Europarat

AfD-Politiker Petr Bystron verweigerte Angaben zu finanziellen Interessen

Fehlende Angaben beim Europarat bringen den AfD-Abgeordneten Petr Bystron in Erklärungsnot. Als einziger Vertreter Deutschlands hat er keine Interessenerklärung zu Spenden, Geldgeschenken und Reisen abgegeben. Auch eine Firmenbeteiligung des Politikers wirft Fragen auf.

von Martin Reyher, 16.04.2024 - zuletzt geändert 17.04.2024
AfD-Abgeordneter Petr Bystron
Warum reichte Peter Bystron keine Interessenerklärung beim Europarat ein? Fragen von abgeordnetenwatch.de ließ der AfD-Politiker unbeantwortet.

Wenig Zeit? Der Artikel in Kürze

36 Bundestagsabgeordnete sind Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, was sie zu weitreichenden Transparenzangaben verpflichtet. 35 von ihnen haben für 2024 eine Interessenerklärung (“Declaration of interests”) eingereicht, darunter Armin Laschet (CDU), Frank Schwabe (SPD), Konstantin Kuhle (FDP) und Sevim Dagdelen (BSW). Bei dem AfD-Abgeordneten Petr Bystron fehlt eine solche Erklärung.

In der "Declaration of interests" müssen die Abgeordneten Angaben zu ihren Tätigkeiten und finanziellen Interessen machen, u.a. zu Unternehmensposten, Geldgeschenken und Reisen.

Dass Bystron den Transparenzpflichten im Europarat nicht nachgekommen ist, hat die Institution inzwischen offiziell festgestellt: Der AfD-Politiker steht als einziger Vertreter Deutschlands auf einer Liste von Mitgliedern, die für das Jahr 2024 keine Interessenerklärung eingereicht haben. Die Frist lief Ende Februar ab. Auf Fragen von abgeordnetenwatch.de zu den Gründen ging Bystron nicht ein.

Gegen Bystron gibt es derzeit Vorwürfe, Geld aus einem prorussischen Netzwerk um die Internetplattform “Voice of Europe” angenommen zu haben. Der Politiker, der auf Listenplatz 2 der AfD zur Europawahl kandidiert, hat entsprechende Medienberichte mehrfach als unwahr und “verleumderisch” zurückgewiesen.

Angaben für 2022 und 2023 womöglich unvollständig

Bystron wurde 2022 vom Bundestag als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung gewählt. Für die Jahre 2022 und 2023 gab er Interessenerklärungen ab. Doch diese sind möglicherweise unvollständig. 

Seit vielen Jahren ist Bystron auch Eigentümer und alleiniger Geschäftsführer eines Unternehmens. Das Unternehmen wechselte mehrfach den Namen und ist seit 2004 als Lendvay GmbH im Handelsregister eingetragen. Auch der Gesellschaftszweck veränderte sich: Aus "Betrieb einer Agentur für Werbe- und Kommunikationsleistungen" wurde "Herstellung, Reparatur und Vertrieb von Lederschuhen". 

Bystrons Unternehmen ist darüber hinaus in einem anderen Zusammenhang aktiv: Die Lendvay GmbH ist im Impressum einer Internetseite aufgeführt, über die ein Buch des AfD-Abgeordneten beworben und vertrieben wird.

Zu seiner Unternehmensbeteiligung und der Tätigkeit als Geschäftsführer gibt es in Bystrons Interessenerklärungen der Jahre 2022 und 2023 keine Hinweis. Auf Anfrage wollte sich Bystron nicht zu den Gründen äußern. 

Update 17. April 2024: 

Wie das Portal Politico meldet, habe sich Bystron inzwischen beim AfD-Bundesvorstand für die Nicht-Abgabe der Interessenerklärung entschuldigt. "Dass ich die Erklärung nicht gezeichnet habe, hat den Grund, dass ich in wenigen Wochen ins Europäische Parlament wechsle und nicht mehr im Europarat eine Funktion einnehme."

