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Lothar Binding
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Frage von Simon K. •

Frage an Lothar Binding von Simon K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,
was wurde nach der Finanzkrise 2008/2009 dafür getan, dass dies nicht wieder passiert? Machen Soe sich für eine Finanztransaktionssteuer stark, die NICHT gegen die Kleinanleger ausgerichtet ist und somit gegen die Realwirtschaft, sondern gegen die Aktienspekulationen, die das System labil machen?

Was kann gegen Hedge-Fonds und Leerverkäufen getan werden und sollten Wetten auf Lebensmittel verboten werden, da diese aufgrund von Hunger auf der Welt unmoralisch sind?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Klanke,

vielen Dank für Ihre Frage. Im Juni 2020 gab es schon einmal eine zu dem Thema „Was wurde getan, damit sich die Finanzkrise nicht wiederholt?“ Meine Antwort finden Sie unter: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/lothar-binding/fragen-antworten/518456.

Darüber hinaus finden Sie die gesetzlichen Regelungen und Verordnungen, die für Regulierung und Aufsicht von Bedeutung sind, unter

https://www.bafin.de/EN/RechtRegelungen/Rechtsgrundlagen/Verordnungen/verordnungen_artikel_en.html

Zum Thema Finanztransaktionsteuer (FTS) bzw. FTT:

Es ist seit vielen Jahren ein Anliegen der SPD eine Steuer auf Finanztransaktionen innerhalb der EU einzuführen. Sie soll neben dem ursprünglichen Grundgedanken: Steuer zur Armutsbekämpfung, auch ein Instrument zur Eindämmung von komplexen Finanzinnovationen und spekulativen Finanzgeschäften wie etwa Hochfrequenzhandel, Arbitrage und exzessiven Hebel- und Spekulationsgeschäften sein. Wir hoffen, dass sich dann bestimmte Geschäfte weniger lohnen. Deshalb haben wir in der letzten Legislaturperiode immer wieder darauf gedrängt, dass der damalige Bundesfinanzminister Schäuble die Verhandlungen auf europäischer Ebene entsprechend vorantreibt. Leider wurden die Verhandlungen so inkonsequent geführt, dass nicht nur Zweifel an seinem Willen zur Umsetzung entstanden sind, auch die Basis für die gegenwärtigen Verhandlungen ist dadurch sehr schwierig geworden.

Gleichwohl hat die Einführung einer FTS im Bundesfinanzministerium und bei Olaf Scholz gegenwärtig eine hohe Priorität. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart: „Die Einführung einer substanziellen Finanztransaktionsteuer wollen wir zum Abschluss bringen.“ Die Bundesregierung setzt sich derzeit dafür ein, eine FTS auf europäischer Ebene einzuführen. In einer Gruppe von zehn Staaten wird in der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit über eine Einführung verhandelt. Die Grundlage für die Verhandlungen bildet der sogenannte deutsch-französische Vorschlag. Die gute Nachricht ist also: Die Einführung einer FTS ist zwar etwas näher gerückt. Aber ich möchte den Tag nicht vor dem Abend loben.

Nach dem aktuellen Vorschlag sollen Transaktionen von im Inland emittierten Aktien inländischer Unternehmen besteuert werden. Voraussetzung ist, dass die Marktkapitalisierung der Unternehmen einen Wert größer einer Milliarde Euro aufweist. Der Steuersatz soll nicht unter 0,2% liegen.

Die EU-Kommission hat eine Schätzung des Steueraufkommens auf Grundlage der französischen FTS durchgeführt. Bei einem Steuersatz von 0,2% würde sich für die 10 teilnehmenden Staaten aus der verstärkten Zusammenarbeit ein Steueraufkommen von ca. 3,5 Milliarden Euro ergeben. Auf Deutschland könnten ca. 1,25 Milliarden Euro entfallen. In dem Vorschlag heißt es, dass ein Teil des nationalen Steueraufkommens dem EU-Haushalt oder einem möglichen Eurozonenbudget zufließen soll. Hier tut sich schon eine dritte Verwendungsmöglichkeit auf…

Bei den Verhandlungen in der verstärkten Zusammenarbeit zeichnet sich folgendes ab: Eine Finanztransaktionssteuer nach der ursprünglichen Konzeption, die neben Aktien auch Derivate und andere Finanzprodukte mit in die Bemessungsgrundlage aufnimmt, bekommen wir wahrscheinlich nicht.

Ich bin der Meinung, dass die Bemessungsgrundlage diese Produkte einschließen sollte. Allerdings lassen sich dafür keine Mehrheiten finden. In der verstärkten Zusammenarbeit wollen einige Länder keinesfalls Zinsderivate, andere wollen keine Aktienderivate, wieder andere keine Altersvorsorgeprodukte. In Summe bleibt als Minimalkonsens der deutsch-französische Vorschlag. So bekommen wir nur, aber immerhin ein Füßchen die Tür. Denn ohne Konsens finden sich keine Mehrheiten und ohne Mehrheiten lässt sich die FTS überhaupt nicht realisieren, dann existiert sie weiterhin nur als Konzept auf Papier.

Einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission für eine FTS gibt es noch nicht. Momentan existieren Überlegungen, Verhandlungen und Vorschläge, aber noch keine Beschlüsse. Es ist aber unser Ziel, sich in Europa auf eine FTS zu verständigen, die nachhaltige Einnahmen schafft, ohne dabei die Privatanleger nachhaltig zu belasten, was bei dem vorgeschlagenen Steuersatz nicht passieren kann – es sei denn wir bewegen uns in der Zockerwelt.

Mit Blick auf Überlegungen die FTS doch national einzuführen, wie es schon Italien und Frankreich getan haben, sollten und wollen wir zunächst doch alles versuchen, eine europäische Lösung, wenigstens in der verstärkten Zusammenarbeit zu finden.

Ich hoffe, dass Ihnen meine Antworten weiterhelfen konnten.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Binding