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Volker Blumentritt
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Frage von Berengar L. •

Frage an Volker Blumentritt von Berengar L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Blumentritt,

aus welchem Grund soll in Deutschland nicht über den EU-Vertrag abgestimmt werden? Ich bin mir sicher, dass nur deshalb Irland als einziges Land diesem nicht zugestimmt hat weil es das einzige Land ist das darüber eine Volksabstimmung durchführen ließ. Hat der Bundestag Angst vor dem deutschen Volk?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lehr,

ich danke Ihnen für Ihren Beitrag in dem Sie Stellung zum Referendum Irlands zum EU-Reformvertrag von Lissabon beziehen.

Der Vertrag von Lissabon (EU-Grundlagenvertrag bzw. - Reformvertrag) soll der Europäischen Union eine einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit geben und den abgelehnten Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE) ersetzen. Im Oktober 2007 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel auf den endgültigen Vertragstext, der am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet wurde. Vorgesehen ist, dass der Vertrag bis Ende 2008 durch alle Mitgliedstaaten ratifiziert wird und am 1. Januar 2009 in Kraft tritt. Der Vertrag von Lissabon stellt eine Änderung der Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaft dar. Dies macht eine Ratifizierung der EU-Staaten notwendig. Erst die Ratifizierung der Mitgliedstaaten lässt den Reformvertrag zu einem integralen Bestandteil ihrer eigenen Rechtsordnung werden.

Wie dies geschieht, ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedsstaat unterschiedlich. Dabei täuscht der Eindruck, in allen EU-Staaten außer in Deutschland sei zum Vertrag von Lissabon eine Volksabstimmung durchgeführt worden. Alle übrigen 26 EU-Mitgliedstaaten ratifizierten den Vertrag durch (zustimmende) Abstimmung ihrer nationalen Parlamente. Irland ist der einzige EU-Mitgliedstaat, in dem Änderungen der EU-Verträge der Abstimmung durch ein Referendum bedürfen. In Dänemark muss das Volk abstimmten, wenn im Parlament keine zwei Drittel-Mehrheit erreicht wird. Die britische und die französische Regierung haben die Möglichkeit das Volk zu befragen, zwingend vorgeschrieben ist dies allerdings nicht.

Am 12. Juni 2008 ist der Reformvertrag von Irland in einem Referendum abgelehnt wurden. Das demokratische Votum der irischen Bevölkerung zum Lissabonner Vertrag ist zu respektieren, dennoch ist es bedauerlich. Wie kaum ein anderes Land hat Irland bisher von seiner EU-Mitgliedschaft profitiert. 17 Mrd. Euro sind seit dem EU-Beitritt 1973 aus Brüssel nach Dublin geflossen. Aus der irischen Insel wurde ein wohlhabender Staat. Nach dem "Nein" der Iren herrscht in der europäischen Politik eine rege Diskussion über die weitere Vorgehensweise und der Umsetzung des Vertrags von Lissabon. Nach Deutschland und Frankreich sind inzwischen fast alle Mitgliedsstaaten dafür, den Ratifizierungsprozeß fortzusetzen.

In Deutschland dagegen dürfte die Bundesregierung eine entsprechende Volksabstimmung nicht durchführen - selbst wenn sie es wollte. Die Grundgesetzgebung ist hier eindeutig: In Deutschland sind Volksabstimmungen zu Einzelfragen der Politik auf Bundesebene nicht zulässig. Das Grundgesetz hat sich in Deutschland eindeutig für eine repräsentative Demokratie und gegen ein plebiszitäres System entschieden. Danach wählen Bürger ihre Vertreter, welche dann für eine begrenzte Zeit das Mandat haben, die wichtigen politischen Entscheidungen zu treffen. Grundsätzlich werden in der repräsentativen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland Gesetze nicht in Rahmen von Volksabstimmungen beschlossen. Unter anderem waren die historischen Erfahrungen der Weimarer Republik ein wichtiger Grund für die Verfasser des Grundgesetzes sich für eine Ablehnung von Volksabstimmungen auf Bundesebene auszusprechen. Nur bei Fragen der geographischen Neugliederung des Bundesgebietes oder einzelner Bundesländer ist eine Volksabstimmung im Grundgesetz vorgesehen (Artikel 29 GG). Dagegen erlauben einige Länderparlamente Volksentscheide. Beispielsweise Bayern oder im April 2008 in Berlin zum Flughafen Tempelhof. Wenn auch nicht auf Bundesebene, so gibt es doch politische Partizipationsmöglichkeiten – auch in Form von Volksabstimmungen – in der Bundesrepublik.

Unabhängig von der Zukunft des EU-Reformvertrages von Lissabon sehe ich es als Aufgabe aller Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland die Vorteile der Europäischen Union und die Notwendigkeit ihrer Reform zu erklären. Dies ist bislang nicht nur in Irland zu kurz gekommen. Ich sehe es als unsere Aufgabe an, die schwierigen politischen Verfahren und Regelungsinhalte der EU – Rechtsakte in eine transparente und nachvollziehbare Vorgehensweise und eine verständliche und bürgernahe Sprache zu übersetzen, um Bedenken in der Bevölkerung auszuräumen und Vertrauen in die politische Arbeit zu schaffen. Zweidrittel der Deutschen befürworten die Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der EU und sprechen sich für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen EU – Mitgliedsstaaten aus. Diese positive Einstellung gilt es mit Leben zu füllen.

In diesem Sinne hoffe ich, dass meine Antwort ein Schritt in die genannte „positive“ Richtung ist und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Volker Blumentritt