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Seija Knorr-Köning
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Frage von Thomas G. •

Zur sog. 24h-Plege: Gibt es Ansätze, das bestehende System evtl. doch zu „retten“ bzw. wo sieht Ihre Partei echte Alternativen und wie will sie die unterstützen?

Laut letztinstanzlichem Urteil muss ja im Pflegebereich die sog. 24h-Betreuung durch zumeist Osteuropäerinnen neu geregelt werden. Es ist zu befürchten, dass sie dann in den meisten Fällen völlig unbezahlbar wird. Hubertus Heil hatte das Urteil sehr begrüßt, die ggfs. entstehende Versorgungslücke im ohnehin prekären deutschen Pflegesystem seltsamerweise nicht thematisiert. Eine ambulante Versorgung ist jedoch für demente Menschen mit Gefährdungspotenzial oft unzureichend (oder auch zu teuer), Heimunterbringung dürfte schwerer möglich sein, wenn infolge des Urteils mehr Menschen faktisch ins Heim gezwungen werden.

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Antwort von
SPD

Lieber Herr G. .

vielen Dank für Ihre Frage zu diesem gesellschaftlich höchst brisanten Thema.

Ich bin selber examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin (auch bekannt als Krankenschwester) und es ist mir wichtig einzuordnen, dass es sich in der Regel nicht um 24h-Pflege, sonder, wie sie später selbst schreiben, um Betreuung handelt. 

Während meiner Ausbildung habe ich über den Einsatz in der ambulanten Pflege dieses Konzept besser kennen gelernt und kenne auch viele Fälle in meinem privaten Umfeld. Aus arbeitsrechtlicher Perspektive Begrüße ich das Urteil ausdrücklich, da ich die Entgrenzung zwischen Freizeit-/Bereitschaft und Arbeitszeit als extreme Belastung für die Betreuungskräfte wahrnehme. 

Es ist völlig nachvollziehbar, dass Menschen ihre Angehörigen so lange wie möglich im privaten Umfeld versorgen möchten und der Grundsatz „ambulant vor stationär“ ist für mich unumstößlich. Und doch ist es erschreckend, wie schlecht der Ruf der stationäre Langzeitpflege ist. Der hohe Privatisierungsdruck, niedrige Fachkraftquoten und schlechte Versorgungsqualität vermitteln den Angehörigen das Gefühl, ihre pflegebedürftigen Angehörigen „abzuschieben“. An diesen Umständen muss sich dringend etwas ändern. Denn für mich ist völlig klar, dass schwer pflegebedürftige und an Demenz erkrankte Personen keine Betreuung, sondern professionelle Pflege brauchen.

Ich schlage folgende Maßnahmen vor:

1. Einführung der Pflegevollversicherung, damit Pflegebedürftigkeit kein Armutsrisiko ist

2. Community Health Nursing: attraktive Arbeitsplätze für Pflegekräfte die Prävention und Beratung im Wohnquatier anbieten können. Das ist ein attraktiver Arbeitsplatz für die vielen ausgebildeten Pflegefachkräfte, die aus dem Beruf ausgestiegen sind. 

3. Hauswirtschaftliche Dienstleistungen über die Kommune anbieten: meist ist das erste Hindernis nicht Pflegebedürftigkeit, sondern der Rückgang der Fähigkeit, den eigenen Haushalt adäquat aufrecht zu erhalten

4. Förderung von alternativen Wohnkonzepten: Mehr-Generationenwohnen und Senioren-WGs

5. Rückführung der stationären und ambulanten Pflegeversorgung in öffentliche und gemeinnützige Hand: damit Versorgungsqualität und gute Abeitsbedingungen und nicht die Profitgier im Mittelpunkt steht

6. Verbesserung der Versorgungsqualität durch höhere Betreuungsschlüssel in der stationären Langzeitpflege

Mir ist klar, dass diese Maßnahmen keine Kurzfristige Lösung sind. Dennoch halte ich es für überfällig, eine längerfristige Perspektive auf die Problematik zu entwickeln. Der demographische Wandel wird den Pflegenotstand verschärfen. Deshalb müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden unter denen Pflegekräfte langfristig in ihrem Beruf arbeiten können und sogar wieder zum Beruf zurückkehren möchten. 

 

Herzliche Grüße,

Seija Knorr-Köning