Einmal im Jahr müssen die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für Transparenz in eigener Sache sorgen. Welche Einkünfte beziehen sie? Wurden sie zu Reisen eingeladen? Bekamen sie Geschenke?

Für die meisten ist das reine Formsache. Von den 36 Bundestagsabgeordneten, die Deutschland in Straßburg vertreten, haben 35 eine Interessenerklärung ("Declaration of interests") für das laufende Jahr abgegeben. Dazu gehören beispielsweise Armin Laschet (CDU), Frank Schwabe (SPD), Konstantin Kuhle (FDP) und Sevim Dagdelen (BSW).

Der einzige Vertreter Deutschlands, der für 2024 keine Erklärung vorgelegt hat, ist der AfD-Politiker Petr Bystron (Stand: 16. April 2024). 

Bystron soll Geld aus einem prorussischen Netzwerk angenommen haben. Er bestreitet das.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete steht seit Tagen in den Schlagzeilen. Ende März berichteten der SPIEGEL und die tschechische Zeitung Deník N, dass Bystron Geld aus einem prorussischen Netzwerk um das Portal "Voice of Europe" (VoE) erhalten haben soll (Hintergründe siehe Kasten). Bystron weist die Vorwürfe als unwahr und "verleumderisch" zurück. "Zu keinem Zeitpunkt" habe er "von einem Mitarbeiter von VoE (oder irgendeinem Russen) Geldzahlungen oder Kryptowährungen bekommen", schrieb Bystron in einer Stellungnahme, zu der ihn die AfD-Parteiführung aufgefordert hatte. Bei der Europawahl im Juni steht er auf Listenplatz 2 der AfD.

Enthüllungen zum "Voice of Europe"-Netzwerk

Laut Medienberichten hat die tschechische Regierung eine groß angelegte “Einflussoperation Russlands” vor der Europawahl im Juni aufgedeckt. Im Mittelpunkt steht die Internetplattform "Voice of Europe", die von einem Freund des russischen Präsidenten Putin - dem Oligarchen Wiktor Medwedtschuk - und dessen Vertrautem gesteuert sein soll. Das in Prag ansässige Medienunternehmen soll laut SPIEGEL und dem tschechischen Portal "Deník N" unter anderem zur verdeckten Finanzierung von Kandidierenden zur Europawahl gedient haben. Die Medien berufen sich auf Angaben des tschechischen Geheimdienstes.

Dass Bystron den Transparenzpflichten im Europarat nicht nachgekommen ist, hat die Parlamentarische Versammlung inzwischen auch offiziell festgestellt: Der AfD-Politiker steht als einziger Vertreter Deutschlands auf einer Liste mit 138 Mitgliedern, die eine Interessenerklärung für das laufende Jahr schuldig geblieben sind. Die Einreichungsfrist lief Ende Februar ab. Das deutsche Sekretariat hatte die Abgeordneten zuvor "mehrfach" auf die Frist hingewiesen, wie dieses auf Anfrage mitteilte.

Spürbare Konsequenzen hat das nicht. Bei einem Verstoß dürfen Mitglieder nicht mehr als Berichterstatter:in tätig sein oder in einem Ad-hoc-Wahlbeobachtungsausschuss mitwirken. Für die Betroffenen bedeutet das vermutlich keine große Einschränkung.

Liste von Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung, die keine "Declaration of interests" eingereicht haben
"Keine Interessenerklärung innerhalb der Frist eingereicht": Petr Bystron, AfD-Bundestagsabgeordneter und stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Korruptionsfälle und Hausverbote

Die Offenlegungspflicht soll Vertrauen fördern. Denn um den Ruf der Versammlung ist es nach mehreren Korruptionsfällen in den vergangenen Jahren ("Aserbaidschan-Affäre") schlecht bestellt. 2018 verhängte der Europarat gegen die damalige und inzwischen verstorbene CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz und den früheren CSU-Politiker Eduard Lintner ein lebenslanges Hausverbot. Über Umwege sollen sie Geld vom autokratischen Regime in Aserbaidschan angenommen und dies nicht transparent gemacht haben.

