Vor der letzten Bundestagswahl fanden die Menschen im Wahlkreis Dessau-Wittenberg einen Wahlwerbeflyer der etwas anderen Art in ihren Briefkästen: ein sogenanntes "Zukunftsticket". Sie sollten zwei Kreuze für die FDP abgeben – dafür stellte ihnen der Direktkandidat der Partei, Jörg Schnurre, Geldgeschenke in Aussicht. Zwei Euro gab es, sollte er in den Bundestag einziehen, einfach so. Ein weiterer Euro wurde versprochen für jeden Bekannten, den man auf das Zukunftsticket aufmerksam machte. Und noch einen Euro gab es, wenn man diese Aktion bei Facebook teilte. 

Diese Wahlkampagne hat dem FDP-Kandidaten nun ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der "Wählerbestechung" (s. Kasten) eingebracht. Hinzu kommt, dass Schnurre damit nicht nur sich selbst strafbar machte, sondern Wählerinnen und Wähler dazu verleitete, eine Straftat zu begehen. Denn nicht allein die Vergabe derartiger "Wahlgeschenke" ist strafbar, sondern auch deren Annahme.

Weitere Verfahren wegen Wählerbestechung

§ 108b StGB Wählerbestechung

"(1) Wer einem anderen dafür, daß er nicht oder in einem bestimmten Sinne wähle, Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Laut MDR wurde der FDP-Politiker vom zuständigen Kreiswahlleiter angezeigt, allerdings hatte Schnurre einen Tag zuvor bereits Selbstanzeige erstattet. Schnurre wollte gegenüber abgeordnetenwatch.de zu seiner Wahlkampfaktion bislang nicht Stellung nehmen, trotz mehrerer Anfragen. Die Staatsanwaltschaft bestätigte die laufenden Ermittlungen.

Ein ähnlicher Fall ereignete sich 2008 in Bischofswerda. Dort warb der damalige CDU-Oberbürgermeister der Stadt damit, dass er "bei Wiederwahl für jede erhaltene Stimme 1,- € für die Vereine unserer Stadt!" spenden würde. Zwar wurde das Verfahren zur Wählerbestechung eingestellt, das Gericht erklärte die Wahl jedoch aufgrund "unzulässiger Wählerbeeinflussung" für ungültig. Bei der Wiederholungswahl erhielt der Amtsinhaber erneut die Mehrheit der Stimmen.

Auch in zwei anderen Fällen gab es in der Vergangenheit Anzeigen mit dem Vorwurf der Wählerbestechung. Im brandenburgischen Nauen wurde ein Lokalpolitiker freigesprochen, der Bürgern 5 Euro dafür gegeben hatte, dass diese eine Unterschrift für Vertreter kleinerer Parteien bei einer Landratswahl leisteten. Damit wollte der Piraten-Politiker auf eine Ungerechtigkeit im Wahlsystem aufmerksam machen, da Kandidaten größerer Parteien keine Unterstützungsunterschriften sammeln mussten. Der Pirat wurde freigesprochen, da er nicht explizit für seine Partei geworben hatte. Bei einem weiteren Prozess in Hamm gegen einen "Pro-NRW"-Politiker, bei dem es auch um eine Bezahlung für Unterstützerunterschriften ging, gab es ebenfalls einen Freispruch, jedoch erst in zweiter Instanz.

Gesamtheitlich betrachtet kommen Verfahren wegen des Verdachts der Wählerbestechung allerdings eher selten vor. Der Bundeswahlleiter und mehrere Staatsanwaltschaften erklärten gegenüber abgeordnetenwatch.de, dass ihnen keine vergleichbaren Fälle bekannt seien. 

Freikarten als Wahlgeschenke

Gar nicht so selten ist dagegen, dass Kandidierende Wahlgeschenke machen, die über den Preis eines Kugelschreibers oder eines Luftballons hinausgehen. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke lockte potenzielle Wähler zum Beispiel mit der Aussicht auf eine Freikarte für den örtlichen Erlebnispark. Sein Abgeordneten-Kollege Steffen Bilger von der Schwesterpartei CDU vergab unter dem Motto "GO FOR LUDWIGSBURG" 100 Freikarten für ein Qualifikationsspiel der Basketball-Champions League. Auch hier zielte die Aktion wie im Fall des FDP-Kandidaten Schnurre auf Erstwähler ab.

Das Verschenken von Freikarten fällt jedoch nicht unter „Wählerbestechung“, jedenfalls dann nicht, wenn das Geschenk nicht an eine Gegenleistung geknüpft ist.

Die Frage ist, bis zu welchem Maß der Einsatz von werthaltigen Wahlgeschenken legitim ist. Wer attraktive Freikarten einsetzt um Wähler für sich zu gewinnen, verschafft sich so einen Vorteil gegenüber seinen Mitkandidierenden, die oftmals über kleinere Wahlkampfbudgets verfügen. Der Einsatz von teuren Wahlgeschenken führt überdies dazu, dass politische Inhalte in den Hintergrund geraten.

 

Jannis Kegler, Torben Dzillak

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