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Thomas Bareiß
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Frage von Christian K. •

Frage an Thomas Bareiß von Christian K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bareiß,

warum haben Sie für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt?
Können Sie mir bitte erläutern, weshalb ein derartiger Einschnitt in verbriefte Verfassungsrechte Ihrer Meinung nach nötig sein soll?

mit freundlichem Gruß

Christian Kernler

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CDU

Sehr geehrter Herr Kernler,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage vom 30. November 2007, zum Thema der Telekommunikationsüberwachung.

Ganz generell bewegt sich die Rechtspolitik im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld: Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Ein solcher Ausgleich kann aber keinesfalls so aussehen, dass die Instrumente und Bedingungen der Strafverfolgung „zahnlos“ werden. Das heißt, innerhalb der verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen muss die Aufklärung strafrechtlich relevanter Sachverhalte durch Verfahrensvorschriften auch wirksam ermöglicht werden.

Bereits jetzt ist es nach geltender Rechtslage möglich, zu Abrechnungszwecken gespeicherte Verbindungsdaten (nicht aber Gesprächsinhalte) zur Verfolgung schwerer Straftaten zu verwenden, solange strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen erfüllt sind – neben der grundsätzlichen Geltung des Richtervorbehaltes sind dies sind unter anderem ein konkreter und begründeter Verdacht sowie fehlende alternative Aufklärungsmöglichkeiten. Jeder Polizeibeamte wird Ihnen bestätigen können, dass der Zugriff auf diese Daten die entsprechenden Ermittlungen erheblich vereinfacht. Selbst wenn die üblichen Kommunikationsmittel relativ leicht umgangen werden könnten, so werden sie in der Regel doch benutzt – auch die Hintermänner der Anschläge vom 11. März 2004 in Madrid konnten beispielsweise über eine Analyse der Verbindungsdaten ermittelt werden. Mit der Zunahme von Flatrate-Tarifen entfällt jedoch die Speicherung von Verbindungsdaten, so dass diese auch nicht mehr bei Bedarf abgefragt werden könnten. Die Speicherungsverpflichtung war deshalb notwendig, um zu verhindern, dass allein mit dem Abschluss eines solchen Vertrages der Strafverfolgung entgangen werden kann. Dabei wurden die bisherigen Schutzvorkehrungen uneingeschränkt beibehalten und in vielen Bereichen sogar präzisiert und verstärkt.

So werden gerade die Rechte der von Ihnen angesprochenen Berufsgeheimnisträger sowie die Pressefreiheit durch das Gesetz gestärkt. Aber auch ganz allgemein wurde die Aufzeichnung von Gesprächen über Kernbereiche privater Lebensgestaltung untersagt; dennoch aufgezeichnete Passagen sind unverzüglich zu löschen. Für Berufsgeheimnisträger gelten besondere Schutzvorkehrungen: Geistliche, Verteidiger und Mandatsträger genießen einen absoluten Schutz, das heißt, jegliche Ermittlungsmaßnahme ist unzulässig. Alle übrigen Berufsgeheimnisträger stehen unter einem relativen Schutz. Soweit sich aus einer Ermittlungsmaßnahme ihnen gegenüber Erkenntnisse ergeben würden, über die sie das Zeugnis verweigern dürften, ist die Zulässigkeit einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Die Voraussetzungen für diese Verhältnismäßigkeitsprüfung sind im Laufe der Gesetzesberatungen nochmals verschärft worden: Nunmehr sind verdeckte Ermittlungsmaßnahmen nur zu Straftaten erheblicher Bedeutung zulässig. Für Journalisten gilt, dass Zufallsfunde künftig nur noch als Beweise verwertet werden dürfen, wenn sie sich auf Straftaten beziehen, die zu einer Mindesthaftstrafe von fünf Jahren führen oder wenn es sich um Geheimnisverrat handelt. Der Informantenschutz als wesentliches Element der Pressefreiheit wird somit deutlich gestärkt.

Wie bereits erwähnt, dient die Vorratsdatenspeicherung in erster Linie der Aufklärung schwerwiegender Verbrechen mit komplexen Täterstrukturen. Dies bedeutet auch, dass keineswegs jeder einzelne Bundesbürger unter Generalverdacht gestellt wird. Die aufgezeichneten Daten werden nur bei Bedarf verwendet – abgesehen davon, dass dies gar nicht das Ziel dieser Maßnahme ist, wäre es weder technisch noch personell machbar, jeden Einzelnen tatsächlich dauerhaft zu überwachen. Im Übrigen hat sich der Deutsche Bundestag stets dafür eingesetzt, die individuellen Freiheitsrechte zu schützen, nicht, diese zu untergraben. In den Verhandlungen auf der europäischen Ebene gelang so eine ausgewogene Lösung, um den beiden Zielen der effektiven Strafverfolgung einerseits und dem Schutz der Grundrechte andererseits gerecht zu werden. Zugeständnisse, notwendig durch die Kompromisserfordernisse auf der europäischen Ebene, konnten durch zahlreiche Einschränkungen der Richtlinie relativiert werden. So wurde die Speicherung von Gesprächsinhalten untersagt, die Speicherungsfrist auf sechs Monate beschränkt und die Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten unter Richtervorbehalt erlaubt.

Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass die Zweckbindung der aufgezeichneten Daten nur temporären Charakters sei. Zwar mag es zutreffen, dass es ein breites Interesse an diesen Daten bei einer Vielzahl von Akteuren geben wird, aber das heißt noch lange nicht, dass sie den Zugang zu diesen Daten auch erhalten. Gerade angesichts der Sensibilität der Daten, der sich der Bundestag auch bewusst ist, wird ein Zugriff auch in Zukunft nicht ohne weiteres möglich sein. Es wurde explizit festgesetzt, dass die bisherigen rechtsstaatlichen Voraussetzungen für die Datenabfrage auch in Zukunft erfüllt sein müssen. Eine anderweitige Verwendung der Daten ist nur zu Zwecken der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit möglich, und auch nur dann, wenn dies zuvor gesetzlich festgelegt wird. Die Verwendung zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ist somit beispielsweise nicht möglich.

Ich hoffe, ich konnte zur Aufklärung Ihrer Anfrage beitragen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung keineswegs der Schaffung eines „gläsernen Bürgers“ dient. Vielmehr genügt es den rechtsstaatlichen Anforderungen in vollem Umfang und stellt in vielen Bereichen sogar eine Verbesserung der individuellen Rechte dar.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Bareiß MdB

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