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Frage von Corinna C. •

Frage an Ulrich Kelber von Corinna C. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Dass SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier damit wirbt, "Vollbeschäftigung" erreichen zu wollen, sehe ich als völlig verfehlt an angesichts der vielen prekären Arbeitsverhältnisse, die schon jetzt nicht existenzsichernd sind, nicht hinreichend Renten generieren und folglich auch nicht "Arbeitsplätze" im eigentlichen Sinne genannt werden können. Warum gibt es in der SPD keine öffentlich sichtbaren Überlegungen, geschweige denn politische Strategien, Existenzsicherung und Arbeit zu entkoppeln? Was halten Sie von der Einführung eines existenzsichernden bedingungslosen Grundeinkommens für jeden Bürger, finanziert aus Konsum- und Kapitalertragssteuern? (Faktor Arbeit wird kostengünstig, Lohnabstandsgebot verwirklicht = monetärer Arbeitsanreiz bleibt erhalten, Freiraum für Aus-, Fort- und Weiterbildung in jedem Lebensalter, Freiraum für individuelle Familien-/Kinderbetreuungs-/Pflegearrangements, Abschmelzen des derzeitigen Verwaltungs- und Kontrollapparats, der mit Alg I/Hartz IV/Grundsicherungsleistungen verbunden ist = Entbürokratisierung).

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Contenius,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Deutschland-Plan und zu einem Grundeinkommen. Frank-Walter Steinmeier hat mit dem Deutschland-Plan ein Programm vorgelegt, in dem er auflistet, wo und mit welchen Mitteln wir in den nächsten Jahren vier Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei geht es um die Stärkung des Produktionsstandorts Deutschland durch innovative Technologien, z. B. im Bereich Klimaschutz oder der Entwicklung neuer Fahrzeugantriebe. Denn die nächste industrielle Revolution wird traditionelle Produktion mit umweltschonenden Technologien verknüpfen. Bis zu zwei Millionen Arbeitsplätze können in diesem Sektor entstehen. Es geht auch darum, Dienstleistungsberufe zu fördern. Insbesondere in der Gesundheitswirtschaft können bis zu eine Million zusätzlicher Arbeitsplätze entstehen, jeweils weitere 500.000 in den Kreativbranchen sowie in anderen Dienstleistungen. Auf diese Weise kämen wir dem Ziel Vollbeschäftigung sehr nahe und dies ist unser Ziel. Wenn Sie dieses Ziel für verfehlt halten, kann ich Sie nicht daran hindern, fände es aber bedauerlich.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) halte ich dagegen für falsch. Die einzelnen Modelle für ein BGE sind auf unterschiedliche Begründungszusammenhänge aufgebaut. Alle Modelle für ein BGE haben jedoch die gemeinsame Annahme zur Grundlage, dass es in unserer Gesellschaft nicht mehr genügend Arbeit gibt, sodass die soziale Grundsicherung neu ausgerichtet werden muss. Wesentliches Element der meisten Ansätze ist die Bedingungslosigkeit der Grundleistung. Arbeit gibt es in der Gesellschaft genug, z.B. im sozialen Bereich. Sie muss organisiert und gerecht verteilt werden. Deswegen halten wir an der Forderung der Vollbeschäftigung fest. Wer sagt, es gäbe nicht mehr genug Arbeit, schiebt Menschen in die Perspektivlosigkeit ab und nimmt ihnen damit auch ein Stück ihrer Würde. Das Grundeinkommen wäre somit eine Stillhalteprämie. Ein BGE entwertet die Leistung der arbeitenden Menschen und damit auch ihre Lebensleistung, weil – gerade im Bereich der Alterssicherung – die soziale Sicherung nicht mehr Ergebnis des eigenen Arbeitens ist. Ein BGE ist nicht finanzierbar. Je nach Berechnung und Modell wird im krassesten Fall das gesamte BIP umverteilt. Wir wollen Mindestlöhne statt staatliche Lohnsubvention. Menschen die Arbeit und Existenz sichernde Löhne haben, brauchen kein Grundeinkommen. Außerdem sind soziale Problemlagen heute vielschichtiger - Armut ist nicht nur auf materielle Armut reduzierbar und deshalb nicht ausschließlich über soziale Transfers zu bekämpfen. Der Sozialstaat besteht nicht nur aus sozialen Transferleistungen. Der Sozialstaat stellt soziale Dienstleistungen, wie z.B. Beratungen, Familienhilfen und Jugendeinrichtungen, zur Verfügung. Fehlende Bildungschancen werden z.B. durch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht bekämpft. Die Teilhabe am Erwerbsleben wird sogar erschwert – das bedingungslose Grundeinkommen wirkt ausgrenzend. Die SPD tritt stattdessen dafür ein, die bestehende Grundsicherung weiter zu entwickeln, damit die Bürgerinnen und Bürger abgesichert sind, die Existenz sichernde Unterstützung brauchen. Darüber hinaus entwickeln wir den Sozialstaat in seiner ganzen Breite weiter, damit er die Bürgerinnen und Bürger unterstützen kann, ihre Perspektiven und Chancen zu verwirklichen.

Mit freundlichem Gruß

Ulrich Kelber