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Sebastian Edathy
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Frage von Michael S. •

Frage an Sebastian Edathy von Michael S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Edathy!
Ich fühle mich von den Politikern total betrogen.
Am 05.05.1987 habe ich bei der Victoria Versicherung eine sogenante Direktversicherung abgeschlossen. Nach jedem Versicherungsjahr bekam ich von der Versicherung eine Aufstellung, wieviel ich bisher eingezahlt habe und wie hoch die zu erwartende Auszahlung bei Erreichen meines Rentenalters sein würde.
Ca. 1 1/2 Jahre bevor die Versicherung ausgezahlt wurde, ist wohl einigen schlauer Herren in der Regierung eingefallen das auf den zur Auszahlung kommenden Betrag ja noch keine Krankenkassenbeiträge und auch noch keine Beiträge zur Pflegeversicherung gezahlt wurden. Also hat man da wohl schnell das Gesätz geändert und dieses Rückwirkend beschlossen. Nun muß ich für 10 Jahre noch 64,33 Euro pro Monat an die Krankenkasse zahlen.
Es ist mir absolut unverständlich, wie man so etwas rückwirkend beschließen kann. Weiterhin möchte ich erwehnen, dass es 1987 überhaubt noch keine Pflegeversicherung gab.
Diese empfinde ich als absolute Unverschämtheit vom Gesetzgeber. Jahrelang habe ich schwer gearbeitet damit es mir später einmal etwas besser geht. In Gedanken hatte ich natürlich das zu erwartende Geld schon ausgegeben und nun diese Nachforderung. Ich bin 1946 geboren und als ich mit 14 Jahren ins Berufsleben eingetreten bin lag unser Land noch in Schutt und Asche. Der Aufbau begann doch erst Ende der 50ger und Anfang der 60ger Jahre. Ich kann mit Fug und Recht behaubten die Stadt Hannover und dieses Land mit aufgebaut zu haben und wenn man dann Rentner wird, wird man so besch........
Mein Vertrauen in diese Politik ist hinn.
Ich fühle mich von der Partei die ich 40 Jahre gewehlt habe total betrogen. Wie wollt Ihr das wieder gut machen???????
Mit freundlichem Gruß
Michael Seifert

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Seifert,
vielen Dank für Ihre Frage vom 22. Juli 2008.

Das wird jetzt, um den Sachverhalt angemessen darzustellen, eine etwas längere Antwort:

Sie wenden sich dagegen, dass das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) die Beitragsfreiheit Ihrer Direktversicherung verändert hat. Durch das GMG unterliegen einmalige Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung (z.B. Direktversicherung mit Kapitalabfindung) generell der Beitragspflicht. Dieses Gesetz ist bereits zum 1. Januar 2004 mit dem Ziel in Kraft getreten, das hohe Niveau der Gesundheitsversorgung in Deutschland zu erhalten und die finanzielle Lage der Krankenkassen zu stabilisieren.

Auch wenn ich Ihre Kritik teilweise für nachvollziehbar halte und verstehe, dass Sie mit dem für Sie erlittenen finanziellen Nachteil der Neuregelung unzufrieden sind, möchte ich Ihnen nachfolgend doch gern aufzeigen, was diesen Schritt notwendig gemacht hat.

Das GMG unterwirft die Kapitalabfindungen aus Direktversicherungen, deren Vertragsschluss vor Eintritt des Versicherungsfalls (Beispiele: Eintritt in den Ruhestand, Erwerbsunfähigkeit) erfolgte, der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung. Das GMG verlangt also den Versicherten, die für ihre betriebliche Alterversorgung eine Kapitallebensversicherung mit „Einmalzahlung“ abgeschlossen haben, einen Solidarbeitrag ab.

Die Neuregelung war notwendig geworden, um die Unterdeckung in der Krankenversicherung der Rentner zu verringern: Im Jahr 2002 haben die Krankenkassen für jeden Rentner im Durchschnitt 3.907 € aufgewandt. Die durchschnittlichen Beitragseinnahmen je Rentner beliefen sich demgegenüber auf lediglich 1.716 €. Damit deckten die Beitragszahlungen der Rentner 2002 knapp 44 Prozent ihrer Leistungsausgaben. 1973 finanzierten die Rentenversicherungsträger, die bis 1983 den gesamten Beitrag für die Krankenversicherung der Rentner zahlten, die Gesundheitskosten der Rentner hingegen noch zu gut 70 Prozent.

