Welche Position haben sie zum Thema Kirche und persönlicher Glauben?
Sehr geehrter Herr Achtermeyer,
Als Fraktionsvorsitzender der Grünenfraktion im Landtag, finde ich es interessant zu wissen was ihre Meinung zur Arbeit der beiden großen Kirchen ggf. auch von gewissen Freikirchen. Was finden sie gut, wo sehen sie Probleme und wie bewerten sie die Kirchenaustritte. Und sind Sie persönlich Nachfolger Christi?

Sehr geehrter Herr N.,
vielen Dank für Ihre Frage zu diesem wichtigem Thema. Zunächst einmal möchte ich allerdings richtigstellen, dass ich in der Fraktion meiner Partei im Landtag NRW nicht das Amt des Fraktionsvorsitzenden besetze. Stattdessen führe ich neben meiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter auch das Amt des Co-Landesvorsitzenden meiner Partei aus.
Nun zu Ihrer Frage. Ich bin selbst evangelisch und schätze die vielen wertvollen Impulse, die die Kirchen in unsere Gesellschaft einbringen. Gerade die evangelische Kirche empfinde ich als eine wertegeleitete, aber gleichzeitig auch progressive Kraft. Sie steht für Mitmenschlichkeit, Offenheit und eine klare Haltung gegen Ausgrenzung. Besonders eindrücklich war für mich, wie entschieden sich Kirchenvertreter*innen gegen das sogenannte "Zustrombegrenzungsgesetz" der CDU/CSU und die damit verbundene Normalisierung der Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen haben – das war für mich ein wichtiges Signal für Humanität und Zusammenhalt.
Gleichzeitig stehe ich klar für die Trennung von Staat und Kirche. Der Staat muss neutral gegenüber Weltanschauungen sein – das ist Voraussetzung für eine offene, vielfältige Gesellschaft. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Kooperation geben darf. Vielmehr braucht es ein zeitgemäßes, pluralistisches Religionsverfassungsrecht, das auch die Rechte von Arbeitnehmer*innen in kirchlich getragenen Einrichtungen sichert – etwa beim Streikrecht oder der Mitbestimmung.
Die großen Kirchen – und auch viele Freikirchen – leisten in vielen Bereichen unverzichtbare Arbeit: in der Seelsorge, in sozialen Projekten, in der Bildungsarbeit und der Kinderbetreuung, in der Flüchtlingshilfe. Vor allem das enorme ehrenamtliche Engagement vieler Menschen verdient Respekt und Anerkennung. Kirchen bieten oft Halt, Gemeinschaft und Achtsamkeit – Werte, die gerade in Krisenzeiten für viele Menschen wichtig sind, auch mir.
Gleichzeitig müssen sich die Kirchen auch den Gründen für die steigenden Kirchenaustritte stellen. Für viele Menschen passen die Strukturen und teilweise auch Haltungen mancher Kirchen nicht mehr zu ihrem Lebensgefühl oder zu ihren Vorstellungen.
Abschließend möchte ich sagen, dass unser Gemeinwesen von bürgerschaftlichem Engagement lebt – und dieses findet ganz zentral auch in Kirchen und Religionsgemeinschaften statt. Dieses Engagement ist der Kitt unserer Demokratie, und es muss geschützt und gestärkt werden – unabhängig davon, ob es aus religiösem oder weltanschaulichem Antrieb heraus erfolgt.
Mit freundlichen Grüßen
Tim Achtermeyer