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Frage von Olaf H. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Olaf H. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,

aus welchem Grund ist es erforderlich das GG, Artikel 35 zu ändern? Reicht zur "Abwehr" eines "besonders schweren Unglücksfall" (was auch immer dieser beinhalten sollte) Artikel 87a nicht aus? Oder ist dieser zu unbequem, da hierfür das Parlament befragt werden müsste?

Gehen wir nicht durch die Änderung des Artikels 35 die Gefahr ein, dass unser Verteidigungsminister eigenmächtig das Militär in unserem Lande seelenruhig aufmarschieren lassen (Ermächtigt durch Gefahr im Verzug) und mit einem sehr geringen Teil des Militärs einen Militärputsch anzetteln kann?

Ist das eine "Abwehr" eines "besonders schweren Unglücks" wert, unser aller Freiheit aufs Spiel zu setzen?

Weiterhin stellt sich mir die Frage, welche leider durch meine Komunalpolitikerin bis dato nicht beantwortet wurde, ob mit dem fogenden Satz aus dem neuen BKA-Gesetz §20k der Richtervorbehalt außer Kraft gesetzt wird und das BKA sich von nun an selber kontrolliert?

"Erhobene Daten sind unverzüglich von zwei Bediensteten des Bundeskriminalamtes, von denen einer die Befähigung zum Richteramt hat, auf kernbereichsrelevante Inhalte durchzusehen".

MfG
O. Höch

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Höch,

ergänzend zu meinen Antworten auf die Fragen von Herrn Leelkok ( http://abgeordnetenwatch.de/dr_wolfgang_schaeuble-650-5664--f145877.html#frage145877 ) und Herrn Baleanu ( http://abgeordnetenwatch.de/dr_wolfgang_schaeuble-650-5664--f146071.html#frage146071 ) zum gleichen Thema, auf die ich Sie bitte verweisen darf, möchte ich auf Ihre Fragen noch Folgendes anmerken.

Der Begriff des "besonders schweren Unglücksfalles" kommt in Artikel 87a GG, der eigentlichen Vorschrift zu den Streitkräften, nicht vor. Absicht der geplanten Verfassungsänderung ist gerade nicht, eine eigenständige neue Einsatzkategorie neben der Verteidigung (als originärer Auftrag der Bundeswehr) und der Amtshilfe zu schaffen. Vielmehr soll die besondere Amtshilfe für die Polizei im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Luftsicherheitsgesetz gemachten Hinweise ergänzt werden.

In der Tat können die Fälle des geplanten Artikels 35 Abs. 4 des Grundgesetzes plötzlich auftretende Situationen betreffen, die rasches Handeln der Exekutive erfordern und daher eine vorherige Parlamentsbeteiligung im Einzelfall unmöglich machen. Dies rechtfertigt auch die für entsprechende Eilfälle vorgesehene Eilzuständigkeit des zuständigen Ministers, verbunden allerdings mit der Pflicht zur unverzüglichen Nachholung der Bestätigung durch die Bundesregierung als Kollegialorgan. Daraus wird zugleich deutlich, dass für "seelenruhige" Alleingänge eines Ministers keinerlei Raum ist.

Zu Ihrer Frage zu § 20k des Entwurfs zum BKA-Gesetz teile ich Ihre Kritik in Bezug auf die Ausgestaltung des Kernbereichsschutzes bei der Online-Durchsuchung nicht. Das Bundesverfassungsgericht hält in seiner Entscheidung zur Online-Durchsuchung im Verfassungsschutzgesetz NRW "ein geeignetes Verfahren" zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung für erforderlich. Es verlangt ausdrücklich keine richterliche Kontrolle bereits bei der ersten Durchsicht der erhobenen Daten. Wenn es jedoch eine Richterbeteiligung für geboten erachtet, hat es dies an anderen Stellen der Entscheidung ausdrücklich so formuliert. Als im Sinne der Entscheidung geeignetes Verfahren sieht der Entwurf vor, dass die mittels Online-Durchsuchung erhobenen Daten unverzüglich von zwei Bediensteten des BKA, von denen einer die Befähigung zum Richteramt hat, durchzusehen sind. Entstehen hierbei Zweifel, sind die Daten entweder zu löschen oder unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit vorzulegen.

Eine gerichtliche Entscheidung über die Verwendbarkeit von Daten ist danach nur dann erforderlich, wenn bereits Zweifel an der Erfassung kernbereichsrelevanter Inhalte bestehen. Ebenso ist es beispielsweise bei der Telekommunikationsüberwachung vorgesehen. Erst wenn Zweifel an der Erfassung kernbereichsrelevanter Inhalte entstehen und daher allein eine automatische Aufzeichnung erfolgen darf, ist eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Effektivität der Gefahrenabwehrmaßnahme würde angesichts der Datenmenge und der Notwendigkeit einer unverzüglichen Auswertung überdies durch eine notwendige Richterbeteiligung erheblich leiden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble