Zuletzt war noch einmal eine Menge Papier bedruckt worden. 25 Seiten umfasste die Berufungsbegründung, in der der Bundestag seine Transparenzverweigerung in Sachen Lobbyisten-Hausausweise juristisch zu untermauern versuchte; zwei Seiten länger war die Erwiderung unserer Anwältin. Diese Schriftsätze können nun in den Schredder wandern. Sie werden nicht mehr gebraucht.
"In der Verwaltungsstreitsache Parlamentwatch e.V. ./. Bundesrepublik Deutschland nehmen wir für die Beklagte die Berufung zurück", heißt es kurz und knapp in dem Schreiben, das die vom Bundestag beauftragte Kanzlei Redeker Sellner Dahs kürzlich beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einreichte. Damit ist das von uns erwirkte Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom 18. Juni 2015 auf Offenlegung der Lobbyisten-Hausausweise rechtskräftig und unsere Transparenzklage nun auch offiziell gewonnen (Verwaltungsgericht Berlin, VG 2 K 176.14).
Viel zu holen gab es für die Bundestagsverwaltung in diesem Prozess ohnehin nicht mehr. Denn nach einer Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in einem parallel laufenden Verfahren hatte sie die Lobbyisten-Liste öffentlich machen müssen. Darauf stehen, wie sich durch die Veröffentlichung Ende November herausstellte, die Namen von 470 Unternehmen, Verbänden und Organisationen, deren Mitarbeiter über die Fraktionen Zugang zum Deutschen Bundestag erhalten haben. Durch dieses Urteil, das der Tagesspiegel auf Grundlage des Presserechts erwirkt hatte, war auch unsere Forderung im Kern erfüllt.
Für den Staat wird es jetzt noch schwerer, Bürgeranfragen abzuwehren
Dass die Bundestagsverwaltung nun endlich zur Einsicht gekommen ist und ihre Berufung zurückzieht, bedeutet eine Stärkung der Bürgerrechte. Denn in Zukunft können sich alle Bürgerinnen und Bürger auf das Verwaltungsgerichts-Urteil vom Juni berufen, das wir mit unserer Transparenzklage erwirkt haben. Dies gilt zunächst zwar nur bei künftigen Anfragen an den Deutschen Bundestag auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), in denen es um eine aktuelle Liste der Hausausweis-Inhaber geht.
Doch wichtiger als dieser konkrete Einzelfall ist, dass die Rechtsprechung in dem vergleichsweise neuen Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes mit einem weiteren IFG-freundlichen Urteil fortgeschrieben wurde. Künftig wird es für staatliche Stellen noch schwerer werden, Anfragen von Bürgerinnen und Bürger abzuwehren. Eine gute Nachricht ist die Einstellung des Prozesses auch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, denn nun ist ein mehrjähriges Gerichtsverfahren, das sich bis zur 3. Instanz beim Bundesverwaltungsgericht hätte ziehen können, abgewendet. Bereits jetzt hat die Transparenzverweigerung des Bundestages allein an Anwaltskosten mehr als 21.000 Euro verschlungen. Hinzu werden weitere, noch ausstehende Honorarrechnungen der Kanzlei Redeker Sellner Dahs sowie die nun fälligen Gerichtskosten kommen.
Vor gut einem Jahr haben wir unsere Klage gegen den Deutschen Bundestag eingereicht. Es war - zurückhaltend ausgedrückt - befremdlich, dass unsere Volksvertretung geheim halten wollte, welche Lobbyisten ungehinderten Zugang zu unseren Volksvertretern haben. Dieses Verhalten des Deutschen Bundestages war, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom Juni feststellt, "rechtswidrig". Dass wir erst ein Gericht bemühen mussten, ist bedauerlich. Doch es hat sich gezeigt: Beharrlichkeit zahlt sich am Ende aus.
Kommentare
Pedro am 22.12.2015 um 20:41 Uhr
PermalinkPhantastisch! Meinen herzlichen Glückwünsch!
Robert am 23.12.2015 um 02:07 Uhr
PermalinkSehr gut, dass nun die Möglichkeiten des Informationsfreiheitsgesetzes erweitert sind.
Übrigens: Auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten unterliegen diesem Gesetz.
http://mmm.verdi.de/medien-recht/05-2013/informationsfreiheitsgesetz-wdr...