Die SPD hält ohne Wenn und Aber an der solidarischen Krankenversicherung fest. Das Solidarprinzip würde aber außer Kraft gesetzt, wenn gefordert würde, dass jede Altersgruppe die auf sie entfallenden Gesundheitskosten selbst finanzierte. Solidarität ist vielmehr gegenseitiges Geben und Nehmen. Jeder Einzelne hat einerseits Anspruch auf die Hilfe der Gemeinschaft, wenn ein Lebensrisiko – wie Krankheit – seine Leistungskraft überfordert. Andererseits muss der Einzelne im Rahmen seiner individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der Gesundheitskosten beitragen. Beides gehört zusammen!

Die stetig wachsende Deckungslücke in der Krankenversicherung der Rentner ist eine der Ursachen für die Beitragserhöhungen der Krankenkassen in den letzten drei Jahrzehnten. Sie hat dazu beigetragen, die Arbeitskosten zu steigern. Die Einnahmen der Krankenversicherung der Rentner mussten daher erhöht werden, ohne die Arbeitskosten zu belasten und damit zugleich die Chancen für mehr Beschäftigung zu verringern. Die Rentner sollten wieder in angemessenerem Umfang an der Finanzierung ihrer Gesundheitskosten beteiligt werden. Die SPD tritt seit jeher dafür ein, dass die breiten Schultern eine schwerere Last tragen als die schmalen Schultern. Sie hat sich deshalb dafür entschieden, lediglich diejenigen Rentner verstärkt zur Beitragszahlung heran zu ziehen, deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine solche Mehrbelastung zulässt. Das ist insbesondere bei Rentnern der Fall, die zusätzlich zu ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Einkünfte aus Versorgungsbezügen erzielen – hier in Form einer Lebensversicherung mit Kapitalabfindung.

Das Gesetz beseitigte darüber hinaus, und das ist wichtig, eine Verwerfung im Beitragsrecht. Denn auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen (Rentenzahlungen) aus Direktversicherungen waren nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V alter Fassung schon früher Beiträge zur Krankenversicherung zu zahlen. Beitragspflichtig waren nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch die Kapitalabfindungen, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart wurden (Beispiel: Umwandlung einer laufenden Rentenzahlung in eine Kapitalabfindung). Direktversicherungen mit Kapitalabfindung waren also gegenüber anderen Direktversicherungsformen beitragsrechtlich begünstigt, wenn die Kapitalisierung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart worden war. Für diese Differenzierung gab und gibt es unter dem Blickwinkel der Belastungsgerechtigkeit keinen sachlichen Grund. Die konsequente Umsetzung des Solidarprinzips gebietet es vielmehr, alle Einkünfte aus Direktversicherungen gleich zu behandeln.

Ihre Auffassung, dass es sich bei der Reform um eine unzulässige Rückwirkung handele, teile ich nicht. Hier werden keine verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertrauensschutztatbestände verletzt, denn die Erhebung von Beiträgen auf Direktversicherungen mit Kapitalabfindung greift nicht in rechtlich unantastbare Besitzstände ein. Die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag selbst werden nicht angetastet; sie bleiben in vollem Umfang erhalten. Der Gesetzgeber war weder durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (Eigentumsgarantie) noch durch das Rechtsstaatsprinzip daran gehindert, Direktversicherungen mit der Kapitalisierung der Versicherungsansprüche aus Gründen des Solidarprinzips und der Abgabenabführung nach Leistungsfähigkeit der Beitragspflicht zu unterwerfen.

Seit dem 1. Januar 2004 ist somit auf alle Versorgungsbezüge (z.B. Renten aus der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Direktversicherungen, Pensionen und Bezüge aus der Abgeordnetenversorgung) der volle allgemeine Beitragssatz zu zahlen. Damit werden sämtliche Einkünfte aus Versorgungsbezügen seit dem Jahr 2004 in die Beitragsbemessung einbezogen.

Ich halte das für richtig und sachgerecht.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB