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Sabine Zimmermann
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Frage von Sonja K. •

Frage an Sabine Zimmermann von Sonja K. bezüglich Frauen

Sehr geehrte Frau Zimmermann,

Ich arbeite zurzeit an einer Facharbeit zum Thema Akzeptanz und Umgang mit Frauen in der Politik.
Dazu würde ich Ihnen gerne Fragen stellen, um aus Ihrer persönlichen Einschätzung und Erfahrungen Kenntnisse zu gewinnen.

1. Erfahren Sie einem differenzierten Umgang zwischen Männern und Frauen?
2. Was wünschen Sie sich zum Thema Gleichberechtigung?
3. Warum ist Ihrer Meinung nach der Anteil von Frauen in der Politik so gering?
4. Was müssen Frauen als Voraussetzung mitbringen, wenn Sie in der Politik tätig sein möchten?
5. Wie nehmen Sie die Medienpräsenz im Vergleich zwischen Männern und Frauen war?
6. Gibt es Ihrer Meinung nach Diskriminierung vom Frauen beim politischen Aufstieg?
7. Nach welchen Kriterien bei einer Wahl zwischen Mann und Frau entscheiden Sie?

Ich freue mich sehr auf Ihre Antworten.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Kostiza,

vielen Dank für Ihre Fragen und für das damit verbundene Vertrauen, das Sie in meine Arbeit setzen.

Vorab möchte ich aber darauf hinweisen, dass das Portal "Abgeordnetenwatch" eher für einzelne Bürgerfragen zur konkreten politischen Arbeit von Abgeordneten da ist, nicht für journalistische, wissenschaftliche und vergleichbare Anfragen, die mit einem längeren Fragenkatalog einhergehen. Mit solchen Anliegen können Sie mich direkt über meine E-Mail-Adresse (auf meiner Homepage ersichtlich) kontaktieren.

Zu Ihren Fragen:

1. Ich verstehe Ihre Frage so, dass Sie wissen möchten, ob Frauen und Männer unterschiedlich behandelt werden. Soziale Geschlechterrollen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor tief verankert. Eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen ist daher Alltag und ich begegne ihr auch in meinem persönlichen und politischen Leben.

2. Ziel muss es sein, geschlechtsbasierte Ungleichheits- und Machtverhältnisse ebenso zu überwinden wie feste Rollenzuschreibungen. Gleichberechtigung im Sinne gleicher gesetzlicher Rechte ist dafür unzureichend, wenn Machtstrukturen und soziale Erwartungen verhindern, dass Menschen von ihren Rechten Gebrauch machen. Das wichtigste politische Ziel muss daher sein, die Voraussetzungen für Gleichheit und geschlechtsunabhängige Selbstbestimmung zu schaffen. Mein Fokus liegt dabei insbesondere auf der Arbeits- und Sozialpolitik. Wichtige Aspekte sind dabei gleicher Lohn für gleiche Arbeit, eine deutlich bessere Entlohnung für traditionell weibliche Berufe, starke Familienleistungen sowie Auswege aus der Teilzeitfalle (umfassendes Recht auf Rückkehr in Vollzeit, Recht auf eine Wochen-Mindestarbeitszeit, Beseitigung steuer- und sozialrechtlicher Anreize, die Arbeitszeit zu begrenzen). Allgemein halte ich es für wichtig, die sozio-ökonomische Dimension der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern nicht zu vernachlässigen.

3. Meines Erachtens spielen zwei Faktoren eine Rolle. Erstens: Machtpositionen werden überdurchschnittlich oft von Männern besetzt. Rollenbasierte Erwartungsmuster und Verhaltensweisen wirken hier zusammen mit einer politischen Kultur, die traditionell männlich besetztes Verhalten mit Machtgewinn belohnt. Das erschwert Frauen den Zugang in die Politik (übrigens ebenso wie in wissenschaftliche und wirtschaftliche Führungspositionen). Außerdem erfordert politisches Engagement (zumal als BerufspolitikerIn) eine Zeitinvestition, die sich schwer mit familiärer Sorgearbeit vereinbaren lässt. Der überwiegende Teil der familiären Sorgearbeit wird nach wie vor von Frauen verrichtet. Zweitens: Die politischen Parteien haben weniger weibliche als männliche Mitglieder und stellen - auch aus den genannten Gründen - weniger weibliche Kandidatinnen auf. Das gilt ganz besonders für CDU, FDP und AfD. Sie lehnen eine Aufstellung paritätisch besetzter KandidatInnenlisten ab und haben durch die Zusammensetzung ihrer Wahllisten dafür gesorgt, dass der aktuelle Bundestag der männlichste seit Jahrzehnten ist.

4. Versteht man die Frage normativ, denke ich nicht, dass Frauen spezifische Voraussetzungen mitbringen müssen. Jeder Mensch sollte sich genau so, wie er ist, politisch engagieren können. Politische Verfahren und Strukturen sollten so verändert werden, dass dies möglich wird. Rein faktisch ist es im derzeitigen Politikbetrieb aber so, dass Frauen, die Durchsetzungsfähigkeit, ein starkes Netzwerk und ein hohes, flexibel einsetzbares verfügbares Zeitvolumen mitbringen, bessere Chancen aufweisen. Diese Voraussetzungen sind für Männer nicht grundlegend andere, nur erfüllen Männer sie aus den oben genannten Gründen häufiger. In politischen Parteien wie der LINKEN, die paritätisch besetzte KandidatInnenlisten aufstellen, ist der Einstieg in die Politik für Frauen etwas niedrigschwelliger.

5. Ich nehme an, dass Ihre Frage auf PolitikerInnen abzielt. Es lässt sich beobachten, dass Männer entsprechend ihrem höheren Anteil in politischen Ämtern auch in den Medien stärker repräsentiert sind. Wenn Frauen in den Medien präsent sind, ist bei ihrer Bewertung teils ein Fokus auf stereotype Rollenbilder zu erkennen, etwa indem Äußerlichkeiten kommentiert werden oder politische Konflikte als persönliche Konflikte zwischen Politikerinnen dargestellt werden.

6. Ja, solche Diskriminierungen gibt es, und das nicht nur vereinzelt. Allerdings halte ich aus den genannten Gründen nicht die Fälle offener und bewusster Diskriminierung für das größte Problem beim politischen Aufstieg von Frauen, sondern eher die oben beschriebenen strukturellen Probleme.

7. Ich befinde mich nur selten in der von Ihnen beschriebenen Situation. Bei der Aufstellung von KandidatInnen beispielsweise ist in meiner Partei Parität gewährleistet, sodass es hier kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-Auch gibt. Ansonsten ist das Geschlecht für mich kein maßgebliches Kriterium, wobei ich mich natürlich - wie jeder andere Mensch - von Vorverständnissen und gesellschaftlichen Prägungen nicht freimachen kann. Auch deshalb halte ich es für richtig, Frauen - zum Beispiel bei Bewerbungen und Einstellungen - in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, besonders zu fördern.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Zimmermann