Hallo Herr Le Claire, ich stimme in vielen Themen mit den Linken überein, allerdings verstehe ich die Haltung in Verteidigungsdingen nicht. Gefahr von überall, aber wir rüsten ab?
sollte die Linke nicht endlich in der realen Welt ankommen, und der Verteidigung mehr Beachtung schenken? Diplomatie schön und gut, gehört natürlich dazu (wird ja auch gemacht).
Aber ein Diktator lacht nur, wenn man ihm mit einem Strauß Blumen kommt (sinnbildlich).
Verteidigung ist wichtig, ein soziales Jahr für junge Menschen schadet nicht, könnte mal dazu beitragen, dass junge Menschen soziale Berufe für sich entdecken.
Wie sehen Sie das?Ich weiß, dass einige in Ihrer Partei dies auch so sehen. Danke für Ihr Bemühen

Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Fragen betreffen wichtige Themen, die sicherlich viele Menschen bewegen. Daher freue ich mich sehr, dass Sie mir diese gestellt haben, und antworte Ihnen gerne:
Momentan sehe ich in Deutschland eine enorme Aufrüstung, keine Abrüstung. Scholz' Sonderschulden von 100.000.000.000 € sind ein Teil dessen, dass wir über 2 % des Bruttoinlandsprodukts für Miliär ausgeben, ist ein anderer Teil. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass Deutschland verteidigungsfähig sein muss - und dafür muss auch Geld bereitgestellt werden. Eine Aufrüstung zur Kriegsfähigkeit ist aber kein Garant für Frieden.
Historisch sehen wir sowohl beim Ersten Weltkrieg, dass die globale Aufrüstung eben nicht den Frieden sichern konnte. Im Kalten Krieg führte die Aufrüstung in Ost und West fast dazu, dass es einen Dritten Weltkrieg gegeben hätte. Dort waren es letztlich diplomatische Beziehungen, die eine Eskalation abwenden konnten.
Diplomatie sollte immer der erste, zweite und dritte Weg sein, Auseinandersetzungen zu führen. Krieg ist immer die ultima ratio, bei der Menschen ihr Leben verlieren werden. Diplomatie heißt aber nicht, nette Worte zu machen oder den sinnbildlichen Blumenstrauß zu verteilen. Diplomatie heißt auch: hartes Handeln und schweres Ringen um Lösungen.
Die Frage nach einem sozialen Jahr sehe ich als unabhängig von der Frage der Verteidigung: Zwar wurde zu Zeiten des Wehrdienstes mit dem Zivildienst ein sozialer Schattenarbeitsmarkt erschaffen. Eigentlich handelte es sich aber eben um einen Wehr-Ersatz-Dienst.
Ich kann ein verpflichtendes soziales Jahr nicht befürworten. Dass es nicht schadet, ist keine gute Begründung, es "zwangsweise" durchführen zu müssen. (Zumal durch ein verpflichtendes soziales Jahr der tatsächliche Ausbildungseinstieg oder Berufsbeginn verschoben wird, was dann tatsächlichen Schaden im Form entgangenen Einkommens verursacht.)
Ein solches soziales Jahr würde den Staat erst einmal Geld kosten: Die Kreiswehrersatzämter stehen für die Verwaltung nicht mehr zur Verfügung und müssten neu erschaffen werden. Die Besoldung des Freiwilligendienstes müsste zumindest auf Mindestlohnniveaus geschehen, dazu kämen weitere Kosten für Sozialversicherungen.
Dass Pflegeberufe und andere soziale Berufe unattraktiv sind, liegt nicht daran, dass sie jungen Menschen prinzipiell unbekannt sind (und dann ein soziales Jahr "Geschmack" darauf machen könnte). Soziale Berufe haben schlechte Arbeitsbedigungen in Arbeitszeit, Bezahlung und familiärer Vereinbarkeit. Das sind letztlich alles die Gründe, die Pflegende aus ihrem erlernten Beruf drängen und da würde ein Pflichtjahr nichts ändern. Daher wäre es wichtig, die Arbeitsbedigungen zu verbessern, statt junge Menschen zu einem Dienst zu verpflichten, den sie eigentlich nicht wollten.
Schreiben Sie mir gerne, falls Sie weitere Rückfragen haben.
Ihr
Vincent Le Claire