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Sascha Bilay
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Frage von Uwe B. •

Frage an Sascha Bilay von Uwe B.

Sehr geehrter Herr Bilay

Thüringen ist ein sehr schönes Land und trotzdem ist es der regierenden Partei gelungen, uns in eines der ärmsten Bundesländer zu wirtschaften. Gab es in Ihrer Laufbahn einen entscheidenden Augenblick, in dem Sie gesagt haben " Bis hierhin und nicht mehr weiter". Warum lassen sich, aus Ihrer Sicht, die Bürger so viel gefallen und wehren sich nicht öffentlich ( Ausbaubeiträge, Oberflächenwasser usw.)? Welche Ziele haben Sie sich gesteckt, wenn Sie wieder gewählt werden?

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Sehr geehrter Herr Berndt,

um es gleich vorweg zu nehmen: ich kandidiere zum ersten Mal für den Thüringer Landtag. Aber ich hoffe, dass ich in gut fünf Jahren Ihre Frage zu den Zielen im Falle einer Wiederwahl beantworten kann.
Die Situation von Thüringen innerhalb der Bundesrepublik ist tatsächlich eine Ausnahmesituation. Nach 20 Jahren CDU-Regierung (wobei die Mitverantwortung von FDP und SPD mit jeweils vier bzw. fünf Jahren nicht vergessen werden sollten), davon zehn Jahre absolute CDU-Mehrheit, ist Thüringen ruiniert. Hier gibt es die geringsten Löhne und die längste Arbeitszeit in Thüringen. In der Bildung hat Thüringen zwar die höchste Abiturientenquote, doch gleichzeitig haben wir auch die höchste Quote der Schulabbrecher. In keinem anderen Bundesland verlassen mehr Jugendliche die Schulen ohne einen Abschluss! Einem Ministerpräsidenten, der selbst Lehrer (zumindest bis zu Einstieg in die Politik) und sogar stellvertretender Schulleiter in der DDR gewesen ist, müsste angesichts dieser dramatischen Lage normaler Weise jede Nacht mit Schreikrämpfen aufwachen. Ausdruck der verheerenden Landespolitik ist auch die höchste Abwanderung von Menschen aus Thüringen. Gegenwärtig verlassen pro Jahr rund 120 Menschen, meist gut ausgebildete junge Frauen das Land. Seit Dieter Althaus regiert, ist die Abwanderungsquote deutlich gestiegen und verharrt seitdem konstant auf hohem Niveau. Höher war die Abwanderung nur unmittelbar zur Wende bis zum Jahr 1992. Die Menschen fliehen sprichwörtlich vor dieser Landespolitik, für die Dieter Althaus mit seinem Namen steht.

Ich selbst bin durch mein Elternhaus politisch erzogen worden. Meine Großeltern waren bereits in der damaligen Tschechoslowakei in der kommunistischen Partei bzw. deren Jugendorganisation aktiv. Weil sie als Feinde der Nazis galten, mussten sie fliehen. Meine antifaschistische Haltung kommt also aus einer familiären Betroffenheit heraus. Zudem habe ich erleben müssen, wie in meiner Geburtsstadt Ilmenau im Zusammenhang mit dem politisch gewollten Massensterben der ehemaligen DDR-Betriebe tausende Menschen auf einen Schlag vor die Tür gesetzt wurden. Ein Großteil dieser Betroffenen hat seitdem jede Perspektive auf einen Arbeitsplatz, der eine planbare Lebensgestaltung bietet, verloren. Hier hätte es zumindest teilweise andere Möglichkeiten geben, die Produktion und damit Arbeitsplätze zu retten. Mir war bereits als Schüler klar, dass die gegenwärtigen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse so nicht länger bestehen dürfen. Deshalb habe ich begonnen, mich politisch zu engagieren.
Ich würde mich freuen, wenn es mehr Menschen in der Bundesrepublik geben würde, die sich wieder öffentlich betätigen, um bestehende Verhältnisse zu verändern. Bereits auf die Frage von Herrn Voß vom 24.07.09 bin ich darauf ansatzweise eingegangen. Hier bieten zahlreiche Vereinigungen und Zusammenschlüsse die vielfältigsten Möglichkeiten. Man muss sich nicht immer in einer Partei engagieren. Aber es muss endlich ein breites Bündnis der *sozialen Vernuft" in Deutschland geschmiedet werden. Stellen Sie sich einmal vor, nur einmal im Monat würden alle Arbeitslosen am Tag der Bekanntgabe der Arbeitslosenzahlen in ihren Städten demonstrieren. Welches Bild würde sich ergeben, wenn Monat für Monat Millionen Menschen auf die Straße gehen! Und das nur aus Eigennutz heraus! Allein das persönliche Motiv, nicht länger arbeitslos sein zu müssen, müsste ausreichen, um diese gewaltige Masse auf die Straße zu treiben. Bedauerlicher Weise bleibt dieser Gedanke nur ein Traum.
Diese Gesellschaft ist darauf aufgebaut, alle solidarisierenden Effekte zu zerschneiden und die Menschen zu isolieren bzw. zu individualisieren. Dann kann man nämlich leichter mit ihnen umgehen und staatliche Repressionspolitik betreiben. Deshalb sind alle solidarisierenden Möglichkeiten auszuschöpfen, damit es möglich wird, gemeinsam ein Bündnis der *sozialen Vernunft" aufzubauen. Hier müssen aber zunächst die großen Organisationen, die für die politische Bildung zuständig sind, endlich zur sozialen Politik zurückfinden. Es ist eben wenig glaubwürdig, wenn Gewerkschaftsvorsitzende (auch in Thüringen) die Politik der sozialen Ausgrenzung kritisieren und gleichzeitig dieselben Personen Mitglied in Regierungsparteien sind, die für diese Politik der Ausgrenzung und Entwürdigung mitverantwortlich sind. Wenn der DGB-Vorsitzende von Thüringen für die SPD als Spitzenkandidat zur Bundestagswahl antritt, müsste er entweder erklären, dass er sich für die Rück-Abwicklung von Hartz IV einsetzen wird oder er riskiert weiterhin, dass den Einzelgewerkschaften wegen dieser Unglaubwürdigkeitspolitik die Menschen davon laufen.
Auch deshalb kandidiere ich für den Landtag: ich will Menschen wieder Mut machen, sich politisch zu betätigen und nicht länger zu resignieren. Jede und jeder kann für Veränderung sorgen! Entscheidend ist, dass möglichst viele Menschen für einen Politikwechsel sorgen. Dazu gehört neben einer starken LINKEN auch eine hohe Wahlbeteiligung. Denn eines ist sicher: diejenigen, die tatsächlich bei einem Politikwechsel etwas zu verlieren haben, werden zur Wahl gehen. Und sie werden wieder CDU wählen. Ich will jedoch, dass die Menschen, die bei einem Politikwechsel etwas zu gewinnen haben, zur Wahl gehen!

Mit optimistischen Grüßen
Ihr Sascha Bilay

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