Der Europarat ist die älteste zwischenstaatliche Organisation Europas und nicht zu verwechseln mit Institutionen der Europäischen Union. Mitglied sind u.a. San Marino, das Vereinigte Königreich und die Ukraine. Russland wurde 2022 wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine ausgeschlossen. Ziel der Staatengruppe sind der Schutz der Menschenrechte, der pluralistischen Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.

Weitreichende Offenlegungspflichten – zu Reisen, Geschenken und Firmenposten

Die Parlamentarische Versammlung stellt selbst hohe Ansprüche an sich und ihre Mitglieder, zumindest auf dem Papier. Die 612 Vertreter:innen aus den 46 Mitgliedsstaaten müssen detaillierte Angaben zu ihren Tätigkeiten und finanziellen Interessen machen. Offenzulegen sind u.a.

  • Tätigkeiten in Unternehmen im In- und Ausland,
  • gelegentliche Beratungs- und Lobbydienstleistungen in den letzten zwei Kalenderjahren (bezahlt oder unbezahlt),
  • Geschenke mit einem Wert von mehr als 200 Euro sowie andere Vorteile (Bewirtungen, Einladungen zu Sport- oder Kulturveranstaltungen etc.),
  • Spenden, Geldgeschenke Dritter sowie weitere Unterstützung (finanziell, personell oder materiell),
  • Reisen, "bei denen die Reise-, Unterbringungs- oder Verpflegungskosten im vergangenen Kalenderjahr ganz oder teilweise von einem Dritten übernommen wurden",
  • "alle relevanten wirtschaftlichen, kommerziellen, finanziellen oder sonstigen Interessen, ob beruflich oder persönlich, des Ehepartners und anderer Familienangehöriger sowie bezahlter oder ehrenamtlicher Mitarbeiter, die die Wahrnehmung [der] Pflichten in der Parlamentarischen Versammlung [...] beeinflussen könnten".

Warum hat Bystron keine “Declaration of interests” für 2024 abgegeben?

2022 und 2023 reichte Bystron eine Erklärung ein. Doch diese sind womöglich unvollständig

abgeordnetenwatch.de hat dem AfD-Politiker einen Fragenkatalog zu seiner fehlenden Interessenerklärung geschickt. Bystron ließ über sein Bundestagsbüro mitteilen, es seien "bereits alle Fragen zu dem Themenkomplex VoE in den letzten Tagen (zum Teil mehrfach)" beantwortet worden. "Bis auf Weiteres" wolle er sich zu dem Fall nicht mehr äußern. Auf Nachfrage, an welcher Stelle sich Bystron zu der fehlenden Interessenerklärung beim Europarat geäußert hat, reagierte sein Büro nicht.

Bystron wurde im Januar 2022 vom Bundestag als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gewählt. Seitdem unterliegt er den Offenlegungspflichten.

In den Jahren 2022 und 2023 legte der AfD-Politiker Interessenerklärungen vor. Doch diese sind womöglich unvollständig.

Parlamentarische Versammlung des Europarates
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates in Straßburg ist wegen mehrerer Korruptionsfälle ("Aserbaidschan-Affäre") in Verruf gekommen. Offenlegungspflichten für die Mitglieder sollen Vertrauen fördern.

In seiner “Declaration of interests” für 2022 und 2023 macht Bystron lediglich eine Angabe: dass er als Mitglied des Deutschen Bundestags 10.000 Euro monatlich erhält. Darüber hinaus: keine weiteren Tätigkeiten, keine weiteren Einkünfte. "No declaration", ist bei zehn der elf Kategorien vermerkt.

Doch Bystron ist nicht nur Berufspolitiker, sondern auch Geschäftsmann. Seit vielen Jahren gehört ihm ein Unternehmen.

Laut Handelsregister hat die Firma mehrfach den Namen gewechselt. Zunächst hieß sie Heering & Bystron GmbH, später Bystron GmbH. Seit 2004 ist die Gesellschaft als Lendvay GmbH beim Amtsgericht München registriert. Alleiniger Geschäftsführer: Petr Bystron.

