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Frage von Hannah B. •

Frage an Walter Riester von Hannah B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Riester,

in dem Erwerbsminderungsurteil vom 16.05.2006 wurden für Versicherte, die das 60. Lebensjahr nicht vollendet haben, die Abschläge für rechtswidrig erklärt.

In der Gesamten Historie des §77 SGB VI ist nirgends die Rede von Abschlägen in Höhe von 10,8 % für Versicherte, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben - so auch das BSG.

In welchen Gesetzblättern und Protokollen kann ich die Vorgehensweise und die gewollten Abschläge(10,8%) des Parlaments nachlesen?

Ich habe mich darüber hinaus mit der Frage befasst, ob das Parlament bei einer Auslegung der §§ 253 a und 264c SGB VI und § 77SGB VI nach Sinn und Zweck, die aktuelle Verwaltungspraxis bei Erwerbsminderungsrenten der Rentenversicherungsträger abgesehen hat.

Hiermit sind das Zusammenspiel der Zurechnungszeit mit den Abschlägen gemeint.

Und warum hat der Gesetzgeber nicht direkt in den §77 II SGB VI geschrieben, dass die Erwerbsminderungsrenten bei vor Vollendung des 63. Lebensjahres maximial um 10,8 % gekürzt werden? Und nicht wie formuliert: um 0,003 niedriger als 1,0?

Damit wäre klar gewesen, dass der Gesetzgeber Abschläge in Höhe von 10,8% auch für Versicherte, die noch nicht 60 Jahre alt sind, vorgesehen hat.

Aufgrund dieser Aspekte und weiterer kann man durchaus die Gesetzesauslegung des BSG vom 16.05.2006 nachvollziehen.

Mit freundlichen Grüßen

Hannah Bock

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Sehr geehrte Frau Bock,

zuerst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass die Beantwortung Ihrer Anfrage etwas mehr Zeit in Anspruch genommen hat. Mir war es jedoch wichtig, bei dem von Ihnen dargestellten Sachverhalt und Ihren Fragen, die Expertise des zuständigen Ministeriums einzuholen. Die Rückmeldung, die mir nun aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorliegt, teile ich Ihnen gerne mit:

Ein abschlagsfreier Zugang zur Erwerbsminderungsrente ist ab dem 63. Lebensjahr möglich. Bezieht ein Versicherter vor Vollendung des 63. Lebensjahres eine Erwerbsminderungsrente, so muss er für jeden Monat einen Abschlag in Höhe von 0,3 % in Kauf nehmen. Um sicherzustellen, dass der Abschlag nicht mehr als 10,8 % beträgt, ist für die Berechnung des Abschlags als untere Altersgrenze das 60. Lebensjahr bestimmt worden. Dabei ist im Gesetzestext zur Berechnung des sog. Zugangsfaktors - ausgehend vom Wert 1,0 bei Rentenzugang im für den Versicherten maßgebenden Rentenalter - die mathematisch korrekte Formulierung „ pro Monat um 0,003 niedriger als 1,0“ bei früherem Rentenzugang gewählt worden. In der amtlichen Gesetzesbegründung ist dies dann zum besseren Verständnis, wie von Ihnen vorgeschlagen, in Prozentzahlen ausgedrückt worden: „Der Zugangsfaktor wird für jeden Monat des Rentenbeginns vor dem 63. Lebensjahr um 0,3 %,höchstens um 10,8 % gemindert.“ (Bundestags-Drucksache 14/4230, S.26, zu Nummer 22).

Jüngere Bezieher einer Erwerbsminderungsrente müssen zwar ebenfalls den Abschlag von 10,8 % in Kauf nehmen, dieser wird aber in der Regel durch die gleichzeitig vorgenommene Ausweitung der Zurechnungszeit weitgehend kompensiert. Betroffene Versicherte werden dadurch bei der Berechnung der Rente so gestellt, als hätten sie bis zum vollendeten 60. Lebensjahr Rentenbeiträge mit einem individuellen Durchschnittswert gezahlt. Vor der Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wurde die Zeit zwischen dem 55. und dem 60. Lebensjahr dagegen nur zu einem Drittel berücksichtigt. Die Verlängerung bis zum 60. Lebensjahr diente nach der Begründung des Gesetzentwurfs (a.a.O, zu Nummer 16) gerade dazu, bei jüngeren Versicherten die Auswirkungen der Abschläge abzumildern. Auch werden in der allgemeinen Gesetzesbegründung die konkreten Auswirkungen der Abschläge auf die Rentenhöhe bei Personen dargestellt, die einen Rentenfall der verminderten Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres haben (aaO, S.24 oben.)

Das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007 bringt in seiner Begründung zur Regelung über die Abschläge in § 77 SGB VI (Bundestags-Drucksache 16/3794) nochmals die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten auch dann wirken zu lassen, wenn die Rente in jungen Jahren in Anspruch genommen wird.

Mit freundlichen Grüßen
Walter Riester