Burghard am 24.12.2015 um 11:32 Uhr
PermalinkWarum muss der Steuerzahler wieder herhalten ??? Die Kosten sollten und müßten alle im Bundestag tragen....das wäre ein Erfolg und Gerechtigkeit. Aber das ist diesem Land, so wie es jetzt besteht, nur ein Traum.
Rudolf K. am 04.01.2016 um 21:55 Uhr
PermalinkSchöner Erfolg, Gratulation.
Aber noch lange kein Grund zum Jubeln. Wo bleibt die Bestrafung der Verantwortlichen?
Alle Befürworter dieses ungesetzlichen Vorgehens haben mutwillig böswillig Steuergeld veruntreut und gehören dafür bestraft. Denn die eigene Rechtsabteilung wird ihnen glasklar von diesem Vorhaben abgeraten haben, weil keine Aussicht bestand, damit vor Gericht durch zu kommen. Die Beauftragung der externen Anwaltskanzlei war demzufolge eine völlig sinnlose vorsätzliche Verschwendung von Steuergeld. Wenn ungesetzliche strafbare Handlung ungesühnt bleibt, ändert sich nie etwas.
mfg R.K.
Andreas Borde am 07.01.2016 um 10:01 Uhr
Permalink@Rudolf K: volle Zustimmung.
Mein IFG Anfrage laeuft:
https://fragdenstaat.de/a/12363
Eberhard am 09.01.2016 um 17:59 Uhr
PermalinkEs spricht nicht gerade für Vertrauen in die MdBs, wenn man eine solche Klage anstrengt. Sehr bedenkliche Entwicklung.
piepmatz am 22.01.2016 um 23:19 Uhr
Antwort auf von Eberhard
PermalinkJa, und genau deshalb war die Klage so wichtig, Eberhard. Denn es hat sich nun eindeutig und rechtsverbindlich gezeigt, dass ein entsprechendes Vertrauen in 'diese' MdB's auch tatsächlich nicht gerechfertigt gewesen wäre!
In anderen Fällen, in denen ein solches Vertrauen ebenso naiv und fehl am Plätze wäre, lässt sich leider meist nicht so leicht und 'rechtzeitig' ein Urteils-bewährter Nachweis dafür führen. Quintessenz für echte Demokraten also: blindes Vertrauen in abgehobene Politiker, die viel zu oft keinesfalls die Interessen derer vertreten, von denen sie gewählt wurden, wäre nicht nur dumm, sondern würde die Demokratie (noch weiter!) aushöhlen. Deshalb: Bleibt wachsam, Demokraten, und lasst Euch nicht so leicht hinter's Licht führen, wie das unsere Volksvertreter bzw. deren Parteien, Fraktionen, Parlamente und Regierungen zur 'Arbeitserleichterung' (etwa der Durchsetzung von Lobby-Interessen) am liebsten hätten!
Rolf Kullmann am 17.01.2016 um 08:36 Uhr
PermalinkHerzlichen Glückwunsch. Leider hat die Bundestagsverwaltung durch die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei wiederum unsere Steuergelder verschwendet - und das in einem aussichtslosen Fall. Wen kann man da noch zur Rechenschaft ziehen? Ich schlage vor, alle Bundestagsfraktionen, die sich der Veröffentlichung widersetzt haben, zahlen das mal aus den eigenen Geldern.
Renée am 17.01.2016 um 12:23 Uhr
Antwort auf von Rolf Kullmann
PermalinkDiese Idee finde ich hervorragend.
Abe Treiner am 17.01.2016 um 08:43 Uhr
PermalinkEbenfalls herzlichen Glückwunsch. Solche Erfolge ermutigen doch, dass der Kampf für Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht ganz aussichtslos ist, wenn es auch nicht selten so scheinen mag.
Renée am 17.01.2016 um 12:23 Uhr
PermalinkApplaus, applaus!!!
"Herzlichen Glückwunsch" !!! und:
"Herzlichen Dank" !!!
Martina am 17.01.2016 um 15:58 Uhr
PermalinkSUUUPER !!!!!
Herzlichen Glückwunsch und
DANKE,DANKE,DANKE
an alle :-)))))
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