Bystrons Firma: Erst Werbeagentur, dann Fachbetrieb für Lederschuhe

Über die Jahre änderte sich neben dem Namen auch der Gesellschaftszweck, also die inhaltliche Ausrichtung. Aus "Betrieb einer Agentur für Werbe- und Kommunikationsleistungen" wurde im Jahr 2004 "Herstellung, Reparatur und Vertrieb von Lederschuhen".

Allerdings ist die Lendvay GmbH nicht nur im Zusammenhang mit Fußbekleidung aktiv. Das Unternehmen steht im Impressum einer Internetseite, über die ein 2021 erschienenes Buch von Bystron beworben und vertrieben wird. Es heißt “Make Europe Great Again - Die neurechte Politikergeneration” und ist je nach Ausführung (“Handsigniert”, “Nagelneu”, “Geöffnet”) für einen Preis zwischen 19,90 Euro und 29,90 Euro bestellbar.

Petr Bystron - Internetshop
Über ein Internetportal ist ein Buch von Petr Bystron zu erwerben. Verantwortlich ist eine Firma des AfD-Politikers, die eigentlich im Schuhgewerbe tätig ist.

abgeordnetenwatch.de hat Bystron Fragen zu seiner unternehmerischen Tätigkeit gestellt. Was genau macht die Lendvay GmbH? Wie kam es zu der inhaltlichen Neuausrichtung von einer Kommunikationsagentur zu einem Fachbetrieb für Lederschuhe? Waren seine "Declaration of interests" der Jahre 2022 und 2023 korrekt? Der AfD-Abgeordnete antwortete darauf nicht.

Fragen stellen sich auch im Zusammenhang mit Bystrons Angaben, die er beim Deutschen Bundestag gemacht hat.

Sind die Transparenzangaben beim Bundestag vollständig?

Auf seiner Profilseite beim Bundestag gibt der AfD-Abgeordnete die Beteiligung an der Lendvay GmbH an, die Tätigkeit als Geschäftsführer fehlt (Stand: 16. April 2024).

Nach Angaben eines Bundestagssprechers muss eine solche Tätigkeit dann veröffentlicht werden, wenn der Geschäftsführer entweder eine Vergütung erhält oder gewinnberechtigter Gesellschafter ist, der persönlich an der Erfüllung von Verträgen mit Dritten mitwirkt. Ob das auf Bystron zutrifft, muss jetzt die Bundestagsverwaltung klären.

Wie auch immer: Dass Bystron Probleme mit der Verwaltung bekommen wird, ist schon aus einem praktischen Grund nicht zu erwarten. Als Listenplatz 2 dürfte der AfD-Kandidat Anfang Juni ins Europäische Parlament gewählt werden. Dann ist der Bundestag nicht mehr zuständig.

Im Europaparlament erwarten den AfD-Politiker neue Offenlegungspflichten.


Update 17. April 2024:

Wie das Portal Politico mit Bezug auf unsere Recherche berichtet, hat Bystron sich inzwischen beim AfD-Bundesvorstand für die Nicht-Abgabe seiner Interessenerklärung entschuldigt. "Dass ich die Erklärung nicht gezeichnet habe, hat den Grund, dass ich in wenigen Wochen ins Europäische Parlament wechsle und nicht mehr im Europarat eine Funktion einnehme," wird der Abgeordnete in dem Bericht zitiert.

Dass Bystron sich gegenüber dem AfD-Bundesvorstand äußerte, lässt darauf schließen, dass ihn die Parteiführung mit dem Vorgang konfrontiert hatte. Das ist bemerkenswert. Denn auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de hieß es vergangene Woche aus der AfD, man fühle sich nicht zuständig.

Wir hatten die Parteiführung u.a. gefragt, ob ihr die nicht eingereichte Interessenerklärung bekannt sei und sie Bystron damit konfrontiert habe bzw. konfrontieren werde. 